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samedi, 15 septembre 2012

Warum der Westen Russland braucht

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Warum der Westen Russland braucht

Die erstaunliche Wandlung des Zbigniew Brzezinski

Von Hauke Ritz

Der 1928 geborene Zbigniew Brzezinski ist eine der schillerndsten Figuren der außenpolitischen Elite der Vereinigten Staaten. Seine Schriften bestechen durch ihren Sinn für die machtpolitische Realität und irritieren zugleich durch die Konsequenz, mit der diese Machtpolitik entfaltet wird. Da Brzezinski an der Gestaltung des Kalten Krieges aktiv beteiligt war und bis heute eng mit den politischen Eliten Amerikas verbunden ist, sind seine Bücher nicht nur historische, sondern immer zugleich auch politische Dokumente, die einen tiefen Einblick in das Selbstverständnis amerikanischer Außenpolitik gewähren.

Nun ist Brzezinski mit einem neuen Buch an die Öffentlichkeit getreten. Dieses trägt den Titel „Strategic Vision“ und ist insofern höchst bemerkenswert, als Brzezinski darin eine weitreichende politische Wende vornimmt. Er fordert eine umfassende Revision der bisherigen Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik seit dem Ende des Kalten Krieges. Die zentrale These des Buches lautet, dass die USA sich heute in einer ähnlichen Situation befinden wie die Sowjetunion in den 80er Jahren.

Ging es in seinem letzten großen Buch „The Grand Chessboard“ noch darum, die politische Kontrolle über Zentralasien zu gewinnen und sprach er 2008 immerhin noch von einer „Second Chance“ zur Errichtung einer unipolaren Welt, so gesteht er jetzt ein, dass der Machtverlust der USA und die multipolare Welt Realität geworden sind. Damit kommt es zu einer ganzen Reihe von Neubewertungen. Am erstaunlichsten ist, dass er seine radikale Gegnerschaft gegenüber Russland, die in all seinen früheren Büchern direkt oder unterschwellig präsent ist, aufgegeben hat. Mehr noch: Für das Überleben des Westens sei es zentral, Russland zu integrieren.

Von Carter zu Reagan

Die ganze Bedeutung dieser Kehrtwende wird jedoch erst verständlich, wenn man sich den Verlauf von Brzezinskis Karriere vergegenwärtigt. Man könnte Brzezinski als eine moderne Erscheinung des königlichen Beraters bezeichnen. In ihm verbinden sich die Eigenschaften eines politischen Denkers und kühlen Praktikers fast bis zur Ununterscheidbarkeit. Schon in seinen frühen Büchern wird seine Faszination für Macht und ihre Analyse deutlich. Seinem vorrangigen Interesse, die bestehenden Machtstrukturen im Dienste und Sinne der Vereinigten Staaten zu stärken, folgte auch seine Arbeit als Sicherheitsberater unter Jimmy Carter. Damals, in den Jahren 1977 bis 1981, war er direkt an der Ausgestaltung des Kalten Krieges beteiligt.

Waren Nixon und Kissinger noch primär um eine Erhaltung des Status Quo bemüht gewesen, interessierte Brzezinski von Beginn an die Frage, wie man den Kalten Krieg erneut verschärfen und zu einer endgültigen Entscheidung bringen könnte. Sein Einfluss muss auch deshalb hoch veranschlagt werden, weil viele seiner Konzepte anschließend auch von der Reagan-Administration fortgeführt wurden. 1998 enthüllte er in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Nouvel Observateur“, dass die USA bereits vor dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan die Mudschaheddin finanziell unterstützt hätten. Ziel dieser Politik sei es gewesen, so Brzezinski, die Wahrscheinlichkeit eines Einmarsches der UdSSR in Afghanistan zu erhöhen. Gefragt, ob er die Unterstützung fundamentalistischer islamischer Gruppen inzwischen bereuen würde, antwortete er: „Was soll ich bereuen? Diese verdeckte Operation war eine hervorragende Idee. Sie bewirkte, dass die Russen in die afghanische Falle tappten und Sie erwarten ernsthaft, dass ich das bereue. Am Tag, da die Russen offiziell die Grenze überschritten, schrieb ich Präsident Carter: Jetzt haben wir die Möglichkeit, der UdSSR ihr Vietnam zu liefern.“ Als der Interviewpartner nachhakt und auf die Verknüpfung von islamischem Fundamentalismus und Terrorismus hinweist, antwortet Brzezinski: „Was ist wohl bedeutender für den Lauf der Weltgeschichte? […] Ein paar verwirrte Muslime oder die Befreiung Mitteleuropas und das Ende des Kalten Krieges?“[1]

>> weiter in den ‘Blättern für deutsche und internationale Politik

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