samedi, 14 septembre 2013
Panarabismus statt Demokratie-Export!
Panarabismus statt Demokratie-Export!
von Gereon Breuer
Ex: http://www.blauenarzisse.de
Die USA prüfen einen Demokratie-Export nach Syrien. Einst sollte der Panarabismus den Islamismus zurückdrängen und die zerspaltene Arabische Welt einen.
Als am 28. September 1970 Gamal Abdel Nasser in Kairo einem Herzinfarkt erlag, starb nicht nur ein ägyptischer Staatspräsident, sondern auch der letzte prominente Vorkämpfer des Panarabismus. Welche Zukunft hat der Panarabismus heute?
Identitätskrise der arabischen Staaten
Die unter dem euphemistischen Begriff des „Arabischen Frühlings“ bekannt gewordene Welle von Aufständen des Volkes gegen seine Herrscher in der islamischen Welt schafft eine Lücke im Ringen um die Identität der arabischen Staaten. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und der de-facto-Besatzung des fruchtbaren Halbmondes durch die Kolonialtruppen des britischen Empire und der Grande Nation, stürzte die arabische Welt in eine Identitätskrise, die bis heute nicht bewältigt scheint. Die Staaten und ihre zum Teil auf Geheiß der Besatzer installierten Führer fanden unterschiedliche Strategien, dieser Krise zu begegnen.
Eine dieser Strategien war der Panarabismus. Die Ursprünge dieser Bewegung liegen noch vor dem Beginn des zweiten Dreißigjährigen Krieges, als das Osmanische Reich de jure noch bestand, sein Zerfall aber nicht mehr zu leugnen war. Während für das Osmanische Reich und seinen Sultan die Umma – die Gemeinschaft der Muslime – die entscheidende Bezugsgröße war, setzte der Panarabismus auf die Identität der Nation. Es handelte sich um eine durchaus als nationalistisch zu bezeichnende politische Strömung, die alle Araber vom Atlantik bis zum Persischen Golf in einem gemeinsamen Staat vereinen wollte – das zumindest war der Anspruch.
Die Einigung aller Araber – vom Atlantik bis zum Persischen Golf
Es gab in der jüngeren Geschichte der nach-osmanischen Staatenwelt mehrere Versuche, diesen Anspruch in die Wirklichkeit umzusetzen. Einen davon, der zu den bekanntesten gehört, wurde von Gamal Abdel Nasser unternommen. Mit der so genannten „Vereinigten Arabischen Republik“, in der Nasser Ägypten mit Syrien von 1958 bis 1961 zu quasi einem Staat zusammenschloss, versuchte der ägyptische Präsident, den Grundstein für eine alle arabischen Staaten umfassende Union zu legen.
Dieser Versuch misslang mit der Aufkündigung des Zusammenschlusses durch Syrien, das die ägyptische Vormachtstellung nicht akzeptieren wollte. Es war der bisher letzte Versuch, den Panarabismus in Form eines gemeinsamen arabischen Staates zu verwirklichen.
Stabilität gegen den Islamismus
Abseits der nationalistischen Bestrebungen Nassers, der die arabischen Staaten und Völker unter seiner Führung einen wollte und angesichts der aktuellen Entwicklungen in der arabischen Welt stellt sich die Frage, welche Zukunft der Panarabismus heute haben könnte. Um sie hinreichend und im überschaubaren Rahmen zu beantworten, sind zwei Aspekte bedeutsam. Der eine Aspekt ist, dass der Panarabismus Stabilität schafft. Der zweite, dass der Panarabismus in Opposition zum Islamismus steht. Beide Aspekte hängen zusammen.
Stabilität entsteht in der Hinsicht, dass eine gemeinsame Identität geboten wird, die zu akzeptieren für verschiedene arabische Völker beziehungsweise Stämme möglich ist. Die Identität des Arabischen in Sprache und Kultur kann der kleinste gemeinsame Nenner sein, der die arabischen Staaten miteinander verbindet. Das Machtstreben von Einzelpersonen, die sich zur autokratischen Herrschaft berufen fühlen, kann diese verbindende Identität freilich nicht verhindern. Ob sie es befördert, ist nicht zweifelsfrei zu sagen.
Nation vor Religion
Weil der Panarabismus den ideologischen Schwerpunkt im Bereich der Nation setzt, duldet er jedoch nicht die Vorherrschaft und die Reglementierung durch die Religion und die Ideologie des Islam. Der Grund hierfür liegt in der Zeit des Osmanischen Reiches. Der Sultan in Istanbul war nicht nur formal das weltliche Oberhaupt über die in seinem Reich lebenden Völker, sondern er beanspruchte auch die religiöse Herrschaft. Das empfanden nicht nur die Ägypter als Einschränkung. Es erscheint auch angesichts der vielen Strömungen innerhalb des Islam als mindestens problematisch, ein religiöses Oberhaupt zu akzeptieren. Der Vorzug der Nation, also des nationalen Aspektes des Arabischen, löst dieses Problem in einer Degradierung der Religion.
In der Zusammenschau beider Aspekte ergibt sich hinsichtlich heutiger Chancen des Panarabismus zur Stabilisierung der arabischen Welt folgendes Bild: Eine gemeinsame Identität aller arabischen Nationen erscheint durchaus vorteilhaft. Sie setzt diesen Aspekt vor den Islam und kann so extremistische religiöse Bestrebungen wie die Muslimbruderschaft in Ägypten einhegen.
Ein Staatenbund aller arabischen Staaten kann dann zwar ein hehres Ziel sein; viel wichtiger aber ist, dass eine Priorisierung der Gemeinsamkeiten aller arabischen Staaten verhindert, was im Osmanischen Reich zuletzt auf der Tagesordnung stand: Ein Scheitern an der oktroyierten Moderne mit den blutigsten Begleiterscheinungen.
Das Scheitern einer oktroyierten Moderne verhindern
Der Panarabismus ist schließlich kein politisches Konzept, wie es sich Demokratie-Fetischisten für die arabische Welt wünschen. Das ist es nicht, weil es ein politisches Konzept der arabischen Welt ist, das aus ihr hervorgegangen ist. Aus diesem Grund kann der Panarabismus durchaus als erfolgversprechendes Modell für eine Stabilisierung der Staatenwelt zwischen Atlantik und Persischem Golf angesehen werden. Dabei wäre es irrelevant, ob ein westlicher Außenminister das gut findet, oder nicht.
00:05 Publié dans Histoire | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : panarabisme, monde arabe, monde arabo-musulman, politique internationale | | del.icio.us | | Digg | Facebook
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