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lundi, 06 juillet 2015

Warum Konservative scheitern – metaphysisch betrachtet

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Warum Konservative scheitern – metaphysisch betrachtet

Wie schon in meinem Beitrag über den Staat als zu meidendes Ungeheuer [2]gehe ich auch im Folgenden an die Wurzeln konservativen bzw. rechten Selbstverständnisses. Es ist nicht die reine Lust an der Provokation, die mich antreibt. Mein Anliegen ist es vielmehr, Selbstgewissheiten in Frage zu stellen – voraussetzend, daß ein Infragestellen nicht zwangsläufig eine Verneinung bedeutet, sondern auch ein Prüfstein sein kann.

Man betrachte es als Antidot gegen den sich allzu oft Geltung verschaffenden Drang, einander wohlwollend in Stammtischmanier auf die Schulter zu klopfen. Die gegenseitige Bestätigung hilft uns nicht weiter. Wir müssen die beständige, harte und ehrliche Auseinandersetzung mit unseren eigenen Grundlagen und Denkvoraussetzungen suchen.

Wann und wo immer konservative Versuche, das Ruder herumzuwerfen, scheitern, machen die Gescheiterten alles Mögliche dafür verantwortlich: die Linken, die Liberalen, die Medien, den Zeitgeist, besondere Umstände, gelegentlich auch Querelen in den eigenen Reihen. Kaum jemals reicht die konservative Besinnung weit genug, um zu erkennen, daß der konservative Anspruch selbst es sein könnte, der auch die konservative Aktion notwendig scheitern lässt. Wie ist das zu verstehen?

Ernst Jünger konstatiert im Vorwort zu den Strahlungen: „Der konservative Anspruch, sei es in der Kunst, der Politik, der Religion, stellt Wechsel auf nicht mehr vorhandene Guthaben aus.“ Konservative sind also – metaphysisch gesehen und völlig unabhängig vom Begriff bürgerlichen Ehrhaftigkeit – Betrüger, Zinker, Hütchenspieler.

In Typus, Name, Gestalt führt Jünger diesen Gedanken einige Jahre später näher aus. Er warnt davor, die „Weißung“ („Blanko“), in der die überkommenen Begriffe, Werte, Namen, Typen und Gestalten an Geltung verlieren, vorschnell zu füllen. Denn hierin liegt eine große Gefahr: „… es gibt nichts Unreineres als Götter, die überständig geworden sind.“

Der Rückgriff auf den Mythos genügt nicht: „Daß unzureichende Setzungen schnell unter Einbußen ad absurdum geführt werden, hat das jüngste Geschehen gelernt“. Natürlich kann jeder für sich im Privaten konservative Wertsetzungen leben und damit individuell durchaus glücklich sein, vielleicht sogar als Vorbild wirken. Darum geht es Jünger aber gar nicht. Ihm geht es um die großen Setzungen, um das überindividuell Prägende in Kunst, Politik und Religion. Und genau darum geht es uns doch auch, nicht allein um das werterfüllte Leben im Privaten.

Jünger greift Nietzsches Analyse des Nihilismus auf: der Nihilismus als gewaltige Grundströmung der abendländischen Geistesgeschichte seit Platon. Dass Nietzsche (und mit ihm Heidegger) den Nihilismus als langwirkende Macht ansieht, dem kein bloßes Meinen und Bekennen und trotziges Festhalten auch nur ansatzweise etwas entgegensetzen kann, will der konservative Geist nicht wahrhaben:

Er geht zur Tagesordnung über, bekennt sich zu den „Werten“ seiner Vorväter, glaubt weiter unbeirrt an Gott, das Ewige, das Wahre, das Schöne und Gute und tut so, als ob der „Nihilismus“ eine bloße Meinungsäußerung des bekanntlich geistesgestörten Nietzsche gewesen sei.

Nochmals: Natürlich kann jeder für sich entscheiden, ob er an den Gott der Bibel glauben möchte oder nicht. Die Frage ist, wohin diese „kleinen Fluchten“ führen. Das wesentliche Ziel erreichen sie, wie es aussieht, nicht: das einer Umgestaltung im Großen. Das liegt daran, dass das Bekenntnis zu Werten und Weltanschauungen beliebig und Sache einer subjektiven Entscheidung ist. Im Warenhaus der Sinnangebote entscheidet der eine sich für dieses, der andere für jenes. Eine echte, strenge Notwendigkeit, ein „Ich kann nicht anders“ ist bei nüchterner Betrachtung nicht zu erkennen.

Die Frage, der Konservative sich stellen sollten, wäre die: Wenn der Nihilismus – der Rückzug der Götter, des Gottes – wirklich eine langwirkende Macht aus der Tiefe der abendländischen Geschichte und als solche gleichsam Seinsgeschichte (Heidegger) bzw. Heilsgeschichte ist: Wie verhalten wir uns angemessen?

Rückgriffe sind Griffe ins Leere, ins Haltlose. Sie fördern bloße Schemen zutage, nicht den echten, lebendigen Gott, der alles Seiende durchdringt. Sich hingegen an der Destruktion zu beteiligen, scheidet für Konservative ebenso aus wie der reine Genuss der Abwesenheit verbindlicher Autoritäten („Spaßgesellschaft“).

Auch das von Carl Schmitt favorisierte Modell des Katechon, des Aufhalters, kann es nicht sein, wenn denn der dem heraufdämmernden Nichts vorangehende Rückzug Gottes von diesem selbst gewollt ist. Wozu ihn aufhalten und ihm so ins Handwerk pfuschen? Geht es nicht vielmehr darum, die heraufziehende Kälte auszuhalten? Gilt es nicht, sich dem Nichts zu stellen? Wäre nicht zu akzeptieren, dass wir uns vielleicht noch nicht einmal im Auge des Sturms befinden und erst recht nicht schon jenseits der imaginären Linie, die uns von einer neuen erfüllten Wertsetzung im Großen trennt?

Sowohl Nietzsche als auch Heidegger sahen weitere Jahrhunderte ohne neuen Gott oder neue Götter als das Ganze prägende Mächte vor uns liegen. Also: Wie lässt sich eine solche Zeit jenseits individueller Erwägungen, also ausschließlich mit Blick auf „Werte“ bzw. deren Abwesenheit, mit Blick auf das Ganze überleben? Wie lässt sich überwintern? Müssen wir vielleicht weit hinter den Mythos zurück?

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