Helmut MÜLLER
Ex: http://helmutmueller.wordpress.com
„Zugeben, man habe mitgemacht oder zumindest das ganze Ausspionieren geduldet, wird kaum einer“ schrieb ich in meinem letzten Beitrag hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit eines österreichischen Geheimdienstes mit jener berüchtigten NSA. Nun wird bekannt, daß zumindestim Falle der Bundesrepublik Deutschland, wahrscheinlich aber auch Österreich, eine solche Mitarbeit zutreffen soll.
Nach Angaben der britischen Zeitung “The Guardian” haben einige Länder, in hohem Maße aber Deutschland, regelmäßig aus digitaler Kommunikation gewonnene Daten an die US-Sicherheitsbehörde NSA (National Security Agency) weitergegeben. NSA und andere haben also nicht nur spioniert, sondern auch Material zugesteckt bekommen. Das Blatt beruft sich auf Enthüllungen eines ehemaligen NSA-Mitarbeiters.
Die geheuchelte Empörung der Politiker wird besonders im Falle Berlins verständlich, wenn man bedenkt, was da für die hochverräterische politische Klasse auf dem Spiel steht. Mehr als ihre Glaubwürdigkeit jedenfalls.
Daß Deutschland ein bevorzugtes Angriffsziel seiner „Freunde“ ist, erklärt zwar dessen ökonomische Stärke und Innovationskraft auf technischem und wissenschaftlichem Gebiet, aber auch dessen für besondere „Freunde“ unergründliche, immer noch schwer durchschaubare Seele. Man mißtraut den Deutschen, trotz allem.
Das nun ins Gerede gekommene Überwachungssystem sollte nicht wirklich überraschen, sind doch seit spätestens 2001 ähnliche Systeme (von der EU befürwortete “Echelon” z. B.) in Betrieb und bekannt. Nicht zuletzt wurden angeblich nach dem Kriege in Geheimverträgen den Siegermächten von Bonn Überwachungsrechte zugestanden, die zum Teil heute noch in Kraft sein sollen. Was einer in einem östlichen Überwachungsstaat aufgewachsenen und diesbezüglich eher schweigsamen Kanzlerin nicht wirklich merkwürdig erscheinen muß.
Interessant an der ganzen Sache ist auch, daß Washington nur die englischsprachigen Länder Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland zu seinen wirklichen Freunden zu zählen scheint. Deutschland gehört, so liest man, trotz einflußreicher atlantischer Netzwerke und US-Anhänglichkeit führender Eliten, nicht zum engeren Kreis. Was an der Wertschätzung des einst großen Vorbildes durch deutsche (auch österreichische) politische “Mitarbeiter”, die durch NSA- und andere Einsichten und Zugeständnisse längst erpressbar geworden sind, wenig ändern wird.
Jacob Augstein schreibt ganz richtig: „Sie (aber wer ist das? Anmerkung von mir) streben die totale Kontrolle an – über jeden einzelnen von uns. Dieses Bestreben macht ausgerechnet das Land, das wie kein anderes auf der Welt für die Freiheit des Einzelnen stand, zu einem totalitären Staat.“ Nur dieses eine Land?
Man darf gespannt sein, ob der deutsche Michel (oder der österreichische Herr Karl) daraus etwas lernen kann bzw. wie sich der Jahrhundertskandal auf die Wahlen im September auswirken wird.
Der Datenskandal rund um den US-Geheimdienst NSA schlug auch in Österreich erhebliche Wellen. Sollten, wie kolportiert, das Heeresnachrichtenamt und möglicherweise auch andere Stellen mit der NSA kooperieren, wäre dies, angesichts der realen Machtverhältnisse in Nachkriegseuropa, nicht überraschend.
Daß die Bundesregierung deshalb alarmiert gewesen sei, halte ich daher für wenig wahrscheinlich. Aber der Öffentlichkeit gegenüber mußte man wohl irgendwie den über die Jahre Ahnungslosen spielen. Zugeben, man habe mitgemacht oder zumindest das ganze Ausspionieren geduldet, wird kaum einer.
In diesem Sinne wäre der Innenministerin offizielle Anfrage an die US-Botschaft, ob mit dem umstrittenen Spionageprogramm PRISM personenbezogene Daten auch von Österreichern oder österreichischen Firmen verarbeitet wurden, als rein kosmetischer Formalakt zu betrachten.
Ein groteskes Theater immerhin, daß sich eben vor der Kulisse der von den Alliierten hergestellten Ordnung nach 1945 und vor dem Hintergrund der die Außenpolitik der USA bestimmenden Doktrin entsprechend einordnen läßt. Daß die USA seit Jahrzehnten den nicht immer ganz vornehmen und rücksichtsvollen Hauptakteur in den Beziehungen der beiden Länder geben, läßt sich kaum verheimlichen.
Die US-Außenpolitik kann unter dem janusköpfigen Wilson-Motto, „die Interessen der anderen Nationen sind auch die unseren“ (ähnlich brüderlich formulierte man es auch einmal in Moskau) zusammengefasst werden. Es wurde und wird von Washington weltweit unterschiedlich Druck ausgeübt und gegebenenfalls unter dem Motto „America first!“dem Anlaß gemäß interveniert. Auch im neutralen Österreich.
In den 175 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Wien und Washington herrschte nicht immer eitel Wonne. Das zeigte sich etwa 2005 als Österreich bei den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht gleich begeistert mitmachte. Damals drohte ein hochrangiger Mitarbeiter des US-Außenministeriums in einem Telefonat mit der Botschafterin in Washington: „Wenn Österreich die Türkei quält, wird es einen Preis dafür zahlen.“ Das genügte, und Österreich gab seinen Widerstand auf.
Ähnlich das Ergebnis in jenem Fall wo es vor wenigen Jahren vorerst noch um die von Washington „gewünschte“ hochoffizielle Übermittlung von bestimmten Daten ging. Hatte doch der US-Kongreß ein Gesetz verabschiedet, wonach Länder die das Visa-Waiver- Programm (Einreise ohne Visa) behalten wollen, mit den USA im Kampf gegen transnationale Verbrechen kooperieren, eben Daten übermitteln müßten.
Die USA wollten demnach aufgrund des Abkommens „über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten” Zugriff auf DNA-Datenbanken, Fingerabdruckdateien und die Identitäten von Terror-Verdächtigen bekommen. Den haben sie inzwischen, etwa vor einem Jahr, bekommen, konkret von der schwarz-roten Koalitionsmehrheit des österreichischen Parlaments.
Mit dem Abkommen wird den US-Behörden ein Zugriff auf die österreichischen Polizei-Datenbanken ermöglicht. Das österreichische Außenministerium umschrieb dies mit „flankierenden Sicherheitsmaßnahmen“.
Konkret bezieht sich der Vertrag auf terroristische und schwerwiegende Straftaten, wobei schon eine Strafdrohung von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe maßgeblich sein kann. Neben der Übermittlung von Fingerabdrücken und DNA-Profilen soll auch in Einzelfällen die Weitergabe von Daten über politische Einstellung, sexuelle Orientierung, Religionszugehörigkeit und Mitgliedschaften in Gewerkschaften möglich sein.
Zuvor hieß es, sollte das Abkommen im österreichischen Nationalrat nicht beschlossen werden, drohe die Wiedereinführung der Visapflicht für Österreicher. US-Botschafter William Eacho hatte diesbezüglich “Druck aus Washington” eingeräumt. Dieser sei aber nicht “übermäßig” gewesen, sagte derselbe Diplomat in einem Interview mit der Zeitung „Die Presse“. Erpressung sei das keine gewesen, so das österreichische Außenministerium. Wer kommt auch bloß auf so eine Idee?
Leider stehen die Fakten immer wiederkehrender diplomatischer oder politischer Interventionen – sei es in Asylfragen oder solchen ökonomischer Wichtigkeit – in krassem Gegensatz zu dem beschönigendem (oder naivem?) Bild, das 1946, also ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges, der damalige österreichische Außenminister Dr. Karl Gruber (1) in einem Vortrag vor der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft (2) in Wien zeichnete, und dem viele Österreicher noch immer anhängen.
Demnach gehe es US-Amerika nur um die Sicherung des Friedens und um die Offenhaltung des Handels für alle Mächte, d.h. Beseitigung der Handelsschranken. Man habe, so Gruber, in Österreich sonst keine Interessen. Wie schön.
Mit 1945 begann eine neue Phase der Beziehungen
Willige Eliten in Politik und Gesellschaft hatten ab 1945 für eine Heranführung und enge Bindung an die allgütige Siegermacht Sorge zu tragen hatten. Wie in der späteren Bundesrepublik Deutschland, aber weniger ausgeprägt vielleicht, galt nach 1945 auch für Österreich, was der US-Autor und Soziologe James Petras so charakterisiert: „Die Ausbildung kollaborierender Herrscher oder Klassen entsteht aus diversen kurz- und langfristigen politischen Maßnahmen, angefangen bei direkten, militärischen, den Wahlkampf betreffenden und außerparlamentarischen Aktivitäten bis hin zu mittel- bis langfristigen Rekrutierungen, Training und Ausrichtung von vielversprechenden, jungen Führern über Propaganda und Erziehungsprogramme, kulturell-finanzielle Anreize, Versprechen von politischer und wirtschaftlicher Unterstützung bei der Übernahme politischer Ämter und über erhebliche verdeckte finanzielle Unterstützung.“ (3)
Zwar sind in Österreich nicht in dem Ausmaße wie in der so benannten Bundesrepublik dieselben starken transatlantischen Netzwerke entstanden, aber eine Teil der österreichischen Elite wurde doch in solche eingebunden. Dadurch wurde die massive US-Einflußnahme auf Politik, Wirtschaft und Kultur, besonders auf die Medien.(Amerikanisierung bzw. Westernisierung) durch auch heute noch vorhandene US-nahe Seilschaften ermöglicht.. Ihren Beitrag dazu leisteten auch die Fulbright-Stipendienprogramme, an denen seit 1951 tausende Österreicher teilnehmen durften.
Daß die nach einem US-Senator benannte Fulbright-Kommission stark vom CIA unterwandert war und wahrscheinlich noch ist, kam erst 1966 an das Tageslicht. Sie ist heute noch auch in Österreich präsent und tätig (Ehrenvorsitzende: Wissenschaftsminister Töchterle und US-Botschafter Eacho).
Der erwähnte Petras ganz allgemein zu solchen und ähnlichen Kooperationen: „Die Geschichte hat gezeigt, dass die geringsten Kosten bei der Aufrechterhaltung von langfristiger, umfassend angelegter imperialer Herrschaft („Imperial Domination“) durch die Förderung von lokalen Kollaborateuren entstehen, egal ob in der Form von politischen, wirtschaftlichen und/oder militärischen Führern, welche von den Klientel-Regimes aus operieren.“
Ganz im Banne der wirtschaftlichen Nöten war die Öffentlichkeit weniger daran interessiert, was hinter den Kulissen geschah, sondern mehr daran, was auf den Teller kam. Große Beliebtheit in der auf Lebensmittel-Hilfslieferungen angewiesenen österreichischen Bevölkerung erfuhren daher die von 22 US-Hilfsgesellschaften versandten „CARE“-Pakete (4). Die erste Lieferung traf im Juli 1946 in Wien ein, insgesamt kamen rund eine Million Pakete zur Verteilung. (Anmerkung: Wie sonst auch muß hier zwischen von aufrichtiger Anteilnahme getragener Hilfsbereitschaft vieler US-Amerikaner und offizieller politisch-strategisch motivierter Hilfe der US-Regierung unterschieden werden.)
Sehr vertrauensbildend und förderlich war wohl auch der bis heute hochgelobte und politisch gut vermarktete „uneigennützige“ ;Marshallplan. Auf einer übergeordneten Ebene hat er sogar die (west)europäische Integration vorangetrieben, andererseits aber die Blockbildung ermöglicht. So wie er konzipiert war, konnte ihn die UdSSR nur ablehnen.
Im Rahmen des Marshallplans lag das Hauptaugenmerk auf dem Wiederaufbau der österreichischen Wirtschaft. Österreich mußte, auch im Sinne der beginnenden Blockbildung, hochgepäppelt und leistungsstark gemacht werden. Erst kamen Lebensmittel und Brennstoffe, dann Maschinen und Traktoren, und schließlich wurde Geld, u. a. für die Grundstoffindustrie, für die Energieversorgung und den Fremdenverkehr, zur Verfügung gestellt.
Gleichzeitig wurde Österreich durch Einbindung in das Europäische Wiederaufbauprogramm (ERP) sowie in die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) und in die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wirtschaftlich in das westliche System integriert. Bis 1962 stand die Verwaltung der aus Marshallplan und ERP-Mitteln entstandenen Fonds unter Kontrolle der US-Amerikaner.
Auf halbstaatlicher Ebene sorgte die Wirtschaftssektion der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft für eine Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Österreich. Bei der Gremial-Haupttagung des „Gremium der jüdischen Kaufleute, des Gewerbes und der Industrie“, (1946!) kündigte der Generalsekretär der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft“ auch die Gründung einer Österreichisch-Amerikanischen Handelskammer an. Schließlich bekundete die Gesellschaft auch Interesse an einem Beitritt Österreichs zu dem 1944 erfolgten Abkommen von Bretton Woods, das in der Folge zu Internationalem Währungsfonds und Weltbank führen sollte.
Neben der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft war es besonders dem „Österreichisch-Amerikanischen Klub“, dem Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und der Besatzungsmacht angehörten, ein Anliegen, den Meinungsaustausch zwischen Österreichern und Amerikanern anzuregen. Unter anderem wurden von diesem auch Englisch-Kurse angeboten. Eine Anglizismen-Welle wie heute gab es damals allerdings noch nicht.
„Reeducation“ – der Schlüssel zum Erfolg
Eine immer stärker werdende Aufmerksamkeit schenkten die US-Besatzer natürlich dem Kulturleben und dem Erziehungswesen, was allgemein unter dem Titel „Reeducation“ Eingang in das Bewußtsein vieler Österreicher gefunden hat. Die von langer Hand geplante Umerziehung auch der Österreicher hatte vor allem die Durchdringung des Bildungswesens mit US-amerikanischen Vorstellungen bzw. Inhalten vor Augen. Denken und Leben der Österreicher sollten ganz im Sinne des „american way of life“ und auf der Basis eines neuen prowestlich geprägten Geschichtsbildes ausgerichtet werden.
Wie in Westdeutschland ging man dabei äußerst raffiniert vor, so daß die Besiegten am Ende diese Änderung auch dort wo sie zu ihrem Nachteil ausfiel, als eine freiwillig angenommene empfanden. Wie später auch noch: die Verhöhnung tradierter Werte, die Verächtlichmachung von „typisch deutschen“ Einstellungen und Gewohnheiten, vor allem auch solche des Konsums und der Freizeitgestaltung. sofern sie den Erwartungen des „Big Business“ oder den Vorlieben experimentierfreudiger Ideologen im Wege standen.
Der selbstgewählte Anschluß, dieses Mal nicht an Deutschland, sondern an die US-amerikanische Business- und Konsum-Welt und den dafür geeigneten US-Lebensstil war also auch ein wesentliches Ziel des Umerziehungsprogramms, was mit dem Austausch der Eliten, der Rückkehr von deutschsprachigen Kulturschaffenden aus der Emigration und dem Einsatz moderner Kommunikationsmittel und Werbemethoden umso leichter voranging.
Der Übernahme US-amerikanischer Kulturmuster folgte jene Selbstverständlichkeit des Imports und Kaufs amerikanischer Produkte auf dem Fuß, so daß, z. B., von den im Jahre 2011 gezeigten Filmen in Österreich bereits 80 Prozent US-amerikanischer Herkunft waren (5). Auch heute noch dominieren im öffentlich-rechtlichen Fernsehen US-amerikanische oder diesen nahe verwandte Produktionen.
Als “Zwingburgen” des US-Kulturimperialismus fungierten nach dem Kriege an erster Stelle die „US-Information Centers“ (USIC), die später in Amerika-Häuser umbenannt wurden. Deren oberster Chef, Shepard Stone, legte Austauschprogramme auf, gründete im Auftrag der CIA über die Ford-Stiftung den Kongress für Kulturelle Freiheit (7) und trieb damit, wie in Deutschland, den Kampf um kulturelle Hegemonie auch in Österreich voran.
Den Amerika-Häusern ging es darum, den Österreichern die US-amerikanische Kultur und deren „demokratische Ideale“ nahezubringen. Dies geschah in Form von Vorträgen, Konzerten, Ausstellungen, Filmen usw.; ebenso dienten sie als Leihbibliotheken und Leseräume.
Insgesamt wurden im Rahmen der „Psychologischen Offensive“ zwölf Amerika-Häuser (6) in Österreich errichtet, davon nur mehr jenes in Wien in Betrieb ist. Insgesamt waren diese Amerika-Häuser ab 1947 auch dazu da, an der kulturellen Front den Kalten Krieg zu gewinnen. Heute wird das alles unter dem Begriff der „Cultural Diplomacy“ zusammengefasst. Die Funktion des Amerika-Hauses ist, wenn auch eingeschränkt, da Mission im Wesentlichen erfüllt, wohl die gleiche geblieben.
Bis 1955 standen der US-Besatzungsmacht im kulturellen Aufmarschgebiet noch weitere Organisationen und Instrumente zur Verfügung: Der Rundfunksender Rot-Weiß-Rot sollte die Österreicher „zu einem gut unterrichteten Volk machen“ (Gen.Maj. W.Robertson) und als Gegenpol zur sowjetisch kontrollierten Radio Verkehrs AG (RAVAG) dienen. So wurden Schriftsteller wie u. a. Ingeborg Bachmann, Milo Dor, Jörg Mauthe und Hans Weigel gefördert.
Der erstmals im August 1947 im Stil eines Boulvardblattes erscheinende Wiener Kurier war eine Gründung der US-Besatzungsmacht und diente vor allem dazu, die US-amerikanischen Propagandabotschaften zu transportieren. Sein erster Chefredakteur war der Presseoffizier Colonel Albert W. Reid, Einer seiner Nachfolger, der Emigrant Hendrik J. Burus vom „Office of War Information“, gestaltete den Kurier im US-Stil und setzte sich für die „Reeducation“ ein , wobei Berichte über den „american way of life“ diese unterstützen sollte. Aber der Kurier diente auch als Abwehrriegel gegen die Sowjetpropaganda.
Die Zeitschrift das Forum (finanziert von dem von der CIA gegründeten und beeinflußten Kongreß für kulturelle Freiheit) war ein “Kind” des 1952 aus der Emigration zurückgekehrten Schriftstellers Friedrich Torberg und richtete sich an das linksliberale intellektuelle Publikum. Torberg, dem später eine besondere Beziehung zu Kreiskys Frau nachgesagt wurde, sorgte sogar dafür, daß Brecht lange Zeit am Burgtheater nicht aufgeführt werden konnte.
Als Antwort auf das sowjetische Informationszentrum wurde schließlich 1950 im Rahmen der „Psychologischen Offensive“ das Kosmos-Theater gegründet. Dessen Direktor wurde der ehemalige Emigrant Ernst Haeussermann, der als Radio- und Filmoffizier für die „Information Services Branch (ISB) tätig war. So genannte „Highlights“ des US-amerikanischen Kulturschaffens standen dabei auf dem Programm. .
1951 wurde das „US-Information Service Theater“ gegründet, „um die Breitenwirkung des amerikanischen Theaters zu erhöhen“. Dessen Aushängeschild war ab 1953 der aus einer polnisch-jüdischen Familie stammende Marcel Prawy, der 1946 als Kulturoffizier der US-Streitkräfte nach Österreich kam und das Musical populär zu machen versuchte. Was auch einigermaßen gelang.
Bereits kurz nach Kriegsende wurde übrigens auf politisch-gesellschaftlicher Ebene mit der Gründung des Europäischen Forum Alpbach des Remigranten Otto Molden (1918-2002) – dessen Bruder mit der Tochter des OSS-Leiters und späteren CIA-Chefs Allen Welsh Dulles verheiratet war – ein Gerüchten zufolge von CIA-Quellen finanziertes international besetztes Forum für einen Dialog zu Fragen der Gesellschaft, der Wirtschaft und Politik geschaffen.
Dazu wieder ein passendes Zitat von James Petras: „Die Geschichte hat gezeigt, dass die geringsten Kosten bei der Aufrechterhaltung von langfristiger, umfassend angelegter imperialer Herrschaft („Imperial Domination“) durch die Förderung von lokalen Kollaborateuren entstehen, egal ob in der Form von politischen, wirtschaftlichen und/oder militärischen Führern, welche von den Klientel-Regimes aus operieren.“
Vor allem Dank der tatkräftigen Unterstützung ehemaliger Emigranten (ohne die die Umerziehung nicht gelungen wäre) traten der weiteren Amerikanisierung kaum Hindernisse entgegen. So konnten neben dem Fulbright-Programm auf dem Gebiet des Unterrichtswesens mit dem nach Kriegsende reaktivierten „Austro-American of Education“, das bereits vor dem Krieg österreichische Studenten an US-Hochschulen vermittelte, sowie der Patenschaft US-amerikanischer Schulen über Wiener Schulen, bedeutende Schritte in Richtung eines US-amerikanisch orientierten bzw. beeinflußten Kultur- und Geistesleben gesetzt werden.
1951 trat neben dem Forum Alpbach auf europapolitischer Ebene – als Ableger der Jahre zuvor auf westeuropäischer Ebene von US-Geheimdiensten mit Geldern aus Ford- und Rockefeller-Stiftungen gegründeten Europäischen Föderalistischen Bewegung (EFB) - die Europäische Föderalistische Bewegung Österreich in Erscheinung, in der sich heute dessen Präsident, der ehemalige freiheitliche bzw. liberale Politiker Friedhelm Frischenschlager, stark macht.
Doch außenpolitisch tat sich in demselben Jahr einiges anderes:: Seit der Moskauer Konferenz von 1943, wo es um den Einfluß im Nachkriegseuropa ging, war Österreichs künftige Rolle bereits ein Gesprächsthema. Mit Beginn der fünfziger Jahre alsokristallisierten sich dann schon konkreter auf Seiten der Alliierten aus verschiedenen Quellen gespeiste weitergehende Überlegungen zu einem Staatsvertrag (8) mit Österreich heraus. Über dessen Zustandekommen bildeten sich verschiedene Mythen und Legenden. Dem damaligen, angeblich weinseligen österreichischen Außenminister Leopold Figl wird dabei eine maßgebliche Rolle angedichtet. Tatsächlich wurden die entscheidenden Schritte anderswo gesetzt.
Für Frederik W. Marks (9), Biograph von US-Außenminister Dulles, waren die Amerikaner entscheidende Akteure dabei. Dulles soll mit seiner Verzögerungstaktik bei den Verhandlungen und seiner angeblichen Drohung, abzureisen, wenn die Sowjets stur bei ihren Forderungen blieben, den Durchbruch erzielt haben. Moskau wollte eigentlich Deutschland ebenfalls neutral sehen, was den auf Europa-Dominanz ausgerichteten USA sicher nicht munden konnte.
Gewiß hat das beharrliche Eintreten österreichischer Politiker für einen Staatsvertrag nicht unwesentlich zu dessen Abschluß beigetragen. Österreichs Neutralität änderte aber nichts Grundsätzliches an der Ausrichtung der, sagen wir US-Kolonialpolitik, die den Anschluß des „befreiten“ Österreichs an den Westen, sprich: US-amerikanisch dominierte westliche Welt, bei gleichzeitiger Verschmelzung mit einer transnationalen Konsum- und Marketingkultur, zum Ziele hatte. Dies ist, nicht überraschenderweise, bestens gelungen.
Auf dieser Basis konnte daran gegangen werden, unter dem Schirm einer von den USA ausgehenden und geförderten Globalisierung, den Einfluß auf das österreichische Geschehen auch die Jahre nach dem Kalten Krieg unter anderen Vorzeichen zwar, aber weiter im Sinne allumfassender US-Interessen wahrzunehmen. Und so konnte eben nach dem Ende der Blockspaltung die gewünschte marktwirtschaftliche und konsumgesellschaftliche Uniformität in vielen Bereichen der österreichischen Gesellschaft erreicht werden. Ökonomisch und gesellschaftlich sollte Österreich ja später, wenn auch etwas behutsamer als die Bundesrepublik Deutschland, über die europäische Integration mit dem politökonomischen System der USA zusammengeführt werden. Wozu ein europäischer Bundesstaat bestens geeignet scheint.
Daß die Supermacht USA dabei die Zügel des ihren Vorstellungen entsprechenden Ordnungsmodells nicht aus der Hand gleiten ließen, war zu erwarten, dennoch konnte Österreich innerhalb desselben gelegentlich einen eigenen kleinen Gestaltungsspielraum, etwa unter Kreisky, wahrnehmen.
Doch immer wieder werden Österreichs Grenzen aufgezeigt
Letztlich aber wurden dem kleinen Land immer wieder auch die Grenzen seiner „Souveränität“ aufgezeigt. Sei es im Fall Waldheim, wo zu Tage kam, wer in den USA wirklich das Sagen hat, oder während der schwarz-blauen Regierung. Sei es, daß Österreich im Irak-Krieg US-Flugzeugen seinen Hoheitsraum öffnen oder der österreichische Verfassungsschutz, laut „Corriere della sera,“ bei von der CIA geplanten Entführungen von Muslimen kooperieren mußte, Sei es, daß bei Problemen in Restitutionsfragen im Zweifelsfall US-Bürger obsiegen sollten.
Der Druck aus Washington war und ist evident, der umso stärker ist, sobald Israel mit von der Partie ist. So etwa, wenn es um den Iran geht und Österreich dabei betroffen ist. In das US- Visier kam deshalb vor Jahren der damalige Chef des österreichischen Inlandsnachrichtendienstes BVT, Gert Polli, dem, laut News, vom deutschen Nachrichtendienst BND unterstellt wurde, Informationsmaterial an Teheran weitergegeben zu haben.
Polli dazu: “Ich gehe mit Recht davon aus, dass es sich um eine Retourkutsche für meine Amtsführung in Österreich handelt. Es ist ja allgemein bekannt, dass ich viele amerikanische Operationen aufgrund der österreichischen Rechtslage negativ bescheinigt habe. In einem Rechtsstaat ist so etwas selbstverständlich.”
Hinter den Angriffen auf seine Person steckten, laut Polli, “ohne Zweifel die amerikanischen Sicherheitsbehörden”. Auch die Terrorgefahr würde manchmal nur als Alibi für derartige Operationen dienen. Inzwischen wohl nicht nur manches Mal.
Derselbe Ex-Geheimdienstler Polli nun erst kürzlich wieder in einem österreichischen Medium zum aktuellen NSA-Skandal: „Das Datensammeln der NSA ist nur eine Serviceleistung für die US-Geheimdienste. Und die reduzieren sich schon lange nicht mehr auf die CIA oder andere Sicherheitsbehörden.“ Dazu gehörten auch Sicherheitsfirmen und harmlos erscheinende NGOs.
Zur Gesamtstrategie gehöre auch ein gewaltiges Spitzelnetz von US-Konzernmitarbeitern., die Wahrnehmungen über mögliche Verstöße an Meldestellen zu berichten hätten. Auf den Plan gerufene NSA-Agenten hätten dann die Aufgabe, Personen in persönliche und berufliche Abhängigkeit zu bringen. Das beginne etwa mit dem Aufbau von persönlichen Freundschaften. Wer nicht kooperiert, werde diskreditiert und fertig gemacht. Das schließe Rufmord und sogar Erpressung ein, wird Polli zitiert.
Laut dem ehemaligen Präsidenten des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), Ernst Urlau, sei ersichtlich, daß US-Dienste in Österreich “Begehrlichkeiten” hätten, die “sehr nah an die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit und manchmal auch darüber hinaus” gingen. Nichts Neues unter der Sonne also.
Washington glaubt sieben Jahrzehnte nach dem auch von ihm betriebenen Krieg im neutralen Österreich so schalten und walten zu können wie sie es traditionell in der Bundesrepublik Deutschland hinter den Kulissen und davor zu tun beliebt. Die BRD eine quasi US-Firma getarnt als Bundesrepublik, die, nach angeblichen Worten von Präsident Obama vor US-Soldaten in der US-Militärbasis Ramstein, „besetzt sei und so bleiben werde“?
Tu felix Austria? Irrtum, dazu braucht es in einem so kleinen Land keine Militärbasen, Konzernzentralen und ein freundlicher Botschafter genügen, und notfalls ist Ramstein einen Katzensprung entfernt.
(1) Grubers proamerikanische Einstellung war ein Hindernis für einen Staatsvertragsabschluß mit der Sowjetunion. Grubers Memoiren “Zwischen Befreiung und Freiheit. Der Sonderfall Österreich” im Ullstein-Verlag und die darin erneut thematisierten Figl-Fischerei (wie die Gespräche von 1947 bezeichnet wurden) brachten ihn zum Sturz.
Gruber trat als Außenminister zurück und wurde am 19. Jänner 1954 zum Botschafter in Amerika ernannt. Die russische Presse nahm den Rücktritt Grubers als Außenminister mit Genugtuung auf.
(2)„Die Österreichisch-Amerikanische Gesellschaft“, Nr.5/1946
(3) Siehe auch: Stefan Scheil: Transatlantische Wechselwirkungen. Der Elitenwechsel in Deutschland nach 1945: Dunker & Humboldt 2012 (4)Cooperative for American Remittances to Europe“ (CARE), gegründet 27.11.
(5) Rentrak-Marktstatistik 2011
(6) In Salzburg, Linz, Wien, Steyr, Wels, Zell/See, Innsbruck, Hallein, Graz und Ried (OÖ)
(7) Congress for Cultural Freedom (CCF) mit Hauptsitz in Paris (1950-1969). Die vom Kongress für kulturelle Freiheit über Zeitschriften favorisierte Kunstrichtung war abstrakte Kunst, die als informelle Kunst bzw. als Abstrakter Expressionismus bezeichnet wurde. In den 1960er Jahren bestand eine wichtige Kampagne des Kongresses in einer Entideologisierung, die insbesondere auf Journalisten und Medienschaffende abzielte. Ziel im Kalten Krieg war, hochrangige europäische Künstler und Schriftsteller in ihrem Sinne zu beeinflussen, in prowestlichen Haltungen zu bestärken und gegen das kommunistische Lager zu positionieren.
(8) Der Österreichische Staatsvertrag, im Langtitel Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, gegeben zu Wien am 15. Mai 1955, juristisch kurz Staatsvertrag von Wien, wurde am 15. Mai 1955 in Wien im Schloss Belvedere von Vertretern der alliierten Besatzungsmächte USA, Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien sowie der österreichischen Bundesregierung unterzeichnet und trat am 27. Juli 1955 offiziell in Kraft.[1]
Gegenstand des Vertrages war die Wiederherstellung der souveränen und demokratischenRepublikÖsterreich nach der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich (1938–1945), dem Ende des Zweiten Weltkrieges (V-E-Day) und der darauf folgenden Besatzungszeit (1945–1955), in der Österreich zwar formal wiederhergestellt, aber nicht eigenständig souverän war. Der Staatsvertrag gilt auch als Kernindikationsfaktor für die Entwicklung eines eigenständigen Österreichbewusstseins
(9) Frederik Marks: „Power and Peace – Die Diplomatie von J.F. Dulles“, Westport, 1993