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dimanche, 29 novembre 2009

Kapitalistische Amokfahrt

capitalistes.jpgKapitalistische Amokfahrt

Claus WOLFSCHLAG - Ex: http://www.sezession.de/

Die neue schwarz-gelbe Bundesregierung scheint nur noch ein Allheilmittel gegen den Zusammenbruch der Staatsfinanzen und des sozialen Sicherungssystems zu kennen: „Wachstum“. Er sei die beste Antwort auf die Belastung der Haushalte und Sozialversicherungen. Nicht anders dachte und argumentierte die schwarz-rote Regierung.

Wie an einen Strohhalm klammern sie sich alle an die Hoffnung, dass bald die Konjunktur anspringe und dann alles wieder so werde wie zuvor in 60 Jahren Bundesrepublik. Man muß kein Wirtschaftsexperte sein, um skeptisch zu sein. Ökonomen haben vorgerechnet, dass das anvisierte Wachstum für einige Jahre stramme chinesische Raten von 7 Prozent betragen müßte, um überhaupt einen nennenswert schuldentilgenden Effekt erreichen zu können. Die gegenwärtige Politik grenzt angesichts solcher Zahlen an Illusionismus und ist eine Amokfahrt. Und von analytischen Köpfen wie dem Neomarxisten Robert Kurz wird denn auch die gegenwärtige Ruhe als Scheinerholung charakterisiert. Die Krise sei keine konjunkturelle, sondern eine strukturelle des Kapitalismus.

Zu den Schattenseiten unseres Wirtschaftssystems gehört die Okkupation des Denkens, etwa wenn die Lebensqualität mit der Anhäufung materieller Güter gleichgesetzt wird. Der Vermehrung materiellen Reichtums steht nämlich eine erschreckende Verarmung auf anderen Feldern gegenüber. Die Schattenseiten sind dem System strukturimmanent. Der durch die Zinsvergabe in Gang gesetzte Zwang zum Wachstum zwingt innerhalb der Betriebe zu ständigen Innovationen und Rationalisierungen. Das heißt:

- es muß immer mehr produziert und erwirtschaftet werden, um die Investitionskosten und bedrohlichen Zinsen abzubezahlen und zugleich einen eigenen Ertrag erwirtschaften zu können. Dadurch wachsen aber auch die Müllberge;
- es muß immer mehr Altes vernichtet werden, um für vermarktbares Neues Platz zu schaffen. Das kann man beispielsweise bei den Flächenabrissen chinesischer Altstädte sehen, die durch riesige Trabantenstädte ersetzt werden. Grundbesitzer, Architekten, Politiker und Bauspekulanten reichen sich die Hände;
- es müssen stets Arbeitnehmer wegrationalisiert werden, um die Produktionskosten zu verringern. Dadurch wächst aber auch das Heer derjenigen, die sich nicht mehr selbständig ernähren können.
- Das Neue ist die heilige Kuh. Neue Produkte schaffen den Wachstum, den der Kapitalismus braucht. Das Bedürfnis für dieses Neue mußn bei den möglichen Kunden erst geweckt werden. Die Werbeindustrie produziert Images von Waren, über deren Konsum man scheinbar „Anerkennung“ oder „Liebe“ erhalten würde, und verstopft mit Filmclips, Pop-Ups, Flugzetteln oder Großplakaten Augen und Ohren der Menschen.

Der Kapitalismus ist also wie ein immer heißer laufender Motor, den man nicht abstellen kann. Und dieser Motor verschlingt auch alles, was in den Jahrhunderten vor ihm an Tradition gewachsen ist, da nunmehr nur noch Preis und Ertrag zählen. Menschen werden über Kontinente verschoben, weil sie billiges Arbeitsmaterial darstellen (das wird dann werbetechnisch als „multikulturelle Bereicherung“ verkauft). Alte Baukunst wird durch moderne Standardware ersetzt.

Das war übrigens ja die Ursache des Siegeszuges der Bauhaus-Moderne. Sie war kostengünstig herstellbar, normierbar, global einsetzbar. Fernsehsender liefern der Jugend den letzten Schund, wenn dies nur den nötigen Profit verspricht. Der Motor dieser kapitalistischen Wirtschaft ist, bei aller materieller Erfolgsgeschichte, ein gewaltiges kulturelles Zerstörungswerk.

Alles ist diesem Wahn nach Wachstum, der Gier nach dem „Immer mehr“ unterworfen. Gleichwohl, alles hat ein Ende. Auch wenn der Kapitalismus suggeriert hat, er sei der ewige Endzustand der Geschichte, unterliegt auch er Verfallsprozessen. Und diese liegen gerade in der Überhitzung seiner Kredit- und Wachstumsspiralen.

Die Hoffnung auf Rettung durch die Impulse der neuen IT-Technologie seit den 1980er Jahren war trügerisch, da diese Innovation – anders als die Automobilbranche – erstmalig mehr Arbeitsplätze zum verschwinden brachte, als neue schaffte. Eine weitere, die Konjunktur nachhaltige belebende technische Innovation ist nicht in Sicht. Die Wirtschaftskrise wird also nicht mehr verschwinden, sondern uns fortan dauerhaft begleiten.

Wird der Kapitalismus überleben wollen, wird ihm langfristig wohl nur die Option bleiben, neuen Konsumbedarf zu schaffen. Die Konsumkraft der für den Warenverkehr geöffneten „zweiten“ und „dritten Welt“ wird kaum ausreichen, um dieses Dilemma zu verbessern. Der hiesige Staat wird sich zudem durch die Zerstörung der Sparvermögen seiner Mittelschichten zu entschulden versuchen, also mittels Inflation und eventueller Währungsreform.

Die Wirtschaft wird ohne die Zerstörung von Gütern also kaum wirklich starke Konsumanreize schaffen können. Dies aber würde in letzter Konsequenz heißen, daß wieder eine Situation geschaffen werden muß, die jener von 1945 nicht unähnlich wäre. Das heute noch unvorstellbare Bild eines Krieges, einschließlich massiver Zerstörungen, begleitet das schale Szenario jenes sich erneuernden Kapitalismus, der wie ein Phönix aus der Asche wieder auferstehen zu hofft. So könnten selbst asymetrische Bürgerkriegsszenarien von denjenigen, die heute von offenen Grenzen und gesteigerter Einwanderung billiger Arbeits- und Konsummigranten profitieren, mit Gelassenheit betrachtet werden, da sie später selbst daran noch zu verdienen hoffen.

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