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lundi, 17 janvier 2011

Agrarfreihandel führt zu mehr Hunger und Ausbeutung in der Welt

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Agrarfreihandel führt zu mehr Hunger und Ausbeutung in der Welt

Ex: http://www.zeit-fragen.ch/

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise und den verheerenden Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und auf die darin lebenden Menschen tritt immer wieder die Spekulation mit Nahrungsmitteln und Agrarrohstoffen in den Fokus des weltweit vernetzten Finanzmolochs. Da die Derivatgeschäfte an den Finanzmärkten Hochrisikogeschäfte sind, haben sich in den letzten Jahren die Fondsmanager und Berufsspekulanten vermehrt auf die Nahrungsmittelbranche gestürzt, um ihre zweifelhaften Gewinne in einen neuen Sektor zu investieren, eine neue Blase zu bilden und erneut Milliardengewinne einzustreichen. Dies hat zu enormen Preissteigerungen von Getreide und anderen Agrarprodukten geführt, die besonders ärmere Länder in schwere Krisen gestürzt haben. Auf Grund dieser Entwicklung hat der Uno-Menschenrechtsrat bereits im Juni 2008, noch vor dem Zusammenbruch der Lehman Brothers, eine Sondersitzung einberufen, um auf diese dramatischen Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen und eine Resolution zu verabschieden, die dem Menschenrecht auf Nahrung verstärkte Beachtung schenkt und die Staatengemeinschaft verpflichtet, alles daran zu setzen, dass die Ärmsten der Armen nicht unter der Habgier und der damit verbundenen Spekulationswut der «Satten» zu leiden haben.

thk. Neben der unsäglichen Spekulation mit Agrarprodukten hat sich für kleine Länder und Entwicklungsländer der Freihandel à la WTO als besonders heimtückisch herausgestellt, da ausschliesslich die Industrienationen mit grossflächigem Agrarland einen Vorteil besitzen und so zu Preisen produzieren können, die vor allem die noch schwachen Märkte der Entwicklungsländer sowie deren einheimische Landwirtschaft zerstören. Somit werden vornehmlich Entwicklungsländer weiterhin in der Abhängigkeit von den reichen Nationen gehalten. Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre, legt in seinem publizierten Vortrag «Globalisierung und Landwirtschaft – Mehr Wohlstand durch weniger Freihandel» wissenschaftlich einleuchtend und nachvollziehbar dar, dass der Freihandel in der Landwirtschaft zur Verarmung besonders der ländlichen Bevölkerung sowie zu einem Verschwinden von bäuerlichen Betrieben führen muss. Die lange im Vokabular der Globalisierer geführte These vom «Wohlstand für alle durch freie Märkte» wird damit endgültig ad absurdum geführt (vgl. Kasten).

Landraub verstärkt Spekulation

Als neue Bedrohung für die Ernährungssicherheit ganzer Staaten kommt der in den letzten Jahren immer stärker grassierende Kauf von fruchtbarstem Landwirtschaftsland in Afrika, Asien und Europa hinzu (vgl. Leitartikel auf Seite 1), unter anderem auch von Erdöl exportierenden oder produzierenden Ländern, die gleichzeitig Agrarrohstoffe für Biodiesel anbauen wollen, um sich diesen Markt ebenfalls zu sichern, auf Kosten der oft schlecht ernährten oder gar hungernden Bevölkerung in diesen Ländern. Während der von der Uno (FAO) in Auftrag gegebene Weltagrarbericht (IAASTD) auf Grund seriöser wissenschaftlicher Studien schon vor zwei Jahren zu dem eindeutigen Schluss kam, dass die kleinräumige, lokal oder regional verankerte Landwirtschaft am besten dazu geeignet ist, die Bevölkerung des jeweiligen Landes mit genügend Nahrungsmitteln zu versorgen, finden sich immer wieder die grossen Apostel des Agrarfreihandels, die nach wie vor die «heilenden Kräfte des freien Marktes» zum besten geben. Dabei ignorieren sie bewusst, dass die Organisationsform des Familienbetriebs oder der genossenschaftliche Zusammenschluss, wie er auch in der Schweiz traditionell immer betrieben wurde und heute noch betrieben wird, am besten dafür geeignet ist.

Lokal verankerte, kleinräumige Landwirtschaft löst Hungerkrisen

«Das Konzept, in durchrationalisierten Monokulturen riesige Mengen weltweit gehandelter Agrarrohstoffe aus wenigen standardisierten Hochleistungspflanzen zu gewinnen und dann in immer aufwendigeren und komplexeren industriellen Verarbeitungsgängen zu der scheinbaren Vielfalt zu verarbeiten, die wir aus unseren Supermärkten kennen, hat wesentlich zu den modernen Formen der Über- und Fehl­ernährung beigetragen. Es erfordert gewaltige Mengen an Pestiziden und Kunstdünger und verbraucht mittlerweile rund 70 Prozent unserer gesamten Süsswasserentnahme. Ausgelaugte versalzene Böden, Entwaldung, die Vergiftung ganzer Wasserläufe und natürlicher Nahrungsketten und ein Artensterben unbekannten Ausmasses sind der ökologische Preis des Fortschritts. Trotz Überproduktion ist das industrielle Modell globalisierter Landwirtschaft unfähig, die Grundbedürfnisse von Milliarden von Menschen nach ausreichender und ausgewogener Ernährung zu befriedigen. Statt dessen erlaubt es, besonders in Lateinamerika und in Teilen Asiens und Afrikas, eine florierende industrielle Produktion sogenannter cash-crops, die an der unversorgten Bevölkerung vorbei auf dem Weltmarkt verkauft werden.» Soweit der Kommentar der deutschsprachigen Broschüre zum Weltagrarbericht «Wege aus der Hungerkrise – Die Erkenntnisse des Welt­agrarberichtes und seine Vorschläge für eine Landwirtschaft von morgen». Dieser von über 400 Wissenschaftlern ausgearbeitete Bericht kommt denn auch auf folgenden Ausweg aus dieser Krise: «Diversifizierte, kleinbäuerliche Höfe stellen den Löwenanteil der weltweiten Landwirtschaft. Auch wenn die Produktivitätszuwächse in speziellen Grossbetrieben mit hohem Input schneller erreicht werden können, liegt der grösste Spielraum in der Verbesserung von Existenzgrundlagen und von Gerechtigkeit in den kleinteiligen und vielfältigen Produktionssystemen der Entwicklungsländer. Dieser kleinbäuerliche Sektor ist dynamisch und reagiert schnell auf veränderte sozioökonomische Rahmenbedingungen, denen er sein Produktangebot, besonders auch die Steigerung der Produktion, bei gesteigerter Nachfrage anpasst.»1

Setzt die Linke noch immer auf Hochkapitalismus?

Trotz dieser Erkenntnis und den verheerenden Entwicklungen auf den Agrarmärkten parallel zu der Finanzkrise, deren Ausmass vor allem deswegen niemand absehen kann, weil Milliarden von neu geschöpftem Geld im Umlauf sind, scheint offensichtlich eine Mehrheit der Linken immer noch am neoliberalen Projekt des Agrarfreihandels festhalten zu wollen. Die unsinnige Argumentation, dass der Freihandel im Agrarwesen gerade den Unterprivilegierten zugute käme, stösst bei der betroffenen Bevölkerung schon lange auf Widerstand, und in letzter Zeit macht sich auch bei politischen Vertretern zunehmend Skepsis breit und sie wird im seriösen wissenschaftlichen Diskurs immer häufiger in Frage gestellt.
Als der Nationalrat in der Wintersession über die parlamentarische Initiative von Nationalrat Joder abstimmen musste, waren es lediglich zwei Nationalräte der SPS, die für die Initiative gestimmt hatten und somit dem Agrarfreihandelsabkommen mit der EU den Garaus machen wollten – das erklärte Ziel dieser Initiative. Dass der Nationalrat diese am Schluss angenommen hat, ist der Weit- und Einsicht vieler Parlamentarier und nicht zuletzt auch den Bemühungen der bäuerlichen Verbände zu verdanken.

Wo bleiben die Gewerkschaften?

Dass unsere Gewerkschaften sich letzte Woche zu Wort gemeldet haben und bei Schweizer Arbeitnehmern in den Jahren 2000 bis 2008 auf Grund steigender Lebenshaltungskosten, vor allem im Bereich Energie und Gesundheit, einen Einkommensverlust von 1400 Franken feststellten und dies anprangerten, gehört eigentlich zu ihrem Kerngeschäft. Aber dass die Gewerkschaften noch nie ein Wort darüber verloren haben, dass die Bauern seit Jahren einen jährlichen Einkommensverlust in dieser Grössenordnung verzeichnen, gehört wahrscheinlich ins gleiche Kapitel wie die Unterstützung der Linken für einen Agrarfreihandel mit der EU. Alles, was nach Internationalismus riecht, wird unterstützt.

Bauernverband für mehr Ernährungssicherheit

Noch haarsträubender war in einem Teil unserer Medien die Argumentation bezüglich Dioxin-verseuchter Lebensmittel in der EU. Dass ein Agrarfreihandelsabkommen zu einer besseren Information der Schweiz über den Dioxin-Skandal hätte führen müssen, entbehrt jedwelcher Grundlage. Erst nach Tagen kommt das ganze Ausmass des Skandals ans Tageslicht, und man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass die EU-Behörden völlig ahnungslos sind und das Ganze eher verharmlost haben, als dass sie über das wirkliche Ausmass Bescheid wissen. So kommen jeden Tag neue Ungeheurlichkeiten ans Tageslicht.
Bis heute gibt es, der Unabhängigkeit sei Dank, keine Hinweise, dass verseuchte Produkte in die Schweiz gelangt seien. Bei einem Agrarfreihandel mit der EU hätten wir die Produkte im Land ohne jede Kontrolle an der Grenze. Das sind die rosigen Aussichten eines solchen Freihandelsabkommens mit der EU, unter dem die EU-Bürger ebenfalls leiden.
Am 4. Januar hat sich der Schweizerische Bauernverband an seiner Neujahrs-Pressekonferenz dezidiert und fundiert zu der gesamten Problematik der Landwirtschaft, des Agrarfreihandels mit der EU und der Ernährungssicherheit geäussert. Dabei kamen verschiedene kritische Punkte zur Sprache, die ein Agrarfreihandel mit sich bringen würde, und dass gerade in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit nichts Unsinnigeres getan werden könnte, als die Nahrungsmittelversorgung im eigenen Land vermehrt vom Ausland abhängig zu machen. Im folgenden druckt Zeit-Fragen, die wichtigen Stellungnahmen der Pressekonferenz ab.    •

1    Global Report of International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (IAASTD), Agriculture at a Crossroad.

«Zusammenfassend kann man sagen: Freihandel bei landwirtschaftlichen Produkten führt zu vielen Verlierern und wenigen Gewinnern. Verlierer sind die meisten Bauern, sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern, während sich einige Grossbauern und ein paar internationale Konzerne zu den Gewinnern zählen dürfen. In den ärmsten Entwicklungsländern machen die sich auf der Verliererseite befindenden Kleinbauern zudem die Mehrheit der Bevölkerung aus. Aus diesem Grund sind gerade diese Länder am stärksten von den negativen Folgen des Freihandels betroffen, obwohl sie gemäss der Theorie am meisten profitieren sollten.
Die wohlstandsmindernden Auswirkungen des Freihandels bei Agrargütern lassen sich aber erst erkennen, wenn man den Handel nicht ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt der Theorie der komparativen Vorteile betrachtet. Diese kann nämlich wesentliche Aspekte des Handels mit Agrargütern nicht erfassen und prophezeit deshalb Wohlstandsgewinne, die sich in der Realität in Verluste verwandeln.»

Quelle: Binswanger, Mathias. Globalisierung und Landwirtschaft. Mehr Wohlstand durch weniger Freihandel. ISBN 9-783854-525837, S. 52 f.

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