Ok

En poursuivant votre navigation sur ce site, vous acceptez l'utilisation de cookies. Ces derniers assurent le bon fonctionnement de nos services. En savoir plus.

vendredi, 13 février 2015

Unterwerfung als Option

MICHEL HOUELLEBECQ Unterwerfung.jpg

Unterwerfung als Option

von Felix Menzel

Ex: http://www.blauenarzisse.de

2001 sagte der Bestsellerautor Michel Houellebecq: „Die dümmste Religion ist doch der Islam.“ Ist sein Mitte Januar auf Deutsch erschienener Roman „Unterwerfung“ folglich ein Anti-​Islam-​Pamphlet?

Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, das ist er nicht. Vielmehr überrascht der Franzose Houellebecq mit einem recht positiven Bild des Islam. Im Gegensatz zur atheistischen, toleranten und weltoffenen Gesellschaft bewundern viele Figuren in Unterwerfung diesen Glauben für seine religiöse Stärke. Er habe die Fähigkeit, der Gesellschaft eine klare, einfach zu verstehende Ordnung zu geben.

Warum „Unterwerfung“ Islam-​Hasser enttäuschen wird

Insofern hat Houellebecq seine Meinung zum Islam überhaupt nicht geändert: Gerade das „Dumme“, das Antiliberale und tendenziell Totalitäre machen diese Religion so attraktiv. Das ist auch der Grund, warum es vielen Muslimen schwer fällt, sich von religiösen Fanatikern zu distanzieren. Denn das Vereinfachende gehört zu den Grundprinzipien des Islam.

Houllebecqs Buch erschien auch in Frankreich genau zum richtigen Zeitpunkt: Anfang des Jahres griffen Islamisten die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo an und brachten 17 Menschen um. Damit trugen sie den Terror endgültig nach Europa. Und es war sofort klar, daß Unterwerfung zum ersten großen Buchereignis des Jahres 2015 werden mußte. Sowohl in Deutschland als auch Frankreich stand das Buch umgehend auf dem ersten Platz der Amazon-​Bestsellerliste. Es spielt dabei keine Rolle, daß dieser Roman definitiv nicht sein bester ist. Houellebecq hat nach Die Möglichkeit einer Inselseinen Zenit überschritten. Und er weiß das auch.

Relativ am Anfang des Romans läßt Houellebecq seine Hauptfigur, den Literaturwissenschaftler François, referieren, wie der Schriftsteller Joris-​Karl Huysmans mit dem Verfall seiner eigenen Leistungsfähigkeit umgegangen ist. Er habe einfach einen enttäuschenden Roman über eine Enttäuschung geschrieben und so doch noch einen „ästhetischen Sieg“ davon getragen. Da nun Houellebecq schon immer über Enttäuschungen geschrieben hat, entfiel für ihn diese Strategie.

Politische Literatur: Fast immer schlecht

Er hat aber eine andere Lösung für dieses Dilemma gefunden und einfach einen politischen Roman geschrieben. In dem wird ein Szenario beschrieben, das sich nah an der Realität bewegt. Mit Michael Klonovsky könnte man nun einwenden: „Wenn Literatur politisch wird, ist sie fast immer schlecht.“ Das stimmt auch. Betrachtet man einzig die literarische Qualität, ist Unterwerfung im Vergleich zu den früheren Romanen von Houellebecq wirklich schlecht.

Aber was hätte Houellebecq, der seinen eigenen Verfall als Person regelrecht inszeniert, denn tun sollen? Nichts mehr schreiben? Nein, natürlich nicht! Er hat – wieder einmal – alles richtig gemacht. Frankreich, Deutschland und Europa haben einen Roman wie Unterwerfung gebraucht, um über die eigene Dekadenz und das mögliche Ende des modern-​aufklärerischen Zeitalters debattieren zu können.

Islamisierung, die Houellebecq in seinem Roman skizziert, läuft dabei anders ab, als sich dies die üblichen Islam-​Hasser so denken. Nach einem Bürgerkrieg zwischen Islamisten auf der einen Seite sowie Rechtsradikalen und Identitärenauf der anderen gelangt der charismatische Muslimbruder Mohammed Ben Abbes an die Macht. Denn alle etablierten Parteien wollen verhindern, daß der Front National in Zukunft das Sagen hat. Abbes ist ein Visionär, der das Gravitationszentrum Europas nach Süden verschieben will. Er strebt eine eine Mittelmeer-​Union mit arabischen Staaten an. Sein Vorbild ist dabei das Römische Reich.

Ein Islamisch-​Römisches Reich: Alptraum oder Zukunftsvision?

Innenpolitisch gelingt es ihm, eine neue soziale Solidarität durch die Kraft des Religiösen zu stiften. Das fällt Abbes deshalb so leicht, weil vor seiner Herrschaft die offene Gesellschaft daran gearbeitet hatte, die Familie als Kernstruktur jeder Gemeinschaftsbildung zu zersetzen. Wenn man so will, macht Houellebecq also darauf aufmerksam, daß die Vorstellungen der Muslime und der Rechten zur Bewahrung traditioneller Werte und Gemeinschaftsstrukturen sehr ähnlich sind – mit dem feinen Unterschied freilich, daß der Islam die Polygamie erlaubt.

Die Rechten – so könnte man seinen Gedankengang weiterspinnen – haben jedoch das Problem, daß von den christlichen Institutionen kein Impuls zur bewahrenden Erneuerung ausgehen wird. Das europäische Christentum könnte von der aufklärerischen Moderne dermaßen vergiftet worden sein, daß es unfähig ist, der Unterwerfung durch den Islam überhaupt etwas entgegensetzen zu wollen.

Ohne Religion überleben wir nicht

Wie geht es also weiter? Der Roman gibt keine klare Prognose ab. Im Gespräch mit der ZEITsagt Houellebecq, ein Happy-​End habe es nicht geben können. Denn sein Verlag hätte ihm keine Recherchereise nach Israel ermöglicht. Und ansonsten? „Eine Gesellschaft ohne Religion ist nicht überlebensfähig. Der Laizismus, der Rationalismus und die Aufklärung, deren Grundprinzip die Abkehr vom Glauben ist, haben keine Zukunft“, betont Houellebecq. Er könne sich vorstellen, in einem moderaten islamischen Staat zu leben.

Ist das nur Provokation? Vielleicht. Vielleicht bereitet uns Houellebecq aber auch nur darauf vor, daß es mit dem Christentum sowieso nichts mehr wird. Auch das ist die zentrale, bittere Botschaft von Unterwerfung.

Michel Houellebecq: Unterwerfung. Roman. Köln: Dumont 2015. Hardcover. 280 Seiten. 22,99 Euro.

Anm. d. Red.: Hier geht es zu unserem nach Michel Houellebecq benannten Jugendkulturpreis. Es gab fast 300 Einsendungen junger Nachwuchskünstler.

Les commentaires sont fermés.