mercredi, 19 mars 2014
Russland und die Krim
Russland und die Krim
von Gereon Breuer
Ex: http://www.blauenarzisse.de
Kriegsspiele. Was haben Merkel und Steinmeier gemeinsam? Ihnen fehlt jede Vorstellung des strategischen Werts der Geopolitik für außenpolitisches Handeln. Das Ergebnis: Außenpolitischer Dilettantismus.
Ohnehin genießt die Geopolitik in Deutschland seit dem Ende des II. Weltkriegs einen eher schlechten Ruf. Dieser ist vor allem auf der Missinterpretation politischer Intellektueller gegründet, dass die Wahrnehmung eigener Interessen per se als „böse“ gelte. Das zeigt nun auch wieder die „Krim-Krise“. Schon allein von einer Krise zu sprechen offenbart die schlichte Natur dessen, der sich bemüßigt fühlt, die Wahrnehmung von Interessen mit einer Krise zu assoziieren. Denn Russland unternimmt auf der Krim, bei der es sich noch dazu um eine autonome Republik handelt, nichts anderes, als in Zeiten unsicherer politischer Verhältnisse in der Ukraine die eigene Einflusssphäre zu wahren. Das heißt konkret: Den Stützpunkt der Schwarzmeerflotte und damit die maritime Herrschaft über das Schwarze Meer zu sichern.
In geostrategischer Hinsicht ist das ein sehr kluges und umsichtiges Verhalten. Dass die EU – und vor allem Deutschland – Russland deshalb nun mit Sanktionen drohen, zeigt, dass die bürokratischen Führer in Berlin und Brüssel nicht verstanden haben: „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen.“ Dieses unter anderen dem britischen Premierminister Ewald Gladstone zugeschriebene Diktum lässt ahnen, dass Außenpolitik vor allem egoistisch funktioniert oder eben nicht. Wladimir Putin scheint das verstanden zu haben und in seinem Handeln äußert sich, was Halford Mackinder (1861−1947) in seiner „Heartland-Theory“ beziehungsweise „Herzland-Theorie“ niederlegte: „Wer Osteuropa beherrscht, kommandiert das Herzland, wer das Herzland beherrscht, kommandiert die Weltinsel, wer die Weltinsel beherrscht, kontrolliert die Welt.“
Bedeutung der „Herzland-Theorie“
Der britische Geograph und Geopolitiker verstand unter der Weltinsel Eurasien und den afrikanischen Kontinent. Das Herzland sah er in Sibirien und im europäischen Russland konstituiert. Er ging davon aus, dass unter anderem die Rohstoffreserven der Weltinsel es ermöglichen würden, von dort aus alle anderen Länder zu beherrschen, also solcher in kontinentaler Randlage und langfristig auch den amerikanischen Kontinent, Japan und Australien. Für Mackinder ist damit die Beherrschung des Kernlandes Eurasien der Schlüssel zur Weltmacht. In Deutschland fand seine Theorie so gut wie keine Rezeption und sein 1904 erschienenes Werk Democratic Ideals and Reality, in dem auch der für die Herzland-Theorie grundlegende Aufsatz The Geographical Pivot of History erschien, hat bis heute keine deutsche Übersetzung erfahren.
In den USA beispielsweise war die Rezeption eine völlig andere. Dort werden Mackinders Ausführungen bis auf den heutigen Tag sehr ernst genommen. Mackinder selbst ging sogar so weit zu behaupten, dass nur durch den I. Weltkrieg verhindert werden konnte, dass Deutschland sich die Herrschaft über Herzland und Weltinsel sicherte. Dass die USA das um jeden Preis verhindern wollten, ist hinlänglich bekannt. Unter anderen stehen heute Zbigniew Brzezinski oder Henry Kissinger als prominente Vertreter der politischen Kreise, die das außenpolitische Handeln der USA im Wesentlichen an Mackinders Herzland-Theorie ausrichten – theoretisch und auch in praktischer Hinsicht. Ein Blick auf die Weltkarte zeigt auch ohne umfassende geographische Kenntnisse, dass Russland heute immer noch einen wesentlichen Teil des Herzlandes abdeckt. Am Rande des Herzlandes befindet sich auch die Krim. Ihr geostrategischer Wert für Russland ist daher offensichtlich.
Böse geopolitische Realität
Während nun in Moskau und Washington bezüglich den aktuellen politischen Entwicklungen in der Ukraine Geopolitik betrieben wird, beschränken sich die EU-Bürokraten auf die Ankündigung von Sanktionen. Unter anderem soll ein Drei-Stufen-Plan im Gespräch sein, den die EU durchführen möchte, sofern Russland seine Truppen nicht von der Krim abzieht. Auf eine solche Idee würden Staatsmänner nie kommen. Das ist Sache von Bürokraten, denen die Realität nur aus Erzählungen bekannt ist. Vielleicht sollten die Schreibtischtäter in Brüssel stattdessen mal über einen Drei-Stufen-Plan der EU nachdenken, sofern die USA ihre Truppen nicht aus Deutschland zurückziehen. Aber nein, das wäre dann doch wieder zu viel Geopolitik. Und die ist ja böse.
Bild 2: Mackinders Herzland (Pivot Area), Abbildung in seinem 1904 erschienenen Text The Geographical Pivot of History
00:05 Publié dans Actualité, Affaires européennes, Géopolitique | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : russie, crimée, ukraine, europe, affaires européennes, politique internationale, géopolitique, eurasisme, halford john mackinder, géopolitique britannique, terre du milieu, théorie géopolitique | | del.icio.us | | Digg | Facebook