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jeudi, 17 janvier 2013

Islamkritik – Leitideen und Einwände

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Islamkritik – Leitideen und Einwände

Karlheinz Weißmann

Ex: http://www.sezession.de/

(Der Text ist in Teilen ein Auszug aus der Studie Ist der Islam unser Feind? [3], die im Institut für Staatspolitik erarbeitet wurde.)

Vor einigen Jahren machte in Rußland der Roman Moschee der Notre-Dame von Paris Furore. Die Autorin, Jelena Tschudina, schildert in dieser Dystopie das Europa des Jahres 2048: von der Dynastie der Wahhabiten beherrscht, die den letzten Papst zur Abdankung gezwungen und die Scharia eingeführt haben.

Die Überlieferung des Abendlandes ist zu diesem Zeitpunkt längst zerstört, seine Kunstwerke vom moslemischen Mob geschändet, seine Musik verboten, der Vatikan in eine Müllkippe verwandelt. Die neuen Herren haben die Ureinwohner auf den Status von Fellachen herabgedrückt und nehmen sich deren Töchter als Nebenfrauen. Natürlich können die technologischen Standards nicht gehalten werden, lediglich die Türken sorgen für das Funktionieren eines Restes an Infrastruktur, obwohl die übrige Welt »Eurabia« isoliert hat. Die letzten Christen werden in Ghettos zusammengedrängt, gelegentlich wird der eine oder andere herausgezerrt und zwangsweise bekehrt. Vor dem Triumphbogen in Paris steinigen die Gläubigen Ungläubige, die noch Meßwein versteckt halten, und Notre-Dame ist, wie die Hagia Sophia von Konstantinopel, in eine Moschee umgewandelt.

Den Christen bleibt nur noch ein Rückhalt. Jenseits des »grünen Vorhangs«, in Rußland, ist ein starker – auf Nation und Glauben fußender – Staat entstanden. Von hier kommt auch Hilfe für den christlichen Untergrund im Westen, lefebvristische Partisanen, die gegen die Besatzer aus dem Orient den bewaffneten Kampf aufgenommen haben. Mit russischer Hilfe besetzen sie noch einmal die ehrwürdige Notre Dame, zelebrieren die alte Messe in lateinischer Sprache und sprengen sich dann mit dem geschändeten Heiligtum in die Luft.

Der Roman von Jelena Tschudina ist offenbar in keine westliche Sprache übersetzt worden, aber als die ersten Berichte darüber kursierten, gab es auf praktisch jeder islamkritischen Seite Hinweise und Kommentare. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Hier wird genau jene Schreckensvision ausgemalt, die jeden umtreibt, der den Islam als Feind betrachtet. Zugegeben: Das ist vereinfacht gesprochen, denn die Islamkritiker bilden keine homogene Größe, auch wenn die Gegenseite immer wieder meint, summarisch von »Antiislamismus«, »antimuslimischem Rassismus« oder »Islamophobie« sprechen zu können. Tatsächlich sind die Motive von Christen, Juden, Konservativen, Liberalen, enttäuschten Linken, Völkischen und Identitären durchaus verschieden. Andererseits wird man zugeben müssen, daß sich in ihren Büchern, Aufsätzen und Netzforen bestimmte Argumentationsfiguren finden, mit denen man sich auseinandersetzen muß, wenn man einschätzen will, ob ihre Feindbestimmung tragfähig ist oder nicht.

Im wesentlichen handelt es sich um fünf Leitideen, die regelmäßig wiederkehren:

1. Das Problem ist der Islam

Während die offizielle Linie gewöhnlich darauf hinausläuft, die Konflikte mit der islamischen Welt auf andere Ursachen – soziale Verwerfung, Entfremdung, Rassismus, Unterentwicklung – zurückzuführen und das Selbstverständnis der Moslems als Opfer zu akzeptieren, beharren Islamkritiker darauf, daß der Islam selbst die Ursache der Probleme und Täter sei. Noch gemäßigt argumentiert Ralph Giordano, wenn er feststellt: »… der politische und militante Islam ist nicht integrierbar, aber auch der ›allgemeine‹ jenseits davon ist…problematisch genug.« Häufiger wird darauf hingewiesen, daß der Islam prinzipiell gleichbedeutend sei mit Unterdrückung und Gewalttätigkeit, daß seine Theorie wie seine Praxis dafür immer neue Beweise lieferten, daß in den islamisch geprägten Staaten nirgends Rechtsregeln wie in den westlichen gelten würden und daß die Aufnahme moslemischer Zuwanderer in Europa daran scheitere, daß sie unfähig seien, von den zentralen Vorgaben ihrer Religion loszukommen. Viele Islamkritiker beschränken sich darauf, dem Islam ein Entwicklungsdefizit vorzuwerfen, das im Prinzip aufholbar sei, wenn er die Anpassungsbemühungen verstärke und sich konsequenter am Westen ausrichtete. Geert Wilders steht aber auch nicht allein, wenn er – in seinem Film Fitna – den Koran mit Hitlers Mein Kampf vergleicht oder man auf dieser Seite vom »Islamofaschismus« spricht.

EINWAND: Ohne Zweifel wird hier ein entscheidender Sachverhalt richtig gesehen und der Neigung, die Probleme aus der Welt zu schaffen, indem man sie umdeutet oder verschleiert, entgegengewirkt. Aber es gibt unter Islamkritikern eine überstarke Neigung, den Islam von seinen normativen Vorgaben her zu interpretieren.

Aber auch hier besteht wie sonst auf der Welt eine Diskrepanz zwischen Vorschrift und Alltagsrealität. Faktisch waren die Vorgaben des Koran oder der islamischen Rechtsregeln nur in bestimmten Epochen in dem Maße und der Totalität bestimmend, die hier als üblicher Fall postuliert werden. Außerdem müßte klarer differenziert werden zwischen der Auffassung, daß der Islam korrigierbar sei, wenn er sich modernisiere und säkularisiere wie das Christentum, und der anderen, daß er das aus prinzipiellen Gründen gar nicht könne. Zwar klingt immer wieder das Motiv des anderen »Kulturkreises« – also einer verhältnismäßig geschlossenen Einheit – an, aber letztlich neigt die Mehrzahl der Islamkritiker doch dem naiven westlichen Entwicklungsdogma zu, demgemäß alle Gesellschaften sich am Muster des Geschichtsverlaufs orientieren (müssen), den England, Frankreich oder die USA genommen haben.

2. Es besteht kein Unterschied zwischen Islam und Islamismus

Üblicherweise wird der Islamismus als eine Variante oder Fehlform des »eigentlichen« Islam verstanden. Diese saubere Trennung von »guten« Moslems und »bösen« Fundamentalisten wird von vielen Islamkritikern als durchsichtiges Bemühen verstanden, eine besorgte Bevölkerung zu beruhigen, die – zu Recht – fürchtet, daß nicht nur islamische Kriegsherren in fernen Weltgegenden eine Bedrohung darstellen, sondern auch ihr arabischer/libanesischer/schwarzafrikanischer/türkischer Nachbar »Schläfer« einer Terrorzelle sein könnte, die Anschläge in unmittelbarer Nähe plant. Diese Besorgnis wird von Islamkritikern grundsätzlich geteilt, die außerdem darauf hinweisen, daß sich äußerlich gut integrierte Moslems oder Konvertiten, die eigentlich im Lande selbst »zu Hause« sind, immer wieder als anfällig für eine Indoktrination erwiesen haben. Deren Erfolg kann man nur erklären, wenn man davon ausgeht, daß Islamisten im Prinzip nichts anderes tun, als den Islam selbst ernst zu nehmen. Eine wichtige Rolle spielt auch bei Bestreiten dieses Zusammenhangs der Verweis auf taqiyya , das Recht eines Moslems, Ungläubige zu täuschen.

EINWAND: Selbst eine ihrem Gegenstand so kritisch gegenüberstehende Islamwissenschaftlerin wie Christine Schirrmacher beharrt darauf, den Islamismus als eine in erster Linie politische, nicht religiöse, Konzeption zu definieren. Er sei eine »totalitäre Ideologie« mit einem im Kern »utopischen Weltbild« und reagiere auf die Unterdrückung, die Armut und die Not in den Gebieten des Nahen Ostens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Angebot eines »ganzheitlichen Islam«, der als Alternative zu europäischer Modernität, Demokratie und Menschenrechten verstanden wurde. Das Potential entsprechender Bewegungen unter Moslems in Europa sieht Schirrmacher durchaus als erheblich an; es müsse auf etwa zehn Prozent der Heranwachsenden taxiert werden. Schirrmacher geht auch auf die Argumentation der Islamkritiker ein, die die Meinung vertreten, daß der Islamismus im Grunde nur praktiziere, was schon der Ur-Islam wollte: die Einheit von Religion und Politik, die Gemeinschaft der Gläubigen in weltlicher und geistlicher Hinsicht unter dem Gesetz der Scharia. Sie weist aber darauf hin, daß die Mehrzahl der Moslems, man könnte hinzufügen: und die Mehrzahl der real existierenden Staatswesen, in denen Moslems lebten und leben, von diesem Konzept weit entfernt sind. Das Spektrum der religiösen Ernsthaftigkeit ist im Islam kleiner als im Judentum und Christentum, aber doch so groß, daß es von einer Auffassung, die die Tradition als unbedingt verbindlich ansieht, bis zu einer Art Kulturislam reicht, der sich kaum an die »Fünf Säulen« hält.

3. Es gibt eine Kontinuität der islamischen Aggression

Im Frühjahr 2007 veröffentlichte Bernard Lewis einen aufsehenerregenden Essay unter dem Titel »Die dritte Angriffswelle auf Europa rollt« (Bernard Lewis: Der Untergang des Morgenlandes. Warum die islamische Welt ihre Vormacht verlor, Bergisch Gladbach 2002). Gemeint war damit die dritte Angriffswelle der islamischen Expansion, nach der ersten, die von den Arabern, zuerst unter Führung Mohammeds, dann der Kalifen, ausging, und der zweiten, die von den Türken getragen wurde. Die dritte Welle, so Lewis, unterscheide sich von der ersten und zweiten insofern, als sie nicht in Gestalt militärischer Eroberung vor sich gehe, sondern mittels Terror und Einwanderung. Beide Faktoren spielten objektiv zusammen, ohne daß damit behauptet werde, daß jeder Einwanderer ein potentieller Terrorist sei. Als harmlos könne man den Prozeß trotzdem nicht einstufen, und für die Europäer stelle sich die entscheidende Frage: »Ist die dritte Welle erfolgreich? Das ist gar nicht ausgeschlossen. Muslimische Einwanderer haben einige klare Vorteile. Sie haben Glut und Überzeugung, die in den meisten westlichen Ländern entweder schwach sind oder ganz fehlen. Sie sind überzeugt von der Gerechtigkeit ihrer Sache, während wir viel Zeit damit verbringen, uns selbst zu erniedrigen. Sie verfügen über Loyalität und Disziplin, und – was vielleicht am wichtigsten ist – sie haben die Demographie auf ihrer Seite. Die Kombination von natürlicher Vermehrung und Einwanderung, die enorme Umschichtungen in der Bevölkerungsstruktur hervorbringt, könnte in absehbarer Zukunft zu signifikanten Bevölkerungsmehrheiten in wenigstens einigen europäischen Städten, vielleicht sogar Ländern führen.«

EINWAND: Es ist ohne Zweifel so, daß Moslems die Einwanderung von Moslems in Europa als Teil einer Islamisierung oder als Variante des dschihad verstehen können, aber dabei ist nicht aus dem Blick zu verlieren, daß die Migration kein Teil einer islamischen Strategie war. Wer als Arbeiter oder als Flüchtling in den Westen ging, tat das aus einer individuellen Motivation, kaum je mit dem Ziel, die umma auszuweiten. Daher ist auch immer nur ein Teil der Eingewanderten für radikale islamische Vorstellungen ansprechbar, während sich ein anderer mehr oder weniger stark assimiliert hat und ein dritter in Parallelgesellschaften lebt. Die Islamisierung Europas erweist sich insofern als Nebeneffekt eines Bevölkerungsaustauschs, nicht als Ergebnis einer langfristigen Konzeption. Es soll damit gar nicht bestritten werden, welches Gefahrenpotential in diesem Vorgang liegt, auch nicht, daß vom türkischen Staatsislam bis zu dschihadistischen Gruppen alle möglichen Organisationen sich die Schwäche des liberalen Systems zunutze machen oder daß manches Kind gut assimilierter Einwanderer längst zum inneren Gegner dieses Systems geworden ist, aber die Annahme, es gäbe dahinter so etwas wie einen Masterplan, geht an den Realitäten vorbei.

4. Der Islam bildet eine Einheit

Die Annahme eines besonderen islamischen Gefahrenpotentials bezieht ihre Plausibilität selbstverständlich auch aus der Vorstellung, daß der Islam als Einheit agiere. Soweit diese Annahme nicht auf Ignoranz beruht, spielt vor allem die Geopolitik eine Rolle für entsprechende Argumente. Schon Mitte der 1990er Jahre schrieb der französische Politikwissenschaftler Alexandre del Valle: »Es ist nicht übertrieben oder irreal, die islamischen Gemeinschaften in Europa als exterritorialen Vorposten zivilisatorischer und potentiell politisch-juridischer Art zu betrachten, der mit einem außerhalb liegenden islamischen Block verbunden ist«. Sogar Yves Lacoste, der Herausgeber der einflußreichen geopolitischen Zeitschrift Hérodote, teilt diese Auffassung. Lacoste verweist vor allem darauf, daß es für das Terrornetzwerk von Al Kaida möglich war, ein Zusammenspiel zwischen Kommandostellen im Nahen und Fernen Osten und Vorstößen in den westlichen Metropolen zu organisieren und dabei auf die Loyalität ganz verschiedener islamischer Richtungen zu rechnen. Aus der Sicht der Geopolitik erscheinen selbstverständlich auch die Hypothesen Samuel Huntingtons in bezug auf den »Kampf der Kulturen« besonders plausibel (Samuel Huntington: The Clash of Civilizations – Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München/Wien 1996).

EINWAND: Grundsätzlich ist Vorsicht gegenüber der Suggestionskraft der Geopolitik geboten, die mit ihrer Fixierung auf den Raum oft die Zwangsläufigkeit von Prozessen behauptet, die dann die Kontingenz des Historischen zuschanden macht. Unbestreitbar ist jedenfalls, daß die drei Hauptträger der islamischen Renaissance –zuerst die Iraner, dann die Araber, zuletzt die Türken – unterschiedliche Generallinien verfolgen und in einem, gelegentlich zu militärischen Konflikten führenden Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Außerdem wird hier wieder ein Argument der islamischen/islamistischen Seite umgekehrt, die »den Westen« oder »Juden und Christen« oder »Kreuzritter und Zionisten« als feindliche, homogene Größe postuliert, um unter Verweis darauf den Zusammenschluß aller Moslems zu fordern. Ein Konzept, das aus agitatorischen Gründen naheliegen mag, aber zur Analyse der eigentlichen Gefahrenmomente wenig beiträgt. Tatsächlich ist der Islam seit den Tagen der ersten Kalifen kein Ganzes mehr gewesen, er besitzt keine Kirchenstruktur und keinen Klerus, und es gibt permanent massive Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen islamischen Konfessionen und Fraktionen, was im Grunde ganz der historischen Regel entspricht, daß nur ausnahmsweise eine klare Trennung zwischen Islam und Nicht-Islam existiert.

5. Das Ziel des Islam ist die Islamisierung Europas beziehungsweise der Welt

Wahrscheinlich würde die Mehrzahl der in Deutschland lebenden Moslems die Forderung nach Errichtung einer »Islamischen Republik« ablehnen, aber es bleibt dabei, daß 72 Prozent der hier lebenden Menschen türkischer Abstammung den Islam als einzig wahre Religion betrachten, daß unter den jüngeren die Zahl derjenigen wächst, die sich für religiös oder streng religiös halten, daß 63 Prozent die Koranverteilung durch die Salafisten befürworten und daß sich fast die Hälfte – 46 Prozent – wünscht, zukünftig in einem mehrheitlich von Moslems bewohnten Deutschland zu leben. Bei den Anschlägen vom 11. September gab es unter Moslems – auch wohlangepaßten, auch verwestlichten – mehr als nur »klammheimliche« Freude. Für die Islamkritik sind das alles Indizien dafür, daß eine Islamisierung von ungeahntem Ausmaß bevorsteht, die teilweise auf friedlichem, teilweise auf kriegerischem Weg vonstatten geht, oder noch knapper: »Der Islam will die Welteroberung« (Egon Flaig).

EINWAND: Wenn Sarrazin erklärt, er wünsche nicht, daß das Land seiner »Enkel und Urenkel zu großen Teilen muslimisch ist, daß dort über weite Strecken türkisch und arabisch gesprochen wird, die Frauen ein Kopftuch tragen und der Tagesrhythmus vom Ruf der Muezzine bestimmt wird«, pflichten dem wohl nicht nur Islamkritiker bei. Allerdings stellt sich die Frage, ob man diese Perspektive als realistisch ansehen sollte. Ohne Zweifel wächst die Zahl der Moslems in den Ballungszentren nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas teilweise dramatisch. Aber die meisten Prognosen gehen davon aus, daß dieser Prozeß in absehbarer Zeit zum Stillstand kommt und dann auf einem mehr oder weniger hohen Niveau stagniert, daß aber der Bevölkerungsanteil der Moslems in Europa auch im Jahr 2030 lediglich acht Prozent (anstelle der heutigen sechs Prozent), in Deutschland 8,6 Prozent (anstelle der heutigen sechs Prozent) betragen wird. Das hängt wesentlich mit der fallenden Geburtenrate in moslemischen Familien zusammen. Allerdings bleibt es dabei, daß in einigen Ländern – wie Großbritannien, Frankreich oder Schweden – die moslemische Gruppe deutlich stärker wachsen wird. Daß es keinen Grund zur Entspannung gibt, hat aber vor allem damit zu tun, daß man die Altersstruktur in den Blick nehmen muß. Es gibt eine starke Fraktion junger, vor allem junger männlicher Moslems, den sogenannten youth bulge, ausgestattet mit einer »Hyperidentität« (Christopher Caldwell); es gibt die regionale Konzentration, vor allem in den Metropolen; es gibt die Möglichkeit weiterer massiver Zuwanderung – etwa infolge der Assoziierungsabkommen der Europäischen Union und der nordafrikanischen Länder; und es gibt überhaupt das Problem der Bildung ethnischer Brückenköpfe (Christopher Caldwell: Reflections on the Revolution in Europe, London 2010).

Wenn man eine Bilanz in bezug auf die Analysen der Leitideen der Islamkritik formuliert, fällt das Ergebnis zwiespältig aus. Es ist sicher so, daß hier von einigen Personen und Gruppen unter Inkaufnahme erheblicher Schwierigkeiten, wenn nicht der Gefährdung von Leib und Leben, ein Problem angesprochen wird, das angesprochen werden muß. Es ist außerdem so, daß nicht sie, sondern die politisch-mediale Klasse, die Helferindustrie des Multikulturalismus, die Moslemflüsterer, professionellen Beschwichtiger und Appeaser den Ton angeben und alles tun, um die Öffentlichkeit unter das Diktat des »Zusammen leben« zu stellen. Aber das alles genügt doch nicht, um von den Schwächen eines Konzepts abzusehen, das im Grunde unpolitisch ist, weil es seine Feinderklärung gegen eine Größe richtet, die als solche gar nicht existiert: der Islam. Feind kann aber nur sein, wer, mit Carl Schmitt, als eine »der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen« auftritt (Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen, Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin 1979). Und das ist nicht der Fall. Insofern bindet die Islamkritik, soweit sie das und nichts anderes ist, fatalerweise Kräfte, die an anderer Stelle eingesetzt werden müßten: zur Bekämpfung des weißen Masochismus und eines Establishments, das sich seiner bedient; vor allem aber zur Stärkung der nationalen und europäischen Identität.


Article printed from Sezession im Netz: http://www.sezession.de

URL to article: http://www.sezession.de/35642/islamkritik-leitideen-und-einwande.html

mercredi, 16 janvier 2013

Kritik der Kritik der Islamkritik

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Kritik der Kritik der Islamkritik

By Manfred Kleine-Hartlage

Ex: http://www.sezession.de/

In Sezession Nr. 51 [1] sind zwei Artikel zur Islamkritik erschienen. Auf Karlheinz Weißmanns Islamkritik – Leitideen und Einwände [2] erfolgt hier eine Antwort, deren notwendige Ausführlichkeit den Rahmen der Druckausgabe sprengen würde. Ich veröffentliche sie deshalb hier im Blog:

Karlheinz Weißmann geht es um die Frage, ob „der Islam unser Feind“ sei, und er faßt nachvollziehbarerweise unter dem Titel „Islamkritiker“ alle Kräfte zusammen, die diese Frage bejahen. Ungeachtet der von ihm durchaus gesehenen Heterogenität der islamkritischen Szene identifiziert er fünf

bestimmte Argumentationsfiguren …, mit denen man sich auseinandersetzen muß, wenn man einschätzen will, ob ihre Feindbestimmung tragfähig ist oder nicht

und unterzieht diese Argumentationsfiguren einer nuancierten Kritik, aufgrund deren er zu dem Ergebnis gelangt, die Islamkritik sei ein Konzept,

das im Grunde unpolitisch ist, weil es eine Feinderklärung abgibt, die sich gegen eine Größe richtet, die als solche gar nicht existiert: der Islam.

Um es vorwegzunehmen: Diese Kritik überzeugt mich nicht, weil sie auf einer Fehleinschätzung sowohl des Islam selbst als auch der Islamkritik beruht. Aber der Reihe nach:

Die erste von Weißmann genannte islamkritische These lautet:

1. Das Problem ist der Islam

Weißmann referiert zutreffend, daß Islamkritiker bereits im Islam selbst – nicht erst im Islamismus und schon gar nicht in externen Faktoren wie Armut, Rassismus, Unterentwicklung und dergleichen – die tiefste Ursache für Unterdrückung und Gewalt in der islamischen Welt wie auch für die Anpassungsunfähigkeit vieler muslimischer Migranten in Europa sehen, und ergänzt:

Viele Islamkritiker beschränken sich darauf, dem Islam ein Entwicklungsdefizit vorzuwerfen, das im Prinzip aufholbar sei, wenn er die Anpassungsbemühungen verstärke und sich konsequenter am Westen ausrichtete. Geert Wilders steht aber auch nicht allein, wenn er … den Koran mit Hitlers Mein Kampf vergleicht …

Die Position, wonach der Islam sich zu einem liberalen „Euro-Islam“ weiterentwickeln müsse – gewissermaßen zu einer islamischen Variante des Käßmannchristentums – gibt es zwar, aber wenn man deren Protagonisten, etwa den aus Syrien stammenden Politologen Bassam Tibi, der islamkritischen Szene zurechnen wollte, müsste man deren Grenzen schon sehr weitläufig ziehen – jedenfalls weiter, als Weißmann selbst sie zieht: Die Verfechter eines „Euro-Islam“ sind sicherlich Islamismuskritiker, würden aber die These vehement zurückweisen, „der“ Islam sei unser Feind.

Deshalb hängt auch Weißmanns Mahnung an die Adresse der Islamkritik in der Luft, es müsse

klarer differenziert werden zwischen der Auffassung, daß der Islam korrigierbar sei, wenn er sich modernisiere und säkularisiere wie das Christentum, und der anderen, daß er das aus prinzipiellen Gründen gar nicht könne.

Tatsächlich ist diese letztere Auffassung in der islamkritischen Szene Konsens; deswegen stimmt es auch nicht, wenn Weißmann schreibt, letztlich neige

die Mehrzahl der Islamkritiker doch dem naiven westlichen Entwicklungsdogma zu, demgemäß alle Gesellschaften sich am Muster des Geschichtsverlaufs orientieren (müssen), den England, Frankreich oder die USA genommen haben.

Richtig ist, daß die starke liberale Strömung innerhalb der Islamkritik den Islam seiner Unvereinbarkeit mit westlich-liberalen Wertmustern wegen ablehnt und dazu neigt, diese Werte für das schlechthin „Gute“ zu halten. Imperialistische Implikationen können sich mit einer solchen Position durchaus verbinden, geschichtsdeterministische aber nicht.

Die Vorstellung eines linear verlaufenden Geschichtsprozesses, der mindestens eine Reformation beinhalten müsse, um von dort aus zu Aufklärung und Liberalismus vorzustoßen, ist aus islamkritischer Sicht bereits deshalb nicht haltbar, weil es Reformationen in der islamischen Welt durchaus schon gegeben hat, nur mit völlig anderen Ergebnissen als in Europa:

„Der Islam wurde … bereits in Medina sowohl theoretisch (im Koran) als auch in der Praxis zu einem sozialen Normensystem mit deutlichen juristischen und politischen Akzenten, ja zu einer Gesellschaftsideologie ausgebaut.

In diesem Sachverhalt liegt der Grund dafür, dass islamische Erneuerungsbewegungen regelmäßig andere Akzente setzen als christliche. Zwar geht in beiden Religionen Erneuerung, Re-form, Re-formation mit dem Versuch einher, einen als korrupt erlebten jeweils gegenwärtigen Zustand durch Rückbesinnung auf einen als ideal gedachten Anfang zu überwinden. Führt dieser Versuch im Christentum zur Betonung der sprichwörtlichen „Freiheit eines Christenmenschen“, … so kann ein Muslim, der im Propheten und seiner medinensischen Gemeinde das Ideal sieht, gar nicht umhin, den Islam in dessen Eigenschaft als soziales Normensystem … zu stärken und zu erneuern. Der in Saudi-Arabien herrschende Wahhabismus, der vielen westlichen Beobachtern als Inbegriff eines rückständigen, traditionalistischen Islam gilt, versteht sich selbst, und dies durchaus begründet, als eine Reformbewegung!“ (M.K.-H., Das Dschihadsystem. Wie der Islam funktioniert. Resch-Verlag Gräfelfing 2010, S.145 f.) [3]

Weißmanns zentraler Kritikpunkt an der These, der Islam selbst sei das Problem, ist allerdings ein anderer, nämlich daß es

unter Islamkritikern eine überstarke Neigung [gebe], den Islam von seinen normativen Vorgaben her zu interpretieren. Aber auch hier besteht wie sonst auf der Welt eine Diskrepanz zwischen Vorschrift und Alltagsrealität. Faktisch waren die Vorgaben des Koran oder der islamischen Rechtsregeln nur in bestimmten Epochen in dem Maße und der Totalität bestimmend, die hier als üblicher Fall postuliert werden.

Also vier Thesen:

1. Islamkritiker interpretierten den Islam von seinen normativen Vorgaben her.
2. Deshalb unterstellten sie eine rigide und totale Durchsetzung der Scharia als Normalfall in islamischen Gesellschaften.
3. Diese Unterstellung sei falsch, da sie der tatsächlich vorhandenen Vielfalt islamischer Staats-, Gesellschafts- und Lebensmodelle widerspreche und zudem ahistorisch die Unterschiede zwischen verschiedenen Epochen zugunsten eines statischen und fiktiven Modell-Islam vernachlässige und damit faktenwidrig Norm und Realität gleichsetze.
4. Da diese Konsequenzen falsch seien, sei die Prämisse widerlegt und die von Islamkritikern bevorzugte Interpretation des Islam von seinen normativen Vorgaben her „überstark“.

Ad 1: In der Tat ist der Ausgangspunkt islamkritischer Analysen regelmäßig die Beobachtung, daß das empirische Verhalten muslimischer Gemeinschaften (Völkern, Staaten, Parallelgesellschaften, Organisationen) in hohem Maße mit dem Normen- und Wertesystem korrespondiert, das im Koran verankert, vom Propheten exemplarisch vorgelebt, von der islamischen Rechtstradition zu einem ausgeklügelten System verdichtet und in dieser Form für Muslime sozial verbindlich gemacht wurde – und daß es in dem Maße, wie es damit korrespondiert, den Erwartungen zuwiderläuft, die wir vom Standpunkt eines europäischen – christlich bzw. liberal geprägten – Wertesystems an Muslime richten.

Diese Beobachtung ist schlicht und einfach zutreffend, und sie wird nicht dadurch widerlegt, daß ja nicht alle Muslime sich in gleicher Weise und im gleichen Maße an diesen Normen orientieren. Dieser beliebte Einwand ist deswegen irrelevant, weil die erkenntnisleitende Fragestellung nicht lautet, ob die Muslime unsere Feinde, sondern ob der Islam unser Feind sei. Dieser Gesichtspunkt wird weiter unten noch vertieft werden.

Zur Erklärung dieser weitgehenden Übereinstimmung von Verhaltensnorm und tatsächlichem Verhalten können prinzipiell zwei Modelle dienen: Das eine, das ich hiermit etwas respektlos das naive nennen möchte, lautet, daß Muslime sozusagen Allahs Marionetten seien, weil sie an die islamische Lehre glaubten; woraus die Forderung resultiert, ihnen diesen Glauben auszutreiben.

Das andere Erklärungsmodell, das von weiten Teilen der islamkritischen Szene mindestens implizit geteilt wird, habe ich so umschrieben:

„Niemand, der mit der Materie vertraut ist, und schon gar kein Muslim, wird abstreiten, dass der Islam ein System ist, dass für alle Bereiche des privaten und gesellschaftlichen Lebens gleichermaßen verbindlich ist. (…)

Daraus ergibt sich freilich, dass die Rolle der Religion im Gesamtgefüge islamischer Gesellschaften eine andere ist als im Westen … . Der Islam setzt den Menschen nicht nur in Beziehung zum Jenseits und definiert, was Gut und Böse ist – das tun andere Religionen auch –, er definiert auch, was im legalen Sinne Recht und Unrecht, im politischen Sinne legitim und illegitim, im empirischen Sinne wahr und unwahr ist.

Indem der Islam die von ihm dominierten Gesellschaften in dieser Breite und Tiefe durchdringt, prägt er notwendig auch das System der kulturellen Selbstverständlichkeiten, d.h. die Vor-Annahmen über Wahrheit, Gerechtigkeit, Moral, Ethik, Logik, Gewalt, Geschichte und Gesellschaft – also jene Prämissen, die im Sozialisierungsprozess verinnerlicht werden und dem eigentlich politischen Denken vorausgehen. Diese Vorannahmen verdichten sich zu einer in islamischen Gesellschaften sozial erwünschten Mentalität.“
(Dschihad-System, S. 283)

Dieses Erklärungsmodell schiebt der Illusion einer „Re-education“ von Muslimen, gleich ob gutmenschlich durch „Dialog“ oder islamkritisch durch autoritären Oktroi durchgesetzt, einen Riegel vor. Es führt zu der Forderung, die Bildung bzw. Ausweitung islamischer Parallelgesellschaften durch eine geeignete Einwanderungspolitik – oder vielmehr Aussperrungspolitik – zu verhindern.

Ad 2: Beide Modelle führen allerdings – wenn auch auf theoretisch etwas unterschiedlichen Wegen – zu dem Befund, daß die Freiheit von Nichtmuslimen, den Forderungen der Scharia zuwiderzuhandeln, in dem Maße schrumpft, wie das islamische Normensystem an gesellschaftlicher Durchsetzungsmacht gewinnt, und daß ein für uns unerträgliches Maß an Unterdrückung und Gewalt nicht erst dann erreicht wird, wenn die Scharia formal etabliert und in „Totalität“ durchgesetzt wird, sondern bereits dann, wenn Muslime auf der Alltagsebene ihre Spielregeln diktieren, die von eben diesem Normen- und Wertesystem geprägt sind.

Ad 3: Die beobachtbaren Unterschiede zwischen verschiedenen muslimischen Gesellschaften unterschiedlicher Länder und Epochen spielen unter diesem Gesichtspunkt keine Rolle, weil die Islamkritik eben nicht von der Frage ausgeht, ob jegliche Islamisierung zugleich eine Talibanisierung sei, sondern ob der Islam unser Feind ist, und was sein Vordringen für uns bedeutet. Für uns wäre aber bereits eine verdünnte Scharia unerträglich, und zwar auch dann, wenn sie nicht vom Staat, sondern von einer muslimisch dominierten Gesellschaft durchgesetzt würde.

Ad 4: Die „Neigung [von Islamkritikern], den Islam von seinen normativen Vorgaben her zu interpretieren“, ist daher alles andere als „überstark“: Der Zusammenhang von Norm und Verhalten wird nicht nur als solcher richtig gesehen, sondern auch hinsichtlich seiner Konsequenzen korrekt eingeschätzt.

Die zweite Argumentationsfigur, die Weißmann aufs Korn nimmt, lautet:

2. Es besteht kein Unterschied zwischen Islam und Islamismus

Er präzisiert diese These – die in dieser Grobschlächtigkeit in der Tat von kaum jemandem vertreten wird – dahingehend, daß Islamkritiker auf die starke Anfälligkeit selbst äußerlich gut integrierter Muslime für islamistische Indoktrination bis hin zur Gewaltbereitschaft hinweisen. Er fährt fort,

Deren Erfolg kann man [nach Meinung der Islamkritiker] nur erklären, wenn man davon ausgeht, daß Islamisten im Prinzip nichts anderes tun, als den Islam selbst ernst zu nehmen.

und wendet dagegen ein:

Selbst eine ihrem Gegenstand so kritisch gegenüber stehende Islamwissenschaftlerin wie Christine Schirrmacher beharrt darauf, den Islamismus als eine in erster Linie politische, nicht religiöse, Konzeption zu definieren.

Wenn das Wort „kritisch“ in diesem Zusammenhang nur bedeuten soll, daß Christine Schirrmacher zur offiziösen Schönfärberei Distanz hält, bin ich einverstanden. Freilich wird damit nur etwas umschrieben, was sich für Wissenschaftler von selbst verstehen sollte; eine Gewähr für die Richtigkeit ihrer Thesen oder auch nur für die Fruchtbarkeit und Erkenntnisträchtigkeit ihres Begriffssystems liegt darin noch lange nicht. Tatsächlich folgt Weißmann Schirrmacher in eine begriffliche Falle, nämlich die unreflektierte Anwendung westlicher Begriffssysteme auf nichtwestliche Gesellschaften:

„Die Schwierigkeiten, den Islam auf den soziologischen Begriff zu bringen, haben weniger mit der Vielschichtigkeit des zu beschreibenden Phänomens, also des Islam zu tun, als vielmehr mit der Unzulänglichkeit der ihn beschreibenden Begriffe. Wir sind es gewöhnt, ‚Religion‘, ‚Politik‘, ‚Kultur‘ und ‚Recht‘ als Bezeichnungen voneinander getrennter und gegeneinander autonomer Lebensbereiche aufzufassen. Diese Begriffe sind aber nicht in einem historischen und gesellschaftlichen Vakuum entstanden, und ob sie universell anwendbar sind, ist durchaus fraglich.

Sie sind dazu entwickelt worden, eine ganz bestimmte Gesellschaft zu beschreiben – unsere eigene, funktional differenzierte westliche Gesellschaft –, weswegen sie deren Angehörigen, also uns, auch ohne weiteres einleuchten. Es gibt aber a priori keinen Grund zu der Annahme, dass dieses Begriffsystem zwangsläufig ebenso gute Dienste bei der Analyse nichtwestlicher Gesellschaften leisten müsse; es gibt sogar erstklassige Argumente dagegen:

Die Unterscheidung von Religion und Politik etwa, die uns so selbstverständlich erscheint, dass wir nicht mehr darüber nachdenken, spiegelt sich beim Reden über den Islam in dem antithetischen Gebrauch der Begriffe ‚Islam‘ und ‚Islamismus‘: das eine eine Religion, das andere etwas (nach unserem Verständnis) vollkommen anderes, nämlich eine politische Ideologie, die den Islam bloß ‚missbraucht‘, und zwar als Arsenal, aus dem sie sich mit Propagandaslogans versorgt. Dass der Islamismus zum Islam in derselben Weise gehören könnte wie der Rüssel zu besagtem Elefanten, ist für viele Menschen buchstäblich un-denkbar, weil es in ihrem Begriffssystem nicht vorgesehen ist.

(…)

Kein erstzunehmender Islamexperte (und noch weniger die Muslime selbst) würde bestreiten, dass der Islam sich selbst als umfassende Lebensordnung versteht – also nicht etwa als Religion, wie wir sie uns vorstellen, die man auch im stillen Kämmerlein praktizieren könnte, deren Befolgung Privatsache wäre, und die sich vor allem auf die Gottesbeziehung des Einzelnen auswirkt. Der Islam durchdringt – seinem eigenen Anspruch nach – auch Recht, Politik, Kultur, Wissenschaft und überhaupt jeden Lebensbereich. Es gibt im Islam keinen Vorbehalt nach Art des neutestamentlichen ‚So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.‘ (Mt 22,21) Es gibt keine islamfreie Zone, zumindest soll es keine geben.

Dies, wie gesagt, wird auch zugestanden, und dass der Islam keine Säkularisierung erlebt hat, gehört mittlerweile fast schon zur Allgemeinbildung. Bisher fühlte sich aber kaum einer berufen, die soziologischen Konsequenzen dieses unbestrittenen Sachverhaltes zu analysieren. Es scheint auch niemandem aufzufallen, wie inkonsequent es ist, das Fehlen der Säkularisierung islamischer Gesellschaften festzustellen, diese Gesellschaften aber in Begriffen zu beschreiben, die eine solche Säkularisierung gerade voraussetzen.“

(a.a.O., S. 10 f., 13)

Eine Gesellschaft, deren leitendes Normen- und Wertesystem die religiöse Verankerung auch von Politik und Recht fordert, bringt mit Notwendigkeit regelmäßig Kräfte hervor, die damit Ernst machen – in einem modernen Kontext also Islamisten –, und zwar typischerweise dann, wenn der Islam als Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung noch nicht etabliert ist, oder wenn er in dieser Hinsicht angefochten wird. Dies ist nicht nur ein deduktiv gewonnener theoretischer, sondern auch ein empirischer Befund: Die Intoleranz gegenüber Nichtmuslimen und „schlechten“, d.h. nonkonformen Muslimen, und die Rigidität, mit der die islamischen Normen durchgesetzt werden, ist regelmäßig dann am größten,

  • wenn die gesellschaftliche Ordnung zusammengebrochen ist und rekonstituiert werden muss, wie heute in den gescheiterten Staaten Afghanistan und Somalia, oder
  • wenn Muslime noch in der Minderheit, aber bereits mächtig genug sind, die Islamisierung nichtmuslimischer Gesellschaften zu erzwingen, wie es in den frühen Phasen sowohl der arabischen als auch der türkischen Expansion der Fall war (ein Aspekt, der uns zu denken geben sollte, zumal wenn wir sehen, daß der Islam in Teilen der muslimischen Parallelgesellschaften in Europa um einiges rigider interpretiert wird als in den meisten Herkunftsländern der Migranten), oder
  • wenn die islamischen Gesellschaften von außen durch nichtmuslimische Mächte bedroht werden, militärisch etwa während der Kreuzzüge, wirtschaftlich, kulturell und militärisch durch die westliche Expansion seit dem 19.Jahrhundert.

Vom Standpunkt einer ganz bestimmten Ideologie kann Islamismus freilich nichts mit dem Islam und der mit ihm zusammenhängenden soziologischen Eigengesetzlichkeit muslimischer Gesellschaften zu tun haben, weil sie mißliebige gesellschaftliche Erscheinungen, eben auch den Islamismus, bereits aus ideologischem Prinzip auf „Unterdrückung, Armut und Not“ zurückführt. Weißmann faßt Schirrmachers Ausführungen zu den Ursachen des Islamismus so zusammen:

Er [der Islamismus] sei eine „totalitäre Ideologie“ mit einem im Kern „utopischen Weltbild“, die auf die Unterdrückung, die Armut und die Not in den Gebieten des Nahen Ostens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Angebot eines „ganzheitlichen Islam“ reagierte.

Wie sie mit diesem Modell den Erfolg von Islamisten in Europa erklären will, wo Muslime weitaus mehr Rechte und mehr Wohlstand genießen als in den meisten ihrer Herkunftsländer, wird wohl Schirrmachers – und, da er sie zustimmend zitiert, auch Weißmanns – Geheimnis bleiben. Ich gestehe, daß ich die Bedenkenlosigkeit und Naivität einigermaßen befremdlich finde, mit der Weißmann, ein profilierter Konservativer, anscheinend im Vertrauen auf „die Wissenschaft“, ein Erklärungsmuster übernimmt, das erkennbar in den Prämissen linker Ideologie verwurzelt ist.

Weißmann zufolge, der ihr auch hier folgt, weist Schirrmacher die Argumentation der Islamkritiker, wonach der Islamismus nur konsequent praktiziere, was der Islam schon immer gefordert habe, (nämlich die Einheit von Religion und Politik unter dem Gesetz der Scharia) und deshalb notwendig aus ihm hervorgehe, mit dem Argument zurück,

daß die Mehrzahl der Moslems … von diesem Konzept weit entfernt sind.

Das islamistische Potenzial sei mit circa 10 Prozent der Heranwachsenden zwar erheblich, aber dennoch nur minoritär.

Abgesehen davon, daß schlechterdings nicht zu erkennen ist, inwiefern Feststellungen dieser Art die These widerlegen sollen, der Islam bringe den Islamismus als solchen mit Notwendigkeit hervor, ist der zentrale Denkfehler dieses Arguments die Gleichsetzung von Quantität und Qualität – so, als hinge die Durchschlagskraft radikaler ideologischer Positionen vom Bevölkerungsanteil ihrer Anhänger ab; nebenbei gesagt ein Denkfehler, der einem nur vom typisch liberalen Standpunkt eines individualisierenden Denkens unterlaufen kann, das die Dynamik sozialer Beziehungen ausblendet (und deshalb aus Weißmanns Feder merkwürdig inkonsistent wirkt):

Allein ihre eigene nicht abreißende Kette von Niederlagen in den letzten fünfzig Jahren sollte deutsche Konservative hinreichend darüber belehrt haben, daß kleine radikale Minderheiten sehr wohl in der Lage sind, ihre Vorstellungen auch gegen eine widerstrebende Mehrheit durchzusetzen, wenn diese Mehrheit nicht aktiv gegensteuert, weil und sofern sie, die Minderheit, dabei einen bestehenden ideologischen Konsens zu ihren Gunsten umdeutet und ausnutzt. Ein solcher Grundkonsens, und zwar über die Geltung islamischer Normen, besteht in den muslimischen Parallelgesellschaften aber sehr wohl; diese Gemeinschaften bilden den Resonanzboden, ohne den die Islamisten in der Tat nicht erfolgversprechend agieren könnten; und fatalerweise liegt zudem die Definitionsmacht, was „die Muslime“ wollen und „der Islam“ fordert, in den Händen von Organisationen, die meist selbst islamistisch sind (und selbst die, die das nicht sind, weil sie zum Beispiel ethnisch definierte Interessen vertreten, lassen sich mühelos vor den Karren der Islamisten spannen).

Des weiteren hängt die Durchsetzungsfähigkeit gerade von Islamisten nicht zuletzt von ihrer Gewaltbereitschaft ab, die als hemmender und einschüchternder Faktor ins Kalkül nichtmuslimischer Akteure – etwa von Polizeibeamten oder Politikern, aber auch von einfachen Bürgern – einfließt.

Und schließlich werden islamische Standards – etwa, Muslime nicht zu „provozieren“, als Frau oder Mädchen islamischen Vorstellungen von „Sittlichkeit“ zu entsprechen, Muslimen Tribute zu entrichten, gewaltsame Machtdemonstrationen von Muslimen zu dulden – durchaus nicht nur und nicht einmal überwiegend von Islamisten durchgesetzt, sondern vor allem von Kriminellen, denen dabei aber jedes Unrechtsbewußtsein fehlt, weil ihr Verhalten ja „nur“ gegen das Recht der „Ungläubigen“ verstößt und daher in ihrer muslimischen Umgebung aufgrund von deren sozialisatorischer Prägung keine energische soziale Mißbilligung erfährt.

Dritte von Weißmann angefochtene These:

3. Es gibt eine Kontinuität der islamischen Aggression

Weißmann zitiert in diesem Zusammenhang Bernard Lewis, der die fortschreitende Islamisierung Europas als „dritte Angriffswelle der islamischen Expansion“ (nach der arabischen und der türkisch-osmanischen) deutet, und wendet dagegen ein,

daß die Migration kein Teil einer islamischen Strategie war. Wer als Arbeiter oder als Flüchtling in den Westen ging, tat das aus einer individuellen Motivation, kaum je mit dem Ziel, die umma auszuweiten. (…) Die Islamisierung Europas erweist sich insofern als Nebeneffekt eines Bevölkerungsaustauschs, nicht als Ergebnis einer langfristigen Konzeption. Es soll damit gar nicht bestritten werden, … daß vom türkischen Staatsislam bis zu dschihadistischen Gruppen alle möglichen Organisationen sich die Schwäche des liberalen Systems zu Nutze machen … , aber die Annahme, es gäbe dahinter so etwas wie einen Masterplan, geht an den Realitäten offensichtlich vorbei.

Weißmann behauptet also, die muslimische Massenmigration sei nicht als Dschihad zu werten, und begründet dies unter anderem damit, dass es an ihrem Beginn, also um 1960, keinen islamischen „Masterplan“ zur Islamisierung Europas gegeben habe. Dieses Argument ist insofern eine glatte Themaverfehlung, als es bestenfalls die Frage beantwortet, ob der Islam 1960 unser Feind war, nicht aber die, um die es geht, nämlich, ob er es jetzt ist.

Tatsache ist, dass das Ziel der Islamisierung Europas schon in den siebziger Jahren offen verkündet worden ist, daß in dieser Zeit islamistische Organisationen, speziell aus dem Dunstkreis der Muslimbruderschaft, ausgeklügelte Strategien zur Unterwanderung der europäischen Gesellschaften vorgelegt haben, und daß heute unter praktisch allen maßgeblichen islamistischen Strategen und ihren Organisationen Konsens über die Grundzüge dieser Strategie besteht. Dabei agieren diese Organisationen aber nicht im luftleeren Raum, sondern kalkulieren das aufgrund islamischer Sozialisation erwartbare Verhalten (ohne das ihre Strategien gar nicht funktionieren könnten) ihrer Glaubensbrüder an der Basis als selbstverständliche Vorgabe ein.

Gerade dieses Verhalten von Ali Normalmuslim ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Strategien, und dies nicht etwa deshalb, weil alle Muslime glühende Dschihadisten wären, sondern gerade deshalb, weil sie das gar nicht zu sein brauchen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Weißmanns Überlegungen, sofern sie auf die individuellen Motive von muslimischen Einwanderern abstellen, taugen schwerlich als Argument gegen eine Islamkritik, deren Pointe gerade darin liegt, daß der Dschihad im Islam strukturell verankert und damit von den Kontingenzen individueller Motivlagen unabhängig ist.

Konkretisieren wir dies an einigen Beispielen:

Es ist allgemein bekannt, daß türkische Einwanderer sich ihre Ehepartnerinnen sehr häufig in der Türkei suchen und sie dann nach Deutschland holen, weil sie davon ausgehen, daß solche Frauen ein traditionell islamisches Wertemuster mitbringen und nicht von westlichen Ideen angekränkelt sind. Mit Dschihadismus hat dies auf den ersten Blick nichts zu tun; das individuelle Motiv, das hinter einem solchen Verhalten steht, dürfte in den meisten Fällen der verständliche Wunsch sein, eine harmonische Ehe zu führen, wozu eben auch gemeinsame sittlich-religiöse Werte gehören. Dies bedeutet freilich zugleich, daß ein anderes Motiv, nämlich der Wunsch, in Harmonie mit den Erwartungen der (deutschen) Gesellschaft zu leben, keine wesentliche Rolle spielt.

Diese Ablehnung sozialer Erwartungen, die von Nichtmuslimen an Muslime gerichtet werden, ist als Norm kulturell verankert und nicht zwangsläufig vom individuellen Glauben abhängig. Daß nicht jeder Einzelne von solchen Normen gleichermaßen stark und in gleicher Weise geprägt ist (wie oben schon erwähnt), ändert nichts an dem Resultat, das sich ergibt, wenn wir nicht den einzelnen Muslim, sondern die islamische Gemeinschaft als Ganze in den Blick nehmen. Wir haben es hier mit der unmittelbaren Wirkung kulturell verinnerlichter islamischer Normen zu tun, insbesondere dem Gebot, zu Nichtmuslimen keine „sozialen Beziehungen zu unterhalten, die die Gefahr des Abfalls vom oder des Verrats am Islam mit sich bringen, ganz gleich, ob diese Gefahr auf emotionaler Nähe, politischer Abhängigkeit oder rechtlicher Bindung basiert“ (Dschihad-System, S.116).

Es soll also alles unterlassen werden, was die innermuslimische Solidarität im Verhältnis zu Nichtmuslimen beeinträchtigt, und dies gilt auch und gerade für die politische Solidarität. Für Muslime, auch die kritischen unter ihnen, ist es demgemäß nahezu unmöglich, eine nichtmuslimische Nation als ihre eigene in dem Sinne zu betrachten, daß sie sich in politischen Fragen an deren Lebensinteressen (und nicht an den Interessen ihrer jeweiligen muslimischen Herkunftsnation) orientierten. Dies ist mitnichten eine Selbstverständlichkeit, wie das Beispiel der Nachkommen von Hugenotten und polnischen Migranten lehrt; es ist eine muslimische Besonderheit.

Dort aber, wo Muslime im Westen sich einen nichtmuslimischen Ehepartner suchen, also bei gemischtreligiösen Paaren, die es ja auch gibt, ist der muslimische Partner in der Regel der Mann. Wiederum ein Sachverhalt, bei dem man über individuelle dschihadistische Motive bestenfalls fruchtlos spekulieren kann, dessen Verwurzelung im islamischen Normensystem aber offen zutage liegt:

„Ein häufig übersehener Aspekt des islamischen Rechts liegt in den Regeln darüber, wer wen heiraten darf: Frauen dürfen nämlich unter keinen Umständen ‚Ungläubige‘ heiraten, während Männer das durchaus dürfen. Zumindest, soweit die ‚Ungläubigen‘ zu den ‚Schriftbesitzern‘ gehören, also Christinnen oder Jüdinnen sind.“ (Dschihad-System, S.129)

Diese Norm ist eine Dschihad-Norm, hat historisch auch in diesem Sinne funktioniert und ihren Teil zur Verdrängung nichtmuslimischer Gemeinschaften beigetragen:

„Eine Gemeinschaft wie die islamische …, die [das] Exogamieverbot für Männer aufhebt, für Frauen aber nicht, betreibt nicht Konsolidierung, sondern demographische Expansion … : Wer die eigenen Mädchen nur innerhalb der eigenen Gemeinschaft verheiratet, die der anderen Gruppen aber wegheiratet und dafür sorgt, dass deren Kinder die Religion des Vaters annehmen (was mit einer gewissen Selbstverständlichkeit unterstellt wird), sorgt dafür, dass die anderen Gruppen durch Osmose langsam, aber sicher verschwinden.“ (Dschihad-System, S.130)

Ich zitiere diese Beispiele, um zu illustrieren, wie irreführend es ist, von „Dschihad“ nur dort zu sprechen, wo irgendwelche „Masterpläne“ verfolgt werden:

„Wer … in einem verschwörungstheoretischen Sinne nach dem großen Strippenzieher sucht, wird enttäuscht werden. Der Islam hat dergleichen nicht nötig, weil die Strippen schon vor eintausendvierhundert Jahren vom Propheten Mohammed – Muslime glauben freilich: von Allah selbst – gezogen worden sind.“ (Dschihad-System, S.287).

Der Islam ist nicht deshalb ein Dschihadsystem, weil alle Muslime Islamisten wären und im Kampf für die Ausbreitung des Islam ihren Lebenssinn suchen würden – dies ist offensichtlich nicht der Fall, auch wenn der Islam auch solche Menschen mit Notwendigkeit hervorbringt, sie eine wichtige Rolle im Dschihad spielen und ihre Anzahl erschreckend hoch ist –, sondern weil die islamischen Sozialnormen so aufeinander abgestimmt sind, daß selbst ihre im Einzelfall vielleicht halbherzige Befolgung, sofern sie nur als Normalfall unterstellt werden kann, die islamische umma in die Lage versetzt, nichtmuslimische Völker unter Druck zu setzen und gegebenenfalls auch zu verdrängen.

Eine liberal-individualisierende Betrachtungsweise freilich, die den Islam nicht als Grundlage einer Gesellschaftsordnung betrachtet, sondern als lediglich individuellen Glauben, der folglich nur in den Köpfen von Muslimen existieren, nicht aber in sozialen Strukturen objektiviert sein kann – eine solche Betrachtungsweise kann „den Islam“ als soziales System und seine Dynamik gar nicht in den Blick bekommen. Wo aber bereits Prämisse ist, daß es den Islam im Grunde nicht gibt, sondern nur viele Muslime, kann als Schlußfolgerung auch nichts anderes herauskommen.

Genau dies ist auch der Punkt, an dem Weißmanns Kritik an der vierten islamkritischen These scheitert:

4. Der Islam bildet eine Einheit

Die Annahme eines besonderen islamischen Gefahrenpotentials bezieht ihre Plausibilität selbstverständlich auch aus der Vorstellung, daß der Islam als Einheit agiert. Soweit diese Annahme nicht einfach auf Ignoranz beruht, spielt vor allem die Geopolitik eine Rolle für entsprechende Argumente. (…) Aus der Sicht der Geopolitik erscheinen selbstverständlich auch die Hypothesen Samuel Huntingtons in bezug auf den „Kampf der Kulturen“ besonders plausibel.

Es ist zutreffend, daß insbesondere die liberalen Teile der islamkritischen Szene, die sich besonders mit „dem Westen“ und dessen Führungsmacht USA identifizieren, Huntingtons These viel abgewinnen können. Weißmann scheint aber nicht Betracht zu ziehen, daß man die Akteurseigenschaft des Islam auch ohne Rückgriff auf geopolitische Denkfiguren bejahen kann. Wer solches tut, ist laut Weißmann nicht etwa Verfechter einer alternativen Theorie, sondern schlicht ein Ignorant. Da ich selbst der Geopolitik eher abhold bin, muß meine Neigung zur Islamkritik daher wohl auf meine notorische Ignoranz [4] zurückzuführen sein.

Weißmann weist Theorien, die den Islam als Einheit auffassen, mit zwei zentralen Argumenten zurück:

Erstens gebe es auch zwischen muslimischen Makroakteuren mannigfache Konflikte:

Unbestreitbar ist es jedenfalls so, daß die drei Hauptträger der islamischen Renaissance – zuerst die Iraner, dann die Araber, zuletzt die Türken – unterschiedliche Generallinien verfolgen und in einem, gelegentlich zu militärischen Konflikten führenden, Konkurrenzverhältnis zueinander stehen.

Zweitens verfüge der Islam über kein entscheidungsfähiges Zentrum, dessen es aber bedürfte, damit er eine Feinderklärung aussprechen und durchfechten könne:

Tatsächlich ist der Islam seit den Tagen der ersten Kalifen kein Ganzes mehr gewesen, er besitzt keine Kirchenstruktur und keinen Klerus, und es gibt permanent massive Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen islamischen Konfessionen und Fraktionen …

Weil dies so sei, so folgert Weißmann weiter unten in seinem Fazit, könne er auch nicht sinnvollerweise Gegenstand einer Feinderklärung sein, weil eine solche sich

gegen eine Größe [richten müßte], die als solche gar nicht existiert: der Islam. Feind kann aber nur sein, wer, mit Carl Schmitt, als eine „der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen auftritt“… Und das ist nicht der Fall.

Halten wir zunächst fest, daß diese Argumentation, sofern sie auf die Nichtexistenz einer kirchenartigen Hierarchie und überhaupt eines Entscheidungszentrums abstellt und bereits deswegen dem Islam die Akteurseigenschaft abspricht, an derselben Schwäche krankt, die uns bereits oben im Zusammenhang mit den Thesen Schirrmachers aufgefallen ist, nämlich der unreflektierten Übertragung westlicher Begriffe und Ordnungsvorstellungen auf eine Gesellschaft, die auf ganz anderen kulturellen Voraussetzungen basiert, und die daher nicht unbedingt in unseren Begriffen sinnvoll zu beschreiben ist. Wir sind es – zweifellos auch vor dem Hintergrund unserer liberalen Rechtstraditionen, bei Weißmann auch einer konservativen Neigung zum Etatismus – gewöhnt, als „Akteure“ (neben Einzelpersonen) nur solche sozialen Systeme aufzufassen, die ein relativ hohes Maß an formaler Organisation aufzuweisen haben, also etwa Staaten, Kirchen, Parteien, Unternehmen etc., und hierarchisch organisiert sind.

Dabei ist bereits mit Blick auf unsere eigene Gesellschaft durchaus fraglich, ob sich die in ihr existierenden Machtstrukturen und Konfliktlagen auf der Basis eines solchen Vorverständnisses noch sinnvoll beschreiben lassen: Nach dessen Logik nämlich wären auch die politische Linke, die globalen Eliten, die politische Klasse oder das System der etablierten Medien nicht als Akteure (und demgemäß auch nicht als Feinde) anzusprechen, da sie in sich jeweils nicht zentralistisch und hierarchisch, sondern netzartig strukturiert und zudem durch starke interne Konkurrenzverhältnisse geprägt sind. Wer sich freilich nur auf diese Konkurrenzmechanismen und internen Interessenkonflikte konzentriert, wird immer wieder überrascht sein, wie sehr diese angeblichen Nicht-Akteure im Verhältnis zu ihrer Umwelt zu koordiniertem Handeln in der Lage sind, das kaum weniger effektiv ist, als wenn es durch eine zentrale Instanz gesteuert würde. Gerade die politische Rechte, die von all diesen Systemen als Feind markiert und erfolgreich bekämpft wird, hat wenig Anlaß, die Feindfähigkeit solcher Kollektivakteure von der Existenz jeweils zentraler Entscheidungsinstanzen abhängig zu machen.

Darüberhinaus bedarf Carl Schmitts Definition, wonach Feind nur sein könne, wer als „der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen auftritt“, der Präzisierung und Erläuterung: Damit ist nämlich nicht gemeint, daß etwa buchstäblich jeder Staatsbürger einer kriegführenden Macht, womöglich einschließlich der Säuglinge und Greise, auch faktisch kämpfen müsse, und nicht einmal, daß jeder Soldat ein Kämpfer sein müsse. Die Existenz etwa von Befehlsverweigerung, Sabotage, Spionage, Feigheit, Desertion etc., allgemein gesprochen die individuelle Mißachtung von kampfbezogenen Verhaltenserwartungen beeinträchtigt zwar den Kampfwert einer Streitmacht, stellt aber ihre Fähigkeit, eine Feinderklärung durchzufechten, nicht prinzipiell in Frage, solange die Erfüllung als Normalfall unterstellt werden kann und daher koordiniertes Handeln möglich ist. Dies hat auch nichts mit individuellen Motivationen zu tun: Es spielt keine Rolle, ob der Soldat kämpft, weil er den Sieg seiner Armee wünscht, oder weil er sicherstellen möchte, daß ihm sein Sold regelmäßig ausgezahlt wird, oder weil er Karriere machen möchte (Ganz allgemein sind soziale Systeme in dem Maße erfolgreich, wie sie individuelle Motive vor den Karren des Gemeinwohls spannen können und sich damit von der Gemeinwohlorientierung des Einzelnen unabhängig machen.). Und schließlich versteht es sich von selbst, daß nur dort gekämpft wird, wo auch gekämpft werden kann, im Zweifel also an der Front.

Nach Carl Schmitt ist eine politische Einheit, wer eine Feinderklärung aussprechen und durchfechten kann. Theorieimmanent ist es keineswegs erforderlich, daß die Feinderklärung stets konkret und situationsbezogen ausgesprochen wird; eine abstrakte und konditionierte Feinderklärung genügt vollkommen, sofern sichergestellt ist, daß bei Eintritt der Bedingungen der Kampf auch tatsächlich sinnvoll koordiniert geführt wird. Dies ist beim Islam der Fall, dessen leitender Gedanke die Feinderklärung gegen alle Ungläubigen ist (die freilich nur dort konkret werden kann, wo muslimische mit nichtmuslimischen Akteuren tatsächlich in der Weise in Berührung kommen, daß sie sinnvollerweise kämpfen können – wo also so etwas wie eine Front existiert), und dessen gesamtes Normensystem darauf hin optimiert ist, muslimische zur Verdrängung von nichtmuslimischen Gruppen zu befähigen, mit denen sie im selben sozialen Raum zusammentreffen; auf eine ausgeprägt dschihadistische Motivation jedes einzelnen Muslims kommt es dabei genauso wenig an wie auf die strikte Normbefolgung aller Muslime.

Die Nichtexistenz eines Entscheidungszentrums ist dabei sogar ein Vorteil, weil der Islam dadurch in seiner Eigenschaft als politische Einheit nicht durch die Korruption eines solchen Zentrums in der Weise kompromittiert werden kann, wie es den europäischen Nationen durch den Verrat ihrer Eliten zur Zeit widerfährt. Selbstverständlich gibt es auch in der islamischen Welt zuhauf korrupte Machthaber, deren Verhalten weit entfernt von einem islamischen Ideal ist, indem sie zum Beispiel westlich inspirierte Reformen durchsetzen, sich mit westlichen Mächten verbünden, Frieden mit Israel schließen oder die Gleichberechtigung von Angehörigen religiöser Minderheiten garantieren; damit stürzen sie aber ihre Herrschaft in tiefe Legitimitätskrisen. Allein das Ausmaß an diktatorischer Gewalt, die sie anwenden müssen, um die Opposition der Gesellschaft gegen diesen Verrat am Islam unter Kontrolle zu halten, dokumentiert freilich die Stärke des Islam und gerade nicht seine Nichtexistenz als politische Einheit.

Was diese Einheit konstituiert und aufrechterhält, ist nicht der darauf gerichtete Wille eines Zentrums, sondern die gemeinsame, religiös fundierte, aber kulturell und sozialisatorisch verinnerlichte Bezugnahme der islamischen Gemeinschaft auf ein Normensystem, das die wechselseitigen Verhaltenserwartungen innerhalb muslimischer Gesellschaften strukturiert, dadurch zu einer objektiven sozialen Gegebenheit wird, zu der muslimische Akteure sich verhalten müssen, und ihrem Verhalten im Zweifel die Richtung weist, die der Konsolidierung der politischen Einheit und ihrer Konfliktfähigkeit nach außen dient.

Wenn wir hierzulande beobachten, daß Muslime häufig und sogar typischerweise ein Verhalten zeigen, das dem Dschihad im Sinne der Verdrängung nichtmuslimischer Völker und Normensysteme förderlich ist (während praktisch niemand von ihnen ein Verhalten zeigt, das diesem Ziel direkt zuwiderliefe), so erweckt dies nicht zufällig den Eindruck koordinierten Handelns, sondern weil die im einzelnen unterschiedlichen Handlungsmuster im System der islamischen Normen einen gemeinsamen Bezugspunkt haben.

„Der Dschihad spielt sich deshalb auf zwei miteinander verschränkten und wechselwirkenden Ebenen ab: Auf der Ebene bewussten zielgerichteten Handelns begegnen wir den eigentlichen Dschihadisten, auf der Alltagsebene der mal mehr, mal minder traditionsorientierten Lebensweise von Muslimen, deren scheinbar unzusammenhängende private Handlungen sich wie von selbst zu einer mächtigen gesellschaftlichen Kraft verdichten, die die nichtislamischen Gesellschaften unter Druck setzt. Der Islam ist ein Dschihad-System, weil er beides notwendig hervorbringt.“ (a.a.O., S.184)

Kommen wir nun zur fünften und letzten von Weißmann kritisierten These der Islamkritik:

5. Das Ziel des Islam ist die Islamisierung Europas beziehungsweise der Welt

Dabei bestreitet Weißmann nicht, daß dies tatsächlich das Ziel ist, glaubt aber Entwarnung geben zu dürfen. Zwar besteht auch nach seiner Auffassung ein ernstes Problem:

Allerdings bleibt es dabei, daß in einigen Ländern – wie Großbritannien, Frankreich oder Schweden – die moslemische Gruppe deutlich stärker wachsen wird. Daß es keinen Grund zur Entspannung gibt, hat aber vor allem damit zu tun, daß man die Altersstruktur in den Blick nehmen muß. Es gibt eine starke Fraktion junger, vor allem junger männlicher Moslems, den sogenannte youth bulge, ausgestattet mit einer „Hyperidentität“ (Christopher Caldwell); es gibt die regionale Konzentration, vor allem in den Metropolen; es gibt die Möglichkeit weiterer massiver Zuwanderung – etwa in Folge der Assoziierungsabkommen der Europäischen Union und der nordafrikanischen Länder; und es gibt überhaupt das Problem der Bildung ethnischer Brückenköpfe.

Dennoch würden Muslime weiterhin eine problematische, aber doch vergleichsweise kleine Minderheit bleiben:

Ohne Zweifel wächst die Zahl der Moslems in den Ballungszentren nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas teilweise dramatisch. Aber die meisten Prognosen gehen davon aus, daß dieser Prozeß in absehbarer Zeit zum Stillstand kommt und dann auf einem mehr oder weniger hohen Niveau stagniert, daß aber der Bevölkerungsanteil der Muslime in Europa auch im Jahr 2030 lediglich acht Prozent (an Stelle der heutigen sechs Prozent), in Deutschland 8,6 Prozent (an Stelle der heutigen 6 Prozent) betragen wird. Das hängt wesentlich mit der fallenden Geburtenrate in moslemischen Familien zusammen.

Wie aus der IfS-Studie (Fußnote 96) hervorgeht, stützt Weißmann sich hier ausschließlich auf die Veröffentlichungen des Religionswissenschaftlers Michael Blume, die explizit das Ziel verfolgen, „islamophoben Populisten“ (s. S.1 der hier verlinkten pdf-Datei, die von Weißmann als Quelle angeführt wird [5]) entgegenzutreten, und der seine Behauptung einer „fallenden Geburtenrate in moslemischen Familien“ zumindest in dieser Quelle mit lediglich einer einzigen Grafik untermauert (S.16), deren Quellen summarisch angegeben werden, und deren Berechnungsmethoden nicht überprüfbar sind. Hierzu nur drei kurze Anmerkungen:

Erstens: Es gibt eine neuere Studie der Universität Rostock (Nadja Milewski, „Fertility of Immigrants. A Two-Generational Approach in Germany“), die zwar just zu dem Ergebnis kommt, die Geburtenraten von Migrantinnen würden sich denen der Deutschen annähern, dieses Ergebnis aber mit so halsbrecherischer Rechenakrobatik erzwingt (begründet habe ich das in diesem Artikel in meinem Blog „Korrektheiten“ [6]), daß der Umkehrschluß unabweisbar ist, daß man die These mit sauberen Mitteln nicht hätte untermauern können, daß sie also falsch ist.

Zweitens: Selbst wenn es ihn gäbe, würde ein eventueller Rückgang der Geburtenraten eingewanderter Musliminnen die Tendenz zur demographischen Islamisierung keineswegs stoppen; die Politik würde dieses „demographische Problem“ ohne jeden Zweifel auf dieselbe Weise „lösen“, wie sie es auch bisher schon getan hat, nämlich durch verstärkte Masseneinwanderung, die nach Lage der Dinge überwiegend aus islamischen Ländern käme. In quantitativer Hinsicht würde sich die Islamisierung also keineswegs verlangsamen, in qualitativer sich sogar noch verstärken.

Drittens: Da die politische Motivation hinter solchen Studien mit Händen zu greifen ist, sollte es sich von selbst verstehen, daß man ihnen als Konservativer mit einem gewissen gesunden Mißtrauen gegenübertritt. Weißmanns vertrauensselige Übernahme von „Forschungsergebnissen“, die penetrant nach politisch motivierter Desinformation riechen, mutet an dieser Stelle so befremdlich an wie oben die zustimmende Zitierung von Schirrmachers „Erklärung“ für die Existenz von Islamismus.

In seiner „Bilanz“ kritisiert Weißmann die Islamkritik vom strategischen Standpunkt. Nachdem er ihr vorgeworfen hat, ihre Feinderklärung gegen eine nicht existierende Größe zu richten und damit ein im Grunde unpolitisches Konzept zu verfolgen, fährt er fort:

Insofern bindet die Islamkritik, soweit sie das und nichts anderes ist, fatalerweise Kräfte, die an anderer Stelle eingesetzt werden müßten: zur Bekämpfung des weißen Masochismus und eines Establishments, das sich seiner bedient; …

Es versteht sich von selbst, daß der Islam nicht der einzige und nicht einmal der Hauptfeind ist, weil es ihn als kämpfenden Feind gar nicht gäbe, wenn der innere Feind, also vor allem das Establishment, ihm nicht die Tür geöffnet hätte. Daraus aber zu schließen, er sei keiner, ist eine falsche Analyse.

… vor allem aber zur Stärkung der nationalen und europäischen Identität.

Die Wahrnehmung, erst recht die Stärkung der eigenen Identität setzt vor allem voraus, daß man das Nichtidentische als fremd wahrnimmt. Vielen Europäern ist die Einzigartigkeit ihrer Kultur in keiner Weise bewußt; sie tendieren zu der Auffassung, alle Menschen und Kulturen seien im Wesentlichen gleich, d.h. so wie sie selbst. Die Konfrontation mit dem Islam, der im Gegensatz zu anderen fremden Kulturen auf einer ausgefeilten Ideologie basiert und daher nicht nur „irgendwie“, sondern in einer konkreten und benennbaren Weise fremd und anders ist, wirkt hier als heilsame Roßkur. „Wir“ lernen uns selbst kennen, indem wir „sie“ kennenlernen – zumal „sie“ uns auch noch täglich ihre Kriegserklärungen ins Gesicht schreien.

Dabei schadet es überhaupt nicht, daß nicht alle Islamkritiker rechts sind, und daß man den Islam außer von einem konservativen auch von einem linken oder liberalen Standpunkt kritisieren kann und sogar muß: Die Fremdartigkeit des Islam tritt gerade dadurch grell zutage, daß es buchstäblich keine einzige europäische Geistestradition gibt, die nicht islamkritische Implikationen hätte, zumindest soweit der Islam bei uns einwandert.

Auf der anderen Seite ist Islamkritik ein Querschnitthema, an dem man praktisch jedes konservative oder rechte Thema aufhängen kann. Dies nicht zu sehen und die darin liegenden Chancen nicht wahrzunehmen, ist so töricht wie (vom Standpunkt ihrer eigenen strategischen Interessen) die Haltung mancher Siebzigerjahre-Linker, die von Ökologie nichts wissen wollten, weil damit ja vom Klassenkampf abgelenkt werde und das Thema überhaupt konservativ besetzt war. Es ist durchaus plausibel, daß Islamkritik für die Rechte das werden könnte, was das Ökologiethema für die Linke war, zumal sie bereits jetzt mitnichten Kräfte „gebunden“, sondern der Rechten ganz im Gegenteil Kräfte zugeführt, zumindest aber in Rufweite gebracht hat, die sonst für sie unerreichbar gewesen wären.

Die darin liegenden Chancen zu nutzen, setzt freilich die Bereitschaft voraus, sich mit neuen Themen und Perspektiven auseinanderzusetzen. Diese Offenheit mag lästig sein und insofern auch „Kräfte binden“ – eine Tugend, und zwar eine, die sich auszahlt, ist sie trotzdem: eine Tugend übrigens, die in der islamkritischen Szene deutlich verbreiteter ist als in der konservativen – ich kenne beide aus eigener Anschauung –, und durch die sich erstere von letzterer äußerst vorteilhaft unterscheidet.


Article printed from Sezession im Netz: http://www.sezession.de

URL to article: http://www.sezession.de/35614/kritik-der-kritik-der-islamkritik.html

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dimanche, 23 décembre 2012

Deux sources radicales de l’islamophobie

Deux sources radicales de l’islamophobie

par Ulysse GIRARD

islamophobie.jpgS’interroger sur la source radicale d’un phénomène n’est pas en nier le caractère multifactoriel, ni même en dégager la cause principale, mais plutôt la cause la plus profonde et la plus cachée, celle qui en est à la racine car son impensé le plus profond. Toute réflexion réellement utile sur la cause d’un phénomène doit en dégager la source radicale, car là est le vrai travail de révélation puis de compréhension réglée du réel.

Peuvent cœxister plusieurs causes radicales d’un phénomène, qui interagissent entre elles. L’islamophobie est aujourd’hui en France un phénomène grandissant; elle s’inscrit dans un discours de plus en plus décomplexé. Elle est un problème politique et social, mais aussi un révélateur de phénomènes plus profonds, qui se disent par elle tout en se cachant, comme le symptôme peut dire et cacher la maladie. L’islamophobie est donc un phénomène intéressant en tant qu’il est un révélateur de ce que l’on ne veut pas voir, et en l’occurrence il ne s’agit pas du danger, tantôt réel, tantôt fantasmé, de l’islam, de l’islamisation ou d’un certain type d’islam (distinctions que l’on n’interrogera ni ne justifiera ici).

La première cause du caractère grandissant du phénomène est la prédisposition du peuple à la condamnation de toute religion un tant soit peu combative. Cette prédisposition s’enracine d’une part dans une histoire, une mémoire, voire un mythe, celle de la République anticléricale, du combisme au Cartel des gauches; et d’autre part, dans une idéologie anti-religieuse conditionnée par l’état actuel des modes de production en France, et en Occident de façon plus générale. La religion est une menace en cela qu’elle viendrait entraver, dans certains cas et pour certaines religions bien particulières (donc pas le capitalisme anglo-saxon, fruit d’un protestantisme dévoyé) le capitalisme de la séduction, c’est-à-dire la recherche du profit du côté de la chaîne de production (méfiance à l’égard de l’usure, du profit voire de l’argent en général) et de la jouissance effrénée du côté de la consommation. Cette idéologie consumériste est d’autant plus redoutable que, contrairement à la discipline, voire à l’ascèse du travail qui dominait toutes les classes sociales à la fin du XIXe siècle, y compris la bourgeoisie, l’idéologie de la jouissance n’a pas à contraindre nos prédispositions biologiques élémentaires et primaires au désir et à la jouissance. La religion venant s’opposer au consumérisme frénétique, celle-ci en tant qu’idéologie entre en confrontation directe avec une certaine idéologie soi-disant républicaine, c’est-à-dire libertaire. C’est là l’islamophobie des laïcards comme Christine Tasin, de certains journalistes (du Point ?) et des groupes féministes ou L.G.B.T.

Cette thèse est connue. Néanmoins, elle n’est que l’une des deux sources, la moins problématique de toutes, car elle ne touche pas au grand tabou de notre société. Critiquer la religion est acceptable en France, car par un effet d’hystérèse représentationnel, la religion est encore conçue comme l’opium du peuple, l’Infâme, l’ennemi perpétuel et enragé de la liberté, de l’intelligence, du débat et, in fine, de la démocratie. On pourrait montrer comment l’anticléricalisme a pu servir de soupape de sécurité ou de diversion pendant toute notre histoire pour détourner le peuple des vrais combats, en particulier le combat de classes, comme le Cartel des Gauches le fit en 1924 pour éviter de se justifier de sa collusion avec le Grand Capital. Là encore, l’islamophobie fait figure de diversion dans le débat public, voulue mais surtout fantasmée. Voulue, car les réseaux qui nous dirigent préfèrent que l’on s’occupe de sujets peu dangereux plutôt que de ceux qui posent vraiment problème (comme la dette, l’austérité, le T.S.C.G. … ou sous Sarkozy, la vente d’or de la Banque de France à bas prix à Washington, la posture sécuritaire et identitaire permettant de s’acheter un patriotisme au rabais). Mais cette diversion est aussi fantasmée, car elle permet de refuser, par un ennemi commode, de nommer les vrais problèmes.

Le grand tabou en France est ethnico-racial. La guerre de 39-45, qui fut pour nous une blessure narcissique grave (on n’explore pas assez la thèse selon laquelle la mémoire de cette guerre nous est traumatique aussi pour cette raison in fine bien peu noble : la défaite et l’occupation) doublée d’un génocide, en grande partie fondé sur des questions de race. Auschwitz fut notre péché originel : commis par nos ancêtres, il nous hantera pour toujours, et nous devrons l’expier à jamais. Il nous hante surtout par son non-dit : la dimension ethnique du politique. C’est bien la Seconde Guerre mondiale et le nazisme qui constituent le spectre derrière le tabou, et non un supposé universalisme républicain (les républicains, y compris de gauche, ne s’embarrassaient pas de scrupules sur la question raciale à la fin du XIXe siècle). Or l’islamophobie, voire la laïcité, permettent à peu de frais de nommer un ennemi sans dire la vérité, par un effet d’association d’idée parfois inconscients, mais aussi parfois de manière délibérément tactique. La France subit un remplacement de population à grande échelle. Parmi les populations nouvellement arrivées, une grande partie est arabo-berbère. Les Arabo-Berbères sont, pense-t-on, musulmans. En ciblant l’islam, on ciblera les musulmans, et donc les Arabo-Berbères. L’islamophobie serait donc chez beaucoup un racisme caché, qui permet de s’offrir une conscience à peu de frais (une conscience, c’est-à-dire une respectabilité). Et c’est précisément cette source-là, et non une haine particulière pour la religion ou pour la morale en tant que telles (en témoignent l’islamophobie de populations chrétiennes, ou pratiquant une forme de décence commune populaire) qui permet le succès de l’idée islamophobe et sa diffusion rapide dans la population, à cause du malaise causé par une submersion populationnelle plus ou moins bien perçue.

Or l’islam n’est pas le problème, mais la victime d’un transfert. L’islam est en tant que telle une spiritualité respectable, qui a beaucoup emprunté au paganisme européen (néo-platonisme et aristotélisme principalement). Le cœur européen du christianisme est ce qu’il a hérité du paganisme européen : le droit romain, mais aussi la philosophie grecque, héritage partagé par l’islam, et qui permit un dialogue fécond entre ces deux religions (les controverses entre Thomas d’Aquin et Averroès en sont un exemple : ces échanges n’auraient pas été possibles sans un fond aristotélicien commun). Il y a un héritage européen de l’islam, qui permettrait en droit et pour une certaine conception de l’islam de le rendre compatible avec une authentique civilisation européenne (et donc pas avec l’Occident du capitalisme de la séduction).

L’autre grand problème de ce transfert est non seulement qu’il choisit une victime innocente, mais aussi qu’il oublie une grande partie de la donnée du problème. Une grande partie du grand remplacement de population et du déracinement universel n’est pas le fait de populations musulmanes, ni ne concerne des populations musulmanes, mais aussi des populations chrétiennes (populations d’Afrique Noire), hindoues, ou athées (lumpenprolétariat de banlieue).

Le problème subsistera donc tant que l’on refusera de poser le bon diagnostic. Le problème est double : il vient première de la violence du capitalisme mondialisé, qui déracine les peuples et donc les assassine, puis les immerge dans la décadence du capitalisme de la séduction. Il vient ensuite du brassage ethnique et, in fine, racial en Europe et ailleurs dans le monde. On ne gagne rien à ne pas nommer les problèmes, car on ne les règle pas et, pire encore, on sacrifie l’innocent et peut-être même, selon les circonstances, un allié et un ami. Mais la lucidité nécessite du courage car, dans le règne du faux universel, tout jugement vrai concourt à déstabiliser le système. Cela veut dire entrer dans une guerre quotidienne dont la lutte idéologique est l’une des modalités princeps.

Ulysse Girard

• D’abord mis en ligne sur Scriptoblog, le 4 décembre 2012, et repris sur Cercle non conforme, quatre jours plus tard.


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vendredi, 19 août 2011

Guillaume Faye and the Jews

Guillaume Faye & the Jews

By Michael O'Meara 

Ex: http://www.counter-currents.com/

Faye.jpgFew postwar thinkers in my view have played a greater role in ideologically resisting the forces assaulting Europe’s incomparable bioculture than Guillaume Faye. This was publicly evident at the international conference on “The White World’s Future” held in Moscow in June 2006, which he helped organize. It’s even more evident in the six books he’s written in the last seven years and in the innumerable articles, interviews, and conferences in which he’s alerted Europeans to the great challenges threatening their survival.

In this spirit he has developed an “archeofuturist” philosophy that takes its inspiration from the most primordial and Faustian urgings of our people’s spirit; he has incessantly warned of the threat posed by the Third World, specially Islamic, invasion of the former white homelands; he has promoted European collaboration with Russia and made the case for a white imperium stretching from Dublin to Vladivoskov; he privileges biopolitics over cultural or party politics; he’s developed a theory of the interregnum that explains why the existing system of subversion will soon collapse; and he’s successfully promoted anti-liberal ideas and values in a language and style that transcends the often ghettoized discourse of our movement. But despite his incomparable contribution to the forces of white resistance, he has always remained suspiciously silent on certain key issues, particularly regarding the Jews, the so-called Holocaust, and the interwar heritage of revolutionary nationalism — even though he is routinely referred to in the MSM as a fascist, a racist, and a negationist. On those few occasions he has spoken of Israel or the Jews, it has been to say that their cause is not ours and that we need to focus on the dangers bearing down on us. To this degree, his silence was tolerable. Recently, however, he’s broken this silence and taken a stance likely to alienate many of his supporters.

The occasion was an interview granted to the Zionist France-Echos — now posted at subversive.com. When asked in the interview about anti-Semitism in the “identitarian” movement he leads, Faye responded in explicitly philosemitic terms:

Anti-Judaism (a term preferable to anti-Semitism) has melted away like snow in the sun. There are, of course, pockets of resistance . . . . But this tendency is more and more isolated . . . because of the massive problem posed by Islamizaton and Third World immigration. In these circumstance, anti-Judaism has been forgotten, for the Jew no longer appears as a menace. In the milieux I frequent, I never read or hear of anti Jewish invectives. . . . [A]nti-Judaism is a political position that is obsolete, unhelpful, out of date, even when camouflaged as anti-Zionism. This is no longer the era of the Dreyfus Affair. Anti-Jews, moreover, are caught in an inescapable contradiction: they despise Jews, but claim they dominate the world, as if they were a superior race. This makes anti-Judaism a form of political schizophrenia, a sort of inverted philosemitism, an expression of resentment. One can’t, after all, detest what one aspires to . . . . My position is that of Nietzsche: To run down the Jews serves no purpose, it’s politically stupid and unproductive.

Besides ignoring the fact that Jewish influence has never been more dominant and more destructive of white existence, three questions are raised in this quote:

(1) Is it that the problems posed by immigration and Islam have trivialized those once associated with the Jews?

(2) Or is it that Islam and immigration reveal that the Jews are not (and never were) a problem, that the anti-Judaism of the Dreyfus era, like other historical expressions of anti-Judaism, was simply a product of a culture whose traditionalism or resentment “stupidly” demonized the Jew as the Other?

(3) Or is it that one can’t have two enemies at the same time, that the threat posed by Islamic immigration is greater than whatever threat the Jews might pose, making it strategically necessary to focus on the principal enemy and to relegate the other to a lesser degree of significance?

Faye tends to conflate these questions, leaving unsaid what needs to be said explicitly. He assumes, moreover, that the Islamic or Third World threat (both in the form of the present invasion and internationally) is somehow unrelated to the Jews. He acknowledges, of course, that certain Jews have been instrumental in promoting multiracialism and immigration. But the supposition here is that this is just a tendency on the part of certain Jews and that to think otherwise is to commit the error of seeing them in the way that “old-fashioned” anti-Semites once did. At first glance, his argument seems to be that of Jared Taylor and American Renaissance, being a tactical decision to take the path of least resistance (which many of us don’t support but nevertheless can live with). Faye, though, goes beyond Taylor, making claims about the Jews that will inevitably compromise our movement.

The anti-Islamism and philosemitism that Faye here combines reflect a deep ideological divide in French nationalist ranks. This divide is symptomatic of a larger schism that is rarely discussed by white nationalists, but has had worldwide ramification for our movement. Since 1945, when the anti-white forces of triumphant American liberalism and Russian Communism, in alliance with Zionism, achieved world hegemony, the hounded and tattered ranks of the nationalist right, in Europe and America, split into a number of divergent, if not contradictory tendencies. With the advent of the Cold War and the formation of the Israeli state, these tendencies tended to polarize around two camps. One tendency, including certain ex-Nazis, allied with postwar anti-Communism, viewing the Russian threat as the greater danger to Western Civilization. Given Israel’s strategic place in the Cold War alignment, these anti-Communists treated organized Zionism as an ally and downplayed the “anti-Semitism” that had traditionally been part of their anti-liberal nationalism. This tendency was opposed by another, which also included former Nazis, but it saw Russian Communism in terms of Stalin’s alleged anti-Semitism and nationalism. This led it to assume an anti-American, anti-Zionist, and pro-Third World position.

The legacy of this polarization continues to affect white nationalist ranks, even though elements of it have been jumbled and rearranged in recent years. As ideal types, however, neither tendency is completely supportable nor insupportable. White nationalism, I suspect, will succeed as a movement only in synthesizing the positive, pro-white elements in each tendency. For a long time, I thought Faye represented this synthesis, for he was both pro-Russian without being hysterically anti-American, anti-Third World without supporting the globalist super-structure dominating the “West.” More impressive still, his orientation was to a revolutionary, racially conscious, and archeofuturist concept of the European race that refused any accommodation to the existing regime.

Recently, however, his anti-Islamism seems to have morphed into a Zionism that cannot but trouble our movement. In the France-Echos interview he says in reference to his nationalist critics that it is nonsensical to call him a Zionist since he is not a Jew. But in the same breath he adds:

How could I be anti-Zionist . . . . Unlike Islamism, Communism, Leftism, human rights, and masochistic, post-conciliar Christianity, Zionism neither opposes nor restrains in any significant way the ideals I defend, that is, the preservation of [Europe's biocultural] identity. How would the disappearance of Israel serve my cause? For a European identitarian to think that the Hebrew state is an enemy is geopolitically stupid.

He goes on to argue that those who are viscerally anti-American and anti-Zionist are implicitly pro-Islam, pro-Arab, and immigrationist, allies in effect of the Left’s Third-Worldism. Pointing to Alain de Benoist’s GRECE, Christian Bouchet’s revolutionary nationalist movement, and those “Traditionalist” European converts to Islam, all of whom are fascinated by Iran’s new leadership and by Hezbollah, he claims, with some justice, that these anti-Zionists are in the process of abandoning their commitment to Europe.

Faye’s contention that Islam (the civilization) is a mortal threat to Europe is solidly grounded. While one might appreciate Amadinehjad’s critique of Zionist propaganda, especially as it takes the form of the Holocaust, or Nasrallah’s humbling of the IDF, to go from there to supporting Iran’s Islamic Republic or Islamic insurgents in general (think of the Paris Ramadan riots of November 2005) is, for white nationalists, a betrayal of another sort. Faye here acts as an important bulwark against those in our ranks who would leave it to others to fight our battles — others, if history is any guide, who won’t
hesitate to subjugate us once the opportunity arises.

Where Faye crosses the line in my view is in arguing that Jews ought to be considered part of European civilization, that the defense and reinforcement of the Israeli state is a vital imperative for Europe, and that Israel is the vanguard in the struggle against “our common enemy.” The collapse of Israel, he claims, would “open the door to the total conquest of Europe.” He concludes by declaring that he is no Judeophile. “I consider the Jews allies, as part of European civilization, with a very particular and original status as a people apart.” He rejects anti-Judaism “not because it is immoral, but because it is unuseful, divisive, infantile, politically inconsistent, out dated.” For ostensively strategic reasons, then, he rejects anti-Judaism.

It is not my intention here to critique Faye’s new-found Zionism (which I find insupportable) — that would require a format different from this report. It is also not my intention to put his other ideas in doubt, for I continue to believe that he has made an incomparable intellectual contribution to the cause of white resistance. I do, however, question how Faye can consider a non-European people like the Jews to be part of our biocivilization; how he can ignore the destructive role they have played in European and especially American history; how he can dismiss their role in fostering the anti-white forces of multiculturalism, globalism, and the existing regime; and how he can think that Israel is not a geopolitical liability to Europe and Russia?

Finally, I can’t help but recall an earlier occasion when Faye argued that our survival as a people depends on “ourselves alone” — and not on appeals to those whose interests are inevitably served at our expense.

From VNN, July 31, 2006


Article printed from Counter-Currents Publishing: http://www.counter-currents.com

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