Besonders die politische Linke sieht sich durch jeden derartigen Hinweis herausgefordert. Zu sehr rütteln diese wissenschaftlichen Erkenntnisse an der Utopie der Gleichheit aller Menschen.
Andreas Vonderach hat in seinem 2014 erschienen Buch Völkerpsychologie. Was uns unterscheidet Belege aus den verschiedenen wissenschaftlichen Fächern zusammengetragen. Diese umfassen vor allem die sogenannte Völkercharakterologie und die kulturvergleichende Psychologie, aber auch Hinweise aus dem Bereich der Linguistik, Soziobiologie und der Verhaltensgenetik.
Jedes Volk hat seinen Charakter
Zu den besten Büchern, die sich mit der Völkercharaktereologie beschäftigen, gehört Die Seelen der Völker. Ihre Eigenarten und Bedeutung im Völkerleben (1920) des deutsch-jüdischen Soziologen Elias Hurwicz. Aber auch die Werke von Willy Hellpach oder Friedrich Keiter sind von großer Bedeutung für die differentielle Völkercharakterologie im deutschsprachigen Raum. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor diese Fachrichtung allmählich an Bedeutung.
Bei allen völkercharakterologischen Ergebnissen kann es sich natürlich nur um Häufigkeits– und Mittelwerte des ganzen Volkes handeln, die nicht immer für Rückschlüsse auf das Individuum geeignet sind. Besonders deutlich erscheint nach der Analyse der Unterschied zwischen Nord– und Südeuropa. Temperament und Erregbarkeit, Kontakt– und Geselligkeitsbedürfnis sind im Mittelmeerraum am stärksten ausgeprägt und nehmen nach Norden hin ab. Die Nordeuropäer sind nach diesem Paradigma introvertierter, die Südeuropäer extrovertierter. Auch innerhalb der großen Völker gibt es einen starken Unterschied zwischen den Bewohnern des nördlichen und des südlichen Landesteils.
Nordisches Temperament in Mitteleuropa
Daneben existiert ein West-Ost-Gefälle innerhalb Europas. Während der Westen nüchterner und rationalistischer ist, besteht eine stärkere Emotionalität im Osten Europas. Die Deutschen nehmen innerhalb Europas eine Mittelstellung ein. Deutschland stellt – wie auch in anthropologischer Hinsicht – in Temperamentsfragen eine Ausbuchtung des nördlichen Temperaments nach Süden dar. Der Nordwesten Deutschlands steht in Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit den germanischen Ländern Skandinaviens in nichts nach.
Süd– und Mitteldeutschland sind laut dieser Studien beweglicher und kommunikativer als die Norddeutschen, während in Österreich bereits viel von südlicher Impulsivität vorhanden ist. Auch auf der West-Ost-Achse nehmen die Deutschen eine Mittelstellung ein. Während die Deutschen den Franzosen als zu oberflächlich erscheinen, gelten sie besonders bei den Russen als „gefühlslose Macher“.
Die kulturvergleichende Psychologie
In den 50er– und 60er-Jahren entstand in der Psychologie die Forschungsrichtung der kulturvergleichenden Psychologie. Geleitet wurde sie von der Frage, ob Verhaltensweisen, die durch psychologische Tests ermitteln wurden, auch außerhalb der westlichen Welt beobachtet werden können. Dabei blieb die kulturvergleichende Psychologie stark der Milieutheorie des amerikanisch-jüdischen Ethnologen und Sprachwissenschaftler Franz Boas verwurzelt, die jeden Unterschied im Verhalten von Menschen auf soziale und kulturelle Faktoren (Umwelteinflüsse) zurückführt und nicht auf eine genetische Grundlage stellt.
Ein Ansatz war die Überprüfung von Lebensweise und Kindererziehung. Nach Herbert Barry und Irvin Child gibt es einen solchen Zusammenhang tatsächlich. In bäuerlichen Gesellschaften wird tendenziell mehr auf soziale Harmonie, Kooperation und Verantwortung geachtet als in Jäger-und-Sammler-Gesellschaften. Die dazu verwendeten Daten sind heute in Form des Human Relation Area Files in digitaler Form verfügbar. Dadurch wird ersichtlich, dass Unterschieden zwischen den Völkern doch ein gewisser Wert beigemessen wird.
Spätfolgen des Krieges bis heute
Etwas später wurde versucht, die in der Persönlichkeitsforschung ermittelten Ergebnisse auf ganze Völker anzuwenden. Bei der verwendeten Methode der Faktorenanalyse werden mehrere Antworten in Persönlichkeitsfragebögen aufgrund von Korrelation untereinander zusammengefasst.
Die Extrempole nehmen Nigeria (als sehr schwach) und China (als sehr stark) ein. Angehörige westlicher Kulturen ordnen sind etwa im Mittelfeld dazwischen ein. Demnach sind Südeuropäer nicht extrovertierter als Nordeuropäer aber neurotischer. Besonders hoch sind die Werte bei Neurosen in Ländern, die den Zweiten Weltkrieg verloren haben oder im Krieg besetzt waren. Die Werte sinken mit der Zeit, sind aber bei den Verlierern heute noch immer höher als bei den Siegerstaaten.
Besonders bei außereuropäischen Völkern gibt es erhebliche methodische Problemen. Die Persönlichkeitsfragebögen lassen sich nur schwer wortgetreu in die jeweiligen Landessprachen übersetzen und auch die Stichproben sind oft nicht repräsentativ für die Bevölkerung. In Dritte-Welt-Ländern wurden besonders häufig Studenten als Testpersonen gewählt. Diese sind meistens sehr westlich geprägt, zudem besteht nur noch ein schwacher Bezug zur Kultur des Landes, was die Ergebnisse entsprechend verfälscht.
Das „Krieger-Gen“
Durch die zunehmende Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Zuge des Human Genome Project haben Wissenschaftler Genabschnitte gefunden, die besonders stark mit einem bestimmten Verhalten korrelieren. Interessant ist die genetische Entwicklung: Allein in den letzten 10.000 Jahren, also der Zeit nach der letzten Eiszeit, haben sich etwa sieben Prozent des Genoms verändert, besonders bei Europäern und Asiaten.
Ein Gen, das von großem Interesse ist, ist das MAOO-Gen. Seit den 90er-Jahren hat man starke Zusammenhänge zwischen dem Gen und aggressivem Verhalten gefunden. In der Folgezeit wurde es auch als „Krieger-Gen“ bekannt. Besonders häufig tritt es bei außereuropäischen Völkern auf.
Ernsthafte Wissenschaft im Zeitalter des Konstruktivismus
Genetik und Kultur stehen sich nur scheinbar gegenüber. Je stärker das genetisch bestimmte Verhaltensmuster eines Menschen dem Ideal seiner Kultur entspricht, desto höher ist auch der individuelle Fortpflanzungserfolg. Das Individuum gibt so seine besser angepassten Gene an seine Kinder weiter. Kulturen züchten sich über längere Zeiträume so auf ein bestimmtes Verhalten hin.
Der Linken all diese Argumente vorzulegen, die für starke Unterschiede zwischen Völkern sprechen, scheint aussichtslos, worauf Andreas Vonderach hinweist. Die Theorie des Konstruktivismus wertet jedes noch so methodisch einwandfrei gewonnene Ergebnis als Mittel zur Herrschaftslegitimation. Nahezu jedes Ergebnis lässt sich auf diese Weise „dekonstruieren“. Letztendlich wird Wissenschaft auf diese Weise politisch.
Vonderachs Buch bietet eine Fülle von Studien, die auf Unterschiede zwischen den einzelnen Völkern hinweisen. Wie auch schon in seinem Buch Sozialbiologie merkt man, dass Vonderach in seinem Themenbereich ein großes Wissen besitzt. Unter dieser Fülle an zusammengetragen Studien leidet allein die Übersichtlichkeit des Buches. Aufgrund einer reichhaltigen kommentierten Bibliographie zu den einzelnen Themen, ist es jedem selbst überlassen, sich in die ihn interessierenden Bereiche weiter hineinzuarbeiten.
Andreas Vonderach: Völkerpsychologie. Was uns unterscheidet. 448 Seiten, Verlag Antaios 2014. 29,00 Euro.