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mercredi, 08 décembre 2010

Washingtons geopolitischer Albtraum: China und Russland verstärken die wirtschaftliche Zusammenarbeit

Washingtons geopolitischer Albtraum: China und Russland verstärken die wirtschaftliche Zusammenarbeit

F. William Engdahl

Ex: http://info.kopp-verlag.de/

 

Jenseits aller fraktionellen Auseinandersetzungen, die im Kreml zwischen Putin und Medwedew geführt werden mögen, mehren sich in jüngster Zeit eindeutige Hinweise darauf, dass sich Peking und Moskau nach langem Zögern darauf orientieren, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken. Ausschlaggebend dafür mag auch die offenkundige Desintegration der USA als alleiniger Supermacht gewesen sein. Wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt, dann wird Washingtons schlimmster geopolitischer Albtraum wahr: Einigkeit zwischen den Staaten auf der eurasischen Landmasse, die gemeinsam in der Lage sind, die Hegemonie Amerikas als Wirtschaftsmacht herauszufordern.

 

 

Ein genauer Blick auf die Karte zeigt, warum die wirtschaftliche Kooperation zwischen Russland und China Washington Kopfschmerzen bereitet

 

Wie es in einem chinesischen Sprichwort heißt, leben wir in »interessanten Zeiten«. Gerade noch sah es so aus, als bewegte sich Moskau unter Präsident Medwedew stärker auf Washington zu: Medwedew hatte eingewilligt, den umstrittenen Verkauf von S-300-Raketenabwehrsystemen an den Iran auf Eis zu legen und schien einer Kooperation mit Washington über Fragen der NATO einschließlich eines möglichen Raketenschildes nicht abgeneigt. Doch jetzt haben sich Moskau und Peking auf eine ganze Reihe von Maßnahmen verständigt, die weitreichende geopolitische Auswirkungen haben können, nicht zuletzt auf die Zukunft Deutschlands und der Europäischen Union.

Nach Gesprächen auf höchster Ebene haben Chinas Premierminister Wen Jiabao und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin kürzlich in St. Petersburg öffentlich mehrere Projekte angekündigt, die in den westlichen Mainstream-Medien, die zurzeit von den Wikileaks-Skandalen geradezu besessen sind, relativ wenig Beachtung gefunden haben. Es war das siebte Mal in diesem Jahr, dass hochrangige Vertreter der beiden Länder zu Gesprächen zusammenkamen. Das allein ist schon ein Hinweis auf wichtige Entwicklungen.

Bisher gibt es kaum nennenswerte chinesische Investitionen in Russland, die wenigen Ausnahmen erfolgen zumeist in Form von Darlehen. Direkte und Portfolio-Investitionen in reale Projekte sind nach wie vor unbedeutend. Auch russische Investitionen in China sind bislang unbedeutend, doch das soll sich nun ändern. Mehrere russische Unternehmen sind bereits an der Börse in Hongkong gelistet; im Rahmen des Aufbaus gemeinsamer Technologieparks in Russland und China werden inzwischen eine Reihe russisch-chinesischer Hochtechnologie-Investitionsprojekte verfolgt.

Der Dollar wird fallengelassen

Unter anderem gaben die beiden Premierminister bekannt, man habe sich darauf geeinigt, im bilateralen Handel auf den Dollar zu verzichten und auf die eigenen Währungen zu setzen. Außerdem wurden potenziell weitreichende Vereinbarungen bezüglich Energie, Handel und die wirtschaftliche Modernisierung entlegener Regionen im Fernen Osten Russlands getroffen.

Chinesische Quellen berichteten in der russischen Presse, sie hielten diesen Schritt für Anzeichen engerer Beziehungen zwischen Peking und Moskau; der Dollar solle nicht infrage gestellt werden. Unbekümmert kündigte Putin an: »Wir haben beschlossen, bei der Abwicklung des Handels auf unsere eigenen Währungen zu setzen.« Der chinesische Yuan werde mittlerweile auf dem chinesischen Interbankenmarkt gegen russische Rubel gehandelt, während der Renminbi, der bis vor Kurzen noch als chinesische Inlandswährung nicht konvertibel war, laut Putin auch bald in Russland gegen den Rubel gehandelt werden könne.

Bisher war der gesamte Handel zwischen beiden Ländern in US-Dollar abgewickelt worden. Mit

Putin und Wen haben sich bei ihrem jüngsten Treffen auf mehr als nur die Rettung des Tigers geeinigt

Beginn der US-Finanzkrise 2007 und angesichts der extremen Volatilität des Dollar und des Euro hatten beide Länder nach Wegen gesucht, den Warenverkehr demnächst unabhängig vom Dollar abzuwickeln – mit möglicherweise weitreichenden Folgen für Letzteren. Um die Struktur des Handels zu optimieren und neue Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen, haben die beiden Länder die Chinesisch-Russische Handelskammer für Maschinenbau- und Elektronikprodukte eingerichtet. Das Greenwood-Welthandelszentrum, das von einem chinesischen Unternehmen gebaut wird, soll 2011 als Ausstellungs- und Handelszentrum für chinesische Produkte in Russland eröffnet werden und als öffentliches Forum zur Stärkung des nicht-staatlichen Handels zwischen Russland und China fungieren.

Der bilaterale Handel zwischen Russland und China wächst zurzeit kräftig. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres erreichte er ein Volumen von fast 35 Milliarden Euro, das bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um 45 Prozent. Insgesamt wird für das ganze Jahr ein Handelsvolumen von 45 Milliarden Euro erwartet, womit beinahe wieder das Niveau vor der Finanzkrise erreicht wird. Beide Seiten wollen den Handel in den kommenden Jahren deutlich ausweiten; in Russland gehen einige von einer Beinahe-Verdopplung in den nächsten drei Jahren aus.1 Deshalb hat die Frage, ob der Dollar dabei umgangen wird, einiges Gewicht. Wenn mehr Länder der Shanghai Cooperation Organization – der 2001 von Russland und China gegründeten Organisation aus sechs eurasischen Staaten – diesem Beispiel folgen, so würde der Dollar in seiner Rolle als Weltreservewährung erheblich geschwächt.

Seit der Dollar 1944 im Bretton-Woods-Abkommen als zentrale Währung des Welthandelssystems etabliert wurde, beruhte die Hegemonie der USA auf zwei unabdingbaren Säulen: erstens der militärischen Dominanz und zweitens der Rolle des Dollars als Weltreservewährung. Durch die Kombination von Militärmacht und strategischer Bedeutung des Dollar beim Handel mit Öl, anderen wichtigen Rohstoffen und im Finanzwesen allgemein war Washington in der Lage, die eigenen Kriege um die weltweite Vorherrschaft mit „dem Geld anderer Leute“ zu finanzieren.

Kooperation im Bereich Energie

Auch im Bereich internationaler Energie-Kooperation wurden interessante Abkommen unterzeichnet. Die beiden großen eurasischen Mächte Russland und China planen, den vom Dollar unabhängigen bilateralen Handel auf interessante Weise auszubauen, besonders im Bereich Energie, in dem China erhebliche Defizite und Russland ebenso erhebliche Überschüsse nicht nur an Öl und Gas aufzuweisen hat.

Beide Staaten wollen die Zusammenarbeit bei der Nutzung der Kernenergie ausbauen. zunächst sollen in China mit russischer Hilfe Kernkraftwerke gebaut und gemeinsame russisch-chinesische Projekte zur Urananreicherung entwickelt werden, die den Standards der Internationalen Atomenergiekommission entsprechen. In Drittländern soll Uran gefördert werden; außerdem soll in China ein ganzes Netz von Ölraffinerien gebaut und entwickelt werden. Das erste Projekt, das chinesische Kernkraftwerk Tianjin, ist bereits unter Dach und Fach. Vereinbart wurde der Kauf von zwei russischen Kernreaktoren für Tianjian, den modernsten Kernkraftwerk-Komplex in China.

Auch der Export russischer Kohle nach China wird voraussichtlich 2010 über 12 Millionen Tonnen erreichen und in Zukunft weiter steigen.

Chinesische Ölgesellschaften investieren in die Nachrüstung russischer Projekte zur Exploration, Entwicklung und Verarbeitung von Erdöl, in Joint Ventures mit staatlichen und privaten russischen Unternehmen. Die Inbetriebnahme einer russisch-chinesischen Pipeline ist für Ende 2010 geplant.

Noch nicht abgeschlossen sind Preisverhandlungen über russisches Gas, das nach China geliefert wird; doch auch hier wird in den nächsten Monaten eine Einigung erwartet. Russland verlangt für das von Gazprom gelieferte Gas denselben Preis, der auch europäischen Kunden in Rechnung gestellt wird; Peking fordert einen Preisnachlass.

Große Industrie-Entwicklungsprojekte

Auf der Liste stehen auch gemeinsame industrielle Investitionen in den entlegenen Regionen entlang der 4200 km langen Grenze zwischen Sibirien und dem Fernen Osten Russlands und der chinesischen Region Dungbei. Dort hatte die Sowjetunion in den 1950er und 1960er Jahren, vor dem Bruch mit China, Hunderte Fabriken der Leicht- und Schwerindustrie gebaut. Diese sind in der Zwischenzeit modernisiert und mit neuer chinesischer oder importierter Technik ausgerüstet worden, aber das solide industrielle Fundament aus der Sowjetära besteht noch. Dies wird nach Auskunft russischer Analysten zu regionaler Zusammenarbeit auf einem höheren technischen Niveau beitragen, besonders zwischen den Distrikten Chabarowsk und Primorye sowie den Regionen Chita und Irkutsk, dem Gebiet Transbaikal und ganz Sibirien sowie auf chinesischer Seite der Provinz Heilongjiang und anderen Provinzen.2

2009 haben sich China und Russland außerdem ein bis 2018 terminiertes Programm für die gemeinsame Entwicklung Sibiriens und des Fernen Ostens sowie den nordöstlichen Provinzen Chinas geeinigt. Es umfasst Dutzende von Kooperationen zwischen bestimmten Regionen zur Entwicklung von 158 Industrieanlagen im russisch-chinesischen Grenzgebiet, vor allem von Betrieben der Holzverarbeitung und der chemischen Industrie, beim Straßenbau, der sozialen Infrastruktur und Landwirtschaft sowie mehrere Projekte für den Export von Energie.

Die Russlandreise von Premierminister Wen folgte auf den dreitätigen China-Besuch des russischen Präsidenten Medwedew im September, bei dem dieser gemeinsam mit Präsident Hu Jintao das lange geplante grenzüberschreitende Pipeline-Projekt von Skoworodina in Ostsibirien nach Daqing in Nordost-China in Gang gebracht hatte. Ende 2010 wird erstmals russisches Öl nach China fließen, und zwar mit einer Rate von 300.000 Barrel pro Tag. Der im vergangenen Jahr geschlossene Liefervertrag hat eine Laufzeit von 20 Jahren und ein Volumen von 20 Milliarden Euro.

Russland strebt an, auf den schnell wachsenden asiatischen, besonders den chinesischen Energiemarkt vorzustoßen; Peking will die Energiesicherheit erhöhen, indem Quellen und Versorgungsrouten diversifiziert werden. Durch die neue Pipeline wird sich der Export von russischem Öl nach China, der bisher über eine langsame und teure Eisenbahnroute erfolgt, verdoppeln. Russland wird damit neben Saudi-Arabien und Angola zum dritten wichtigen Rohöl-Lieferanten für China – für beide Seiten ein wichtiger geopolitischer Gewinn.

Bei einer Pressekonferenz in St. Petersburg erklärte Premierminister Wen, die Partnerschaft zwischen Peking und Moskau habe eine »nie dagewesene Ebene« erreicht; er gelobte, dass beide Länder »nie zum Feind des anderen« werden sollten. Seit dem chinesisch-sowjetischen Bruch während des Kalten Krieges ist Washingtons Geopolitik darauf gerichtet, einen Keil zwischen die beiden Staaten zu treiben und damit ihren Einfluss über den weiten eurasischen Raum auszuhebeln.

Wie ich bereits in früheren Beiträgen betont habe, bleibt Russland allen wirtschaftlichen Problemen zum Trotz die einzige Macht, die gegenüber Washington über eine glaubwürdige nukleare Abschreckung verfügt. Davon ist die militärische Macht Chinas, die ja hauptsächlich zur Selbstverteidigung aufgebaut wurde, noch Jahre entfernt. Die einzige Wirtschaftsmacht, die die schwindende wirtschaftliche Macht der USA herausfordern kann, ist China. Offenbar hat man verstanden, wie gut sich beide ergänzen. Vielleicht wird Wikileaks demnächst peinliche Details über diese Zusammenarbeit »aufdecken«, die Washingtons geopolitischen Absichten entgegenkommen. Für den Augenblick jedoch bedeutet die wachsende Wirtschaftskooperation zwischen China und Russland für Washington den schlimmsten geopolitischen Albtraum, und das genau zu dem Zeitpunkt, wo der weltweite Einfluss Washingtons schwindet.


1 Sergei Luzyanin, Russian Chinese economic cooperation serves the longterm domestic goals, RIA Novosti, 26. November 2010, unter http://en.rian.ru/valdai_op/20101126/161505920.html

2 Ebenda

 

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