dimanche, 12 décembre 2010
Geopolitische Hintergründe der NATO Intervention im Kosovo
Archives - 2000
GEOPOLITISCHE HINTERGRÜNDE
DER NATO INTERVENTION IM KOSOVO
Serge TRIFKOVIC
Ex: http://trifkovic.mystite.com/
Aussage vor dem ständigen Komitee für auswärtige Angelegenheiten und internationalen Handel im kanadische Unterhaus, Ottawa, 17. Februar 2000
Der Krieg der Nato gegen Jugoslawien im Jahre 1999 markiert einen deutlichen Wendepunkt, nicht nur für Amerika und die NATO sondern auch für den gesamten Westen. Das Prinzip der nationalen Souveränität und sogar das Prinzip der Rechtstaatlichkeit wurde Namens einer angeblichen humanitären Ideologie untergraben. Tatsachen verdrehte man zu Erfindungen und sogar diese Erfindungen, die ausgegeben wurden um die eigene Handlungsweise zu rechtfertigen, erheben keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit mehr.
Traditionelle Systeme für den Schutz nationaler Freiheiten auf politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Ebene sind jetzt in Instrumente für deren Zerstörung umgewandelt worden. Aber weit entfernt davon, dass die westlichen Regierungseliten mit ihrem rücksichtslosen Durchsetzen der Ideologie einer multiethnischen Gesellschaft und internationalen Menschenrechten ihre Vitalität zeigen, könnte ihr Engreifen im Balkan möglicherweise der verstörende Ausdruck des kulturellen und moralischen Zerfalls eben dieser herrschenden Eliten sein. Ich werde darum meine Anmerkungen den Folgen des Krieges widmen, in Hinblick auf das sich bildende neue internationale System und die letztendliche Auswirkung auf die Sicherheit und Stabilität selbst der westlichen Welt.
Fast ein Jahrzehnt trennte Wüsten-Sturm von der Bombardierung aus humanitären Gründen. 1991 war der Vertrag von Maastricht unterzeichnet, und mit der Verlauf des restlichen Jahrzehnts hat die stückweise Usurpierung der traditionellen europäischen Souveränität durch ein Regime von kontrollierenden Körperschaften in Brüssel und nicht gewählten Beamten platzgegriffen, die sich mittlerweile dreist genug fühlen Osterreich vorschreiben zu können, wie es seine eigenen Angelegenheiten zu führen hätte. Auf dieser Seite des Ozeans (der Autor spricht in Ottawa. d. Übers.) Gab es die Einsetzung der NAFTA und 1995 brachte die Uruguay-Runde des GATT die WTO. Die neunziger Jahre waren somit ein Jahrzehnt in dem nach und nach die neue internationale Ordnung begründet wurde. Das Anschwärzen nationaler Souveränität hypnotisierte die Öffentlichkeit derart, dass sie dem Prozess der Demontage gerade der Institutionen applaudierten, die noch alleiniger Ausdruck der Hoffnung auf Volksvertretung waren. Der Prozess ist soweit fortgeschritten, dass Präsident Clinton behaupten kann (in: Ein gerechter und notwendiger Krieg, New York Times, 23. Mai 1999): Hätte die NATO Serbien nicht bombardiert, wäre sie selbst in Hinblick auf gerade die Werte, für die sie selbst steht, unglaubwürdig geworden.
Tatsächlich aber war der Krieg sowohl unrecht als auch unnötig. Aber das bemerkenswerte an Clintons Aussage lag darin, dass er vor aller Öffentlichkeit das internationale System, das seit dem Westfälischen Frieden (1648) besteht, für null und nichtig erklärt hat. Es war zwar ein unvollkommenes System, dass oftmals gebrochen wurde, es stellte aber die Grundlage für internationale Verständigung dar, an die sich lediglich einge wenige rote und schwarze Totalitaristen offenkundig nicht gehalten haben. Seit dem 24. März 1999 wird es mit der sich immer deutlicher abzeichnenden Clinton Doktrin ersetzt, die eine Blaupause der Breschnev Doktrin der eingeschränkten Souveränität darstellt und die seinerzeit die sowjetische Invasion in der Tschechoslowakei 1968 rechtfertigte. Wie sein sowjetischer Vorgänger gebrauchte Clinton eine abstrakte und weltanschaulich befrachtete Vorstellung - die der universellen Menschenrechte- als Vorwand für die Verletzung des Rechts und der Tradition. Die Clinton Doktrin hat ihre Wurzeln in der beiden Parteien eigenen Hybris der Washingoner aussenpolitischen "Elite", der ihr eigens Gebräu von ihrer Rolle als "letzter und alleiniger Supermacht" zu Kopf gestiegen ist. Rechtliche Formalitäten sind passé und moralische Vorstellungen - die in internationalen Angelegenheiten niemals sakrosankt sind - werden durch einen zynischen Gebrauch einer situationsgebundenen Moral ersetzt, je nach Lage der im Bezugsystem der Supermacht handelnden.
Nun ist also wieder imperiales Grossmachtdenken zurückgekehrt, aber in neuer Form. Alte Religion, Fahnen und nationale Rivalitäten spielen keine Rolle. Aber das starke Verlangen nach Aufregung [exitement] und Wichtigkeit, das die Briten bis nach Peking, Kabul und Khartum, die Franzosen nach Faschoda (s. Fussnote#1 d. Übers.) und Saigon, die Amerikaner nach Manila trieb ist jetzt wieder aufgetaucht. Das Resultat war, dass ein unabhängiges Land mit einem Krieg überzogen wurde, weil es sich weigerte, fremde Truppen auf seinem Boden zuzulassen. Alle anderen Rechtfertigungen sind nachträgliche Rationalisierungen. Die Mächte, die diesen Krieg geführt haben, haben es begünstigt und dazu aufgehetzt, dass eine ethnische Minderheit die Loslösung betreiben konnte, eine Loslösung, die, wenn sie einmal formal vollzogen ist, manch eine europäische Grenze in Frage stellen wird. In Hinblick auf jede andere europäische Nation würde diese Geschichte surreal klingen. Die Serben wurden jedoch so weitgehend dämonisiert, dass sie nicht mehr davon ausgehen können, dass man sie so wie andere behandelt.
Doch die Tatsache dass der Westen mit den Serben machen kann, was er will, erklärt noch nicht, warum er das tun soll. Es ist kaum Wert, dass man es widerlegt, und dennoch: Die fadenscheinigen Ausreden für eine Intervention. Humanitäre Gründe wurden angeführt. Aber was ist mit Kaschmir, Sudan, Uganda, Angola, Sierra Leone, Sri Lanka, Algerien? Feinsäuberlich auf Video aufgenommen und amanpourisiert [s. Fussnote#2 d. Übers.], jedes hätte zwölf Kosovos leicht aufgewogen. Natürlich gab es keinen Völkermord. Verglichen mit den Schlachtfeldern der Dritten Welt war das Kosovo ein unbedeutender Konflikt auf niedriger Ebene, etwas schmutziger vielleicht als in Nordirland vor einem Jahrzehnt, aber weit geringer als Kurdistan. Bis Juni 1999 gab es 2108 Opfer auf allen Seiten im Kosovo, in einer Provinz von über 2 Millionen Menschen. Es schneidet selbst im Vergleich zu Washington D. C. (Bevölkerung: 600 000) mit seinen 450 Selbstmorden besser ab. Leichen zählen ist unanständig, aber wenn man die Brutalität und ethnischen Säuberungen bedenkt, die von der NATO ignoriert oder, wie die 1995 in Kroatien oder die in der Osttürkei, sogar geduldet wurden, dann wird deutlich, dass es im Kosovo nicht um universale Prinzipien ging. In Washington gilt Abdullah Ocalan als Terrorist, aber die UCK sind Freiheitskämpfer.
Worum ging es dann? Die Stabilität der Region, wurde als nächstes behauptet. Wenn wir den Konflikt jetzt nicht stoppen, greift er auf Mazedonien, Griechenland, die Türkei und praktisch den ganzen Balkan über. Gefolgt von einem grossen Teil Eurpopas. Aber die Kur - Serbian solange bombardieren bis ein ethisch reines albanisches Kosovo unter den wohlwollenden Augen der NATO an die albanische UCK Drogen-Maffia übergeht - wird eine Kettenreaktion in der exkommunstischen Hälfte Europa auslösen.
Sein erstes Opfer wird die frühere jugoslawische Republik Mazedonien sein, in der die widerspenstige albanische Minderheit ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmacht. Wird denn das Modell Pristina nicht auch von den Ungarn in Rumänien, (die dort zahlreicher sind als Albaner im Kosovo), und in der Südslowakei gefordert werden? Was soll die Russen in der Ukraine, in Moldavien, in Lettland und im Norden Kasachstan davon abhalten sich dem anzuschliessen? Oder die Serben und Kroaten im chronisch instabilen Dayton - Bosnien? Und wenn schliesslich, die Albaner auf Grund ihrer Anzahl ihre Trennung bekommen, trifft dass selbe dann auch auf die Latinos in Südkalifornien oder Texas zu, sobald die ihre angelsächsischen Nachbarn zahlenmässig überwiegen und eine zweisprachige Staatlichkeit verlangen könnten die zu einer Wiedervereinigung mit Mexiko führen würde? Sollen Russland und China die Vereinigten Staaten mit Bombardierung drohen, wenn es nicht einlenkt?
Das was jetzt im Kosovo herausgekommen ist, stellt ein äusserst unvollkommenes Modell einer neuen Balkanordnung dar, das die Ambitionen aller ethnischen Gruppen des früheren Jugoslawiens, mit Ausnahme der Serben, zu befriedigen sucht. Das ist für alle Betroffenen eine zerstörerische Strategie. Auch wenn man sie jetzt mit Gewalt zum Gehorsam gezwungen hat, sollen die Serben bei der entstehenden künftigen Ordnung der Dinge nichts einzusetzen haben. Früher oder später werden sie darum kämpfen, den Kosovo zurück zugewinnen. Der Frieden von Karthago, den man heute Serbien auferlegt, wird für künftige Jahrzehnte zu chronischer Instabilität und Streit führen. Er wird den Westen auf dem Balkan in einen Morast verstricken und, sobald Mr. Clintons Nachfolger kein Interesse mehr daran haben, für die auf üblem Wege gewonnenen Erwerbungen ihrer Balkanverbündeten gerade zu stehen, garantiert einen neuen Krieg geben.
Die NATO hat jetzt gewonnen, aber der Westen hat verloren. Der Krieg hat genau die Prinzipien unterminiert, die den Westen ausmachen, nämlich, die Herrschaft des Rechts. Der Anspruch auf Menschenrechte kann weder für die Herrschaft des Rechts noch der Moral jemals die Grundlage bilden. Universelle Menschenrechte, die von ihrer Verwurzelung im jeweiligen Ort und der Zeit losgelöst sind, öffnen jedem Hauch einer Empörung und jeder Laune des Augenblicks darüber, wer gerade ein Opfer darstellt, den Weg. Die fehlgeleitete Bemühung, die NATO von einer Verteidigungs-gemeinschafft in eine Mini-U.N. zu verwandeln, mit selbstverfassten Verantworlichkeiten über das Gebiet seiner Vertragspartner hinaus, ist ein sicherer Weg zu weiteren Bosniens und Kosovos. Jetzt, da die Clintonistas und die NATO im Kosovo erfolgreich waren, können wir mit weiteren neuen und noch gefährlicheren Abenteuern anderswo rechnen. Aber beim nächsten Mal werden die Russen , die Chinesen, Inder und andere schlauer sein und uns nicht mehr die Sprüche über Freie Märkte und demokratische Menschenrechte abkaufen. Die Zukunft des Westens wäre in einem dann womöglich unvermeidlichen Konflikt unsicher.
Kanada sollte die Folgen eines solchen Kurses gut bedenken und um seinetwillen und den Frieden und die Stabilität der ganzen Welt seinen Mut zusammentun und Nein zum weltweiten Eingreifen sagen. Muss es wirklich in widerspruchsloser Unterwerfung zusehen, wie ein langdauerndes gefährliches militärisches Experiment gestartet wird, dass uns in einen wirklichen Krieg um Zentralasien hineinzieht? Soll es demnächst neue UCKs entlang Russlands islamischen Rand gegen "Völkermord" "verteidigen", darunter ethnische Gruppen deren Namen heute noch keine westliche Presse kennt und die eine Reihe guter Begründungen für eine Intervention hergeben könnten, gut genug, soll heissen so schlecht wie die der Kosovo-Albaner.
War Kanadas Geschichte als Teil des englischen Weltreiches so süss, dass es ein Herrschaftszentrum in Washington braucht, als Ersatz für das verlorene London? Fühlt sich Kanada bei der Wahrheit, die sich heute langsam herausschält, wohl, dass es über Krieg und Frieden weniger die Wahl hat, als in der Zeit, als es ein freies Dominion unter dem alten Statut von Westminster war? Denn ganz ohne Zweifel kann derKrieg, den die NATO im April und Mai 1999 geführt hat von etwas, das "die Allianz" genannt werden kann, weder beabsichtigt noch gewollt worden sein, wenn 1998 innerhalb des Ringes (der oberen Kommandoebene d. Übers.) der Einsatz von Gewalt ausgeheckt worden war.
Wert zu fragen wäre auch, wie diese Zurückstufung Kanadas und anderen NATO-Mitglieder auf den Status einer zweitrangigen imperialen Macht, einen von den Medien angeführten politischen Prozess in Gang setzt, der dazu führt, dass nationale Meinungsbildung- und Beschlussfassung, ausser einer rein formalen Einpeitschfunktion [Cheer-leader funktion], bedeutungslos werden. Es wäre auch zu fragen wie es dazu kommen konnte, dass das Hauptkriegsziel der Nato war "die Allianz zusammen zu halten", und welche Disziplinen damit gemeint waren und wie leicht und blutig sich das wiederholen lässt. Der moralische Alleinvertretungsanspruch der von den Befürwortern der Intervention als Ersatz für eine rationale Argumentation gegeben wurde kann nicht länger aufrechterhalten werden. Ein echter Zwiespalt in Hinblick auf unsere gemeinsame menschliche Verantwortung, sollte nicht dafür herzuhalten haben, um den Virus Imperialismus eines sich wiedererweiternden Westen zu reaktivieren. Je arroganter die neue Doktrin auftritt, um so grösser die Bereitschaft für die Wahrheit zu lügen. Die Fähigkeit etwas zu tun, unterstützt die moralische Selbstachtung, wenn wir den Gedanken von uns weisen können, dass wir weniger moralisch Handelnde als Verbraucher von vorgekauten Wahlmöglichkeiten sind. Am Aufgang des Jahrtausends leben wir in einem virtuellen Collosseum in dem exotische und finstere Unruhestifter nicht von Löwen sondern von mystischen Flugapparaten des Imperiums getötet werden. Während die Kandidaten für die Bestrafung - oder das Martyrium - in die Arena gestossen werden, reagieren viele der Bevölkerung im Westen auf die Show wie imperialen Konsumenten und nicht wie Bürger mit einem parlamentarischen Recht und einer demokratischen Verpflichtung, die Vorgänge zu hinterfragen. Mögen die Ergebnisse ihrer gegenwärtigen Untersuchungen erweisen, dass ich unrecht habe. Vielen Dank.
FUSSNOTEN DES UEBERSETZERS (Hartmut Gehrke-Tschudi)
FUSSNOTE #1: Faschoda: Stadt im Südsudan, am weissen Nil. 1898 war es der Schauplatz des Faschoda Konflikts der Frankreich und England an den Rand eines Krieges brachte und 1899 zum englisch-französischen Grenzabkommen führte, das die Grenze zwischen dem Sudan und franz. Kongo entlang der Wasserscheide des Kongo und Nil Beckens festlegte. Die Bildung einer englisch-französischen Entente 1904 veranlasste die Briten dazu, den Namen der Stadt in »Kodok« umzuändern, in der Hoffnung die Erinnerung an diesen Vorfall zu vertuschen.
FUSSNOTE #2: ein Sarkasmus des Autors, betr.: Christiane Amanpour die Leni Riefenstahl der USA, seit Golfkriegszeiten Kriegsberichterstatterin des CNN und Frau von US-Stabschef James Rubin. A. wollte wenige Wochen vor Kriegsbeginn in den Kosovo reisen, um für die westliche Wertegemeinschaft den "Beweis" zu bringen, dass dort ethn.Vertreibungen und Völkermord stattfinden. Die jugosl. Regierung erlaubte ihr aber nicht die Einreise. Sie hatte A. Art der manipulativen Berichterstattung schon kennengelernt und wollte der NATO keinen Vorwand zum Krieg geben.
00:05 Publié dans Affaires européennes, Géopolitique | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : géopolitique, kosovo, balkans, europe, affaires européennes, otan, europe balkanique, corridor 8, politique internationale, histoire | | del.icio.us | | Digg | Facebook
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