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samedi, 18 décembre 2010

Rob Riemens Kampf gegen Geert Wilders

Rob Riemens Kampf gegen Geert Wilders

Wie der holländische Geistesaristokrat Rob Riemen gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders und das Böse kämpft.
Rob%20Riemen.jpgDie moderne Kultur, so klagte einst der italienische Philosoph Julius Evola, beschränke sich nicht darauf, „die aktivistische Orientierung des Lebens abzuspiegeln“. Sie peitsche den menschlichen Aktivismus sogar noch auf, weil sie in ihm etwas sehe, „was sein soll, weil es gut ist, so zu sein“. Und er stellte fest, man sei heute an einem Punkt angelangt, „wo für diejenigen, die noch nicht ganz jene antiken Überlieferungen vergessen haben, auf denen unser wahrer Geistesadel beruhte, sich eine genaue Rechenschaftsablegung über die Lage unter Beziehung eines überlegenen Gesichtspunktes gebieterisch aufdrängt. Unsere ,moderne’ Welt erkennt nur mehr die zeitverhaftete Wirklichkeit an.

Jede transzendente Schau gilt ihr als ,überwunden’.“

So stand es 1933 in dem nationalkonservativen Hamburger Organ „Deutsches Volkstum“, das zuletzt als „Halbmonatsschrift für das Deutsche Geistesleben“ firmierte. Zwei Jahre später erkundete Evola (1898 – 1974) in seinem Hauptwerk „Revolte gegen die moderne Welt“ schon den Begriff des kriegerischen Adels. 1941 verkündete der abtrünnige Katholik „Die arische Lehre von Kampf und Sieg“ und setzte 1943 in „Grundrisse der faschistischen Rassenlehre“ Geistesadel und rassische Identität vollends in eins. Für den Mussolini-Freund war dies eher ein ins Sakrale gewendeter Archaismus als Hitlerei, dessen gedankliche Dürftigkeit er, der sich in besseren Traditionen des deutschen Kulturpessimismus zu Hause wähnte, distanziert gegenüber stand. Aber Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, verschlang Evolas esoterische Wirrnisse; sie waren mit den Verbrechen der Nazis zumindest kompatibel.

Um „Adel des Geistes“, wie es Rob Riemen, der Gründer des Tilburger Thinktanks Nexus, im Untertitel seines gleichnamigen Traktates tut, „ein vergessenes Ideal“ zu nennen, braucht es also schon eine gehörige Portion Geschichtsvergessenheit, Selbstbewusstsein oder Naivität. Vielleicht aber auch alles drei – und einen mächtigen Dekontaminator. In Riemens Fall übernimmt Thomas Mann die Rolle des Kammerjägers, ein Schriftsteller, den er so sehr bewundert, dass er von ihm gleich den Titel seines ganzen Buches übernimmt. „Adel des Geistes“ hießen auch die „Sechzehn Versuche zum Problem der Humanität“, mit denen Mann 1945 in Aufsätzen zu Goethe, Kleist, Wagner und Tolstoi einen Humanismus zu rehabilitieren versuchte, den Krieg und Nationalsozialismus ruiniert hatten.

Riemens Ehrgeiz ist dabei ebenso überhistorisch wie aktuell. Sein Traum von einem neuen, aus der Kontemplation wachsenden Geistesadel richtet sich gegen die Vergötzung animalischer Ideale, wie er sie in der heutigen Gesellschaft verkörpert sieht. „Alles ist erlaubt. Sinn ist etwas Unbekanntes; an seine Stelle tritt der Zweck. ,Spaß’ und ,Genuss’ ersetzen das Bewusstsein für Gut und Böse. Da das Bleibende nicht existiert, muss alles sofort passieren, neu und schnell sein.“ Für ihn gibt es keinen Zweifel: „Es ist dieser Nihilismus der Massengesellschaft, der die Kultur, das Bindegewebe der Gesellschaft, wie Krebs angreift und zerstört.“ Und so kämpft er, zum Teil mit Formulierungen, die geradewegs von Julius Evola stammen könnten, gegen den „Totalitarismus der Taliban“ und jedes Verständnis für die „gewalttätige mittelalterliche Theokratie“, die ihn hervorgebracht hat. Im Unterschied zu Evola jedoch verfolgt er einen strikt antifaschistischen Kurs.

In dem soeben erschienenen Essay „Die ewige Wiederkehr des Faschismus“ („De eeuwige terugkeer van het fascisme“, Uitgeverij Atlas) attackiert er den holländischen Rechtspopulisten Geert Wilders und dessen Freiheitspartei, mehr noch aber die Umstände, die die Wahlerfolge des Islamkritikers möglich gemacht haben. Er lamentiert über bürgerliche Parteien, die ihre Ideen verleugnen, über Intellektuelle, die sich dem Nihilismus hingeben, über Universitäten, die in ihrem Bildungsauftrag versagen, über die Gier der Wirtschaft und die Willfährigkeit der Medien. Kurz: das geistige Vakuum, in dem Faschismus gedeihen kann. Ein Wort, das für Wilders zu hoch gegriffen sein mag, gemessen an Riemens übrigen hochtönenden Entwürfen aber seinen Sinn hat.

Nichts von den Diagnosen, die er in „Adel des Geistes“ stellt, ist per se falsch – und trotzdem stimmt etwas Grundsätzliches mit ihnen nicht. Denn wenn die Rettung unseres Zeitalters in der Besinnung auf die Werte der Alten liegt, wie konnte Evola ihnen dann einen so offenkundig antihumanistischen Auftrag abgewinnen? Warum klingt, was Riemen zu sagen hat, so fatal nach zahnlos bundespräsidialen Sonntagspredigten und vatikanischem Geschwätz?

Rob Riemen, 1962 geboren, und damit ein Jahr älter als Geert Wilders, ist eine weltläufige Erscheinung. Sein 1994 drei Jahre nach dem „Nexus Journal“ gegründetes Amsterdamer Nexus Institut bringt, wie er erklärt, „führende Intellektuelle, Künstler, Diplomaten und andere Entscheidungsträger zusammen und lässt sie über die Fragen nachdenken und sprechen, die wirklich von Bedeutung sind. Wie sollen wir leben? Wie können wir unsere Zukunft gestalten? Können wir aus der Vergangenheit lernen? Welche Werte und Ideen sind wichtig?“

Die Abgründe, die Riemens dem Individuum und dem Gewissen verpflichteten Denken von Evolas heidnischem Kraut-und-Rüben-Gebräu trennen, sind schnell benannt. Der Gral, den Julius Evola 1934 in „Das Mysterium des Grals“ beschwor, ist ein anderer als derjenige, den Thomas Mann 1924 im „Zauberberg“ suchte und von dem Riemen schreibt, es sei „nicht der Kelch von Jesu Letztem Abendmahl, sondern ein Geheimnis, ein Rätsel. Es ist das ewige Geheimnis, das der Mensch für sich selbst ist, es sind die unbeantwortbaren Fragen des menschlichen Seins. Nur dann, wenn der Mensch diese ewigen Fragen seiner Existenz respektiert, bleibt er empfänglich für die lebensgebenden Werte und für die Bedeutungen, ohne die es keine menschliche Würde geben kann.“

Und doch gibt es zwischen Riemens aufklärerischem und Evolas antiaufklärerischem Denken, das unter Neonazis und Darkwave-Jüngern höchste Popularität genießt, Verbindendes, einen Ekel wider alles Massenkulturelle, der Evola in den sechziger Jahren zu einem einflussreichen Pasolini von rechts machte – und Riemen heute zum Zeremonienmeister einer hochkulturellen Selbstberuhigung. Er hat das Eremitische des Stefan-Georgelnden Männerbundes Castrum Peregrini in der Amsterdamer Herengracht öffentlichkeitswirksam beerbt.

Erst vor drei Wochen veranstaltete der studierte Theologe an der Tilburger Universität eine Konferenz über die Gespenster von Nationalismus, Antisemitismus und Populismus. Mario Vargas Llosa hielt die Eröffnungsrede. Im Juni mietete er das Amsterdamer Concertgebouw, um über „What is Next for the West? Superman meets Beethoven“ zu debattieren. Diesmal referierte sein Lehrmeister, der Universalgelehrte George Steiner, der der amerikanischen Originalausgabe von „Nobility Of Spirit“ ein Vorwort beisteuerte, das in der deutschen Ausgabe erstaunlicherweise fehlt. Und im vergangenen Februar lud er Daniel Barenboim ein, um über „Die Ethik der Ästhetik“ zu sprechen.

Unter Namen von Weltrang macht es Riemen nicht mehr. Darin liegt auch sein Talent als Fundraiser. Es gibt, wie die Liste der Sprecher und Autoren auf www.nexus-instituut.nl zeigt, wenig bedeutende Denker, die in den letzten Jahren nicht die Wege von Nexus gekreuzt hätten, insofern sie nicht unter Riemens Nihilismus-Verdikt fallen. Denn er sucht nach einem Geist, der in der Lage ist, die dunklen Triebkräfte der Gesellschaft zu zähmen, einer Bildung, die sie vor der Barbarei bewahrt, und einer Elite, die das als Entität imaginierte Böse in Schach hält. Es ist die Idee, politiklos Politik machen zu können.

Die Vorstellung, am künstlerischen Wesen könne die Welt genesen, hat am virtuosesten Friedrich Schiller in seinen „Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen“ formuliert. „Alle Verbesserung im Politischen soll von Veredlung des Charakters ausgehen“, heißt es mit Blick auf die Französische Revolution, „aber wie kann sich unter den Einflüssen einer barbarischen Staatsverfassung der Charakter veredeln? Man müsste also zu diesem Zwecke ein Werkzeug aufsuchen, welches der Staat nicht hergibt, und Quellen dazu eröffnen, die sich bei aller politischen Verderbnis rein und lauter erhalten.“ Und weiter: „Den Stoff zwar wird er von der Gegenwart nehmen, aber die Form von einer edleren Zeit, ja, jenseits aller Zeit, von der absoluten, unwandelbaren Einheit seines Wesens entlehnen.“

Der Mensch, sagt Rob Riemen mit Gracián, „ist ein Barbar, wenn er nicht über das einzige Wissen verfügt, das für seine Würde zählt: dass er sich in den Tugenden und geistigen Werten üben muss, die ein harmonisches Miteinander des Menschen ermöglichen.“

Es geht um „Erhebung aus dem, was der Mensch auch ist: eine blinde Kraft.“ Und er folgert: „Adel des Geistes ist das zeitlose Kulturideal.“ Das wiederum ist George Steiner, weichgespült – weil ohne das dialektische Bewusstsein, mit dem Steiner daran erinnert, dass „die Barbarei des 20. Jahrhunderts im Kernland der europäischen Kultur ausgebrochen“ sei. „Die Todeslager wurden nicht in der Wüste Gobi noch in Äquatorialafrika errichtet.“

Solange Riemen Geistesaristokratie nicht in einen sozialen Kontext stellt und dabei sicher auch Unverträglichkeiten entdeckt, solange führt das Ideal des großen Einzelnen nur zu einer überholten Idee von Märtyrertum. Es ist absurd, in Leone Ginzburg, dem Mitbegründer des Turiner Einaudi Verlags und Ehemann von Natalia Ginzburg, der 1944 im römischen Gefängnis Regina Coeli zu Tode gefoltert wurde, nur den sokratisch Wahrheitsliebenden zu sehen und nicht auch den liberalen Sozialisten, der mit dem Partito d’Azione eine Vorstellung davon hatte, wie Italien auszusehen hätte. Im Namen metaphysischer, von keinem postmodernen Zweifel angekränkelter Überzeugungen ignoriert Riemen das Wechselverhältnis von individueller Moral und Politik, immer auf dem Sprung heraus aus seiner Zeit, hin zu ewigen Werten, zur Natur der Dinge und zum Wesen des Menschen. Als wäre es nicht unsere vornehmste Aufgabe, gegen die Erfahrung, dass alles vermeintlich Unwandelbare eben doch auch ganz anders sein könnte, etwas Humanes zu definieren.

 

 

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