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vendredi, 01 mai 2015

Mishima entdecken

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Mishima entdecken

von Jens Strieder

Ex: http://www.blauenarzisse.de

Dieses Jahr wäre Yukio Mishima 90 Jahre alt geworden. Ein Sammelband beleuchtet die verschiedensten Facetten des japanischen Ausnahme-​Autors. Zweifelsohne: Mehr als ein Geheimtipp für Mishima-​Leser.

mishDDDD.jpgBereits vor fünf Jahren, kurz vor dem 40. Jahrestag seiner öffentlich inszenierten Selbstentleibung, erschien mit Yukio Mishima – Poesie, Performanz und Politik ein Sammelband. Er behandelt zentrale Themenkomplexe in dessen Werk.

Kein starrer, politischer Blick

Die behandelten Themen reichen von Mishimas Ästhetisierung und Poetisierung des Politischen über seine Beziehung zur traditionellen japanischen Dichtung und dem Theater bis hin zum performativen Charakter der eigenen Vita und der philosophischen Selbstkonzeption des Autors. Sämtliche Beiträge des Bandes stammen von Japanologen und ausgewiesenen Kennern der Materie.

Dieser Umstand hat positive und negative Seiten. Zum einen wird so ein allzu starrer Blick auf den politischen Werdegang Mishimas verhindert, zu dem häufig vor allem diejenigen neigen, die ausschließlich aus diesen Gründen mit dem Autor sympathisieren. Auf der anderen Seite führt die größere Distanz der Beiträger jedoch auch zu dem altbekannten akademischen Dünkel, der sich, ganz dem Zeitgeist verpflichtet, auch gern mal in moralisierenden Urteilen erschöpft.

Nichtsdestotrotz weisen die einzelnen Texte auf viele interessante Sachverhalte hin und untersuchen ihren jeweiligen Gegenstand mit großer Akribie. Christoph Held, der sich mit Mishimas kurzer Erzählung Yukoku, zu Deutsch Patriotismus, befasst, legt beispielsweise überzeugend dar, warum die politische Dimension der Geschichte in erster Linie als Teil ihrer ästhetischen Konstruktion zu verstehen ist. Mishima selbst sagte einmal, Yukoku sei keine politische Erzählung. Tatsächlich ging es Mishima wohl eher darum, den derart in Szene gesetzten Tod als höchsten Akt der Reinheit und ästhetischen Vervollkommnung in seinem Sinne darzustellen.

Verbindung von Geist und Tat

Sehr interessant ist auch ein Beitrag von Gerhard Bierwirth, der sich mit Mishimas Streben nach Anerkennung befasst und dabei Hegels Phänomenologie des Geistes im Hinterkopf hat. Dabei bestechen besonders seine Thesen zu Mishimas Konzeption der Verbindung von Geist und Tat hervor. Sie waren charakteristisch für den Japaner und er machte sie er auf verschiedene Weise für sich fruchtbar. In dem Beitrag Mishimas Seppuku als performatives Motiv bei Murakami und Shimada von Claudia Wünsche wird vor allem das Verhältnis der späteren japanischen Autorengeneration zu Mishima beleuchtet. Dass ein stark vom Westen geprägter Autor wie Haruki Murakami mit Mishima vergleichsweise wenig anzufangen weiß, dürfte auf der Hand liegen. Umso interessanter ist es zu sehen, wie die beiden Autoren die Person Mishimas in ihr Werk integrieren. Dies geschieht beispielsweise durch eindeutige Anspielungen. Hier wird aber auch deutlich, wie sehr Mishimas gesamtes Schaffen nach wie vor primär vor dem Hintergrund seines Todes und seiner letzten Lebensjahre betrachtet wird.

Nietzsche und Mishima

Zu dieser Zeit entstand seine nicht selten als Hauptwerk bezeichnete Roman-​Tetralogie Das Meer der Fruchtbarkeit. Auf den ersten Blick wenig originell mag der Beitrag des japanischen Sozialphilosophen Ken´ichi Mishima wirken. Gegenstand ist hier der Einfluss Nietzsches auf Mishima. Nun gibt es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etliche Autoren, die sich mit Nietzsche beschäftigten. Der Text enthält aber einige interessante und wichtige Erkenntnisse zu Mishimas Nietzsche-​Rezeption, die unter anderem maßgebend für seinen vitalistisch-​ästhetizistischen Heroismus war. Auch die Distanz zum eigenen zeitgenössischen kulturellen Umfeld teilten beide. Etwas trockener wird es bei Rebecca Maks Untersuchung von Die Stimmen der toten Helden, die sich mit der intermedialen Dualstruktur dieser Prosaerzählung befasst und primär Japanologen bzw. Literaturwissenschaftler interessieren dürfte.

Erfreulicherweise befindet sich die Erzählung auch im Anhang, so dass deutschsprachige Leser die Möglichkeit haben, einen weiteren, bisher nicht ins deutsche übertragenen Text Mishimas kennen zu lernen. Ohne Zweifel: Alle in diesem Band versammelten Texte lesenswert. Entscheidend ist dabei wohl, wo der Interessenschwerpunkt des jeweiligen Lesers liegt. Für begeisterte deutsche Mishima-​Leser ist der Band jedoch wohl unverzichtbar. Denn die bisher zu diesem Autor erschienene Sekundärliteratur ist kaum oder nur noch antiquarisch erhältlich.

Yukio Mishima – Poesie, Performanz & Politik. Iaponia Insula. Studien zu Kultur und Gesellschaft Japans Bd. 21. Iudicium Verlag 2010. 269 Seiten. 24 Euro.

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