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lundi, 11 avril 2016

Der Konflikt in Berg-​Karabach

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Der Konflikt in Berg-​Karabach

von Robin Classen

Ex: http://www.blauenarzisse.de

Lernajin Gharabagh, zu deutsch „gebirgiger schwarzer Garten“, heißt die Region Berg-​Karabach auf armenisch. Sie war schon immer recht inhomogen und jetzt kracht es dort erneut.

Die etwa 11.500 Quadratkilometer große Gebirgsregion wird heute von rund 147.000 christlichen Armeniern bewohnt, die die Region für einen unabhängigen Staat halten und auch als solchen führen.

Ebenso wie alle anderen Staaten der Weltgemeinschaft, die Vereinten Nationen und der Europarat hat auch Armenien die Region allerdings noch nicht als Staat anerkannt. Völkerrechtlich wird sie als stabilisiertes De-​facto-​Regime angesehen. 1991 stimmten bei einem Referendum jedenfalls gerade einmal 24 von 108.000 Wählern gegen die Unabhängigkeit. Um für seine Rechte einzutreten, hat sich die „Republik Bergkarabach“ mit den russisch gesteuerten Separatistenstaaten Abchasien, Südossetien und Transnistrien zur „Gemeinschaft der nicht-​anerkannten Staaten“ zusammengetan.

Der Berg-​Karabach-​Konflikt entlud sich bereits 1992 in einem Krieg

Und in der Tat kann die Region sich darauf berufen, schon zu Zeiten der Sowjetunion den Status eines autonomen Gebietes innegehabt zu haben. Nachdem der Sowjetbolschewismus 1990 zusammenbrach, entflammte ein Streit zwischen den frisch gebackenen Staaten Armenien und Aserbaidschan um die Zugehörigkeit der Region. Die Folge ab 1992: Zwei Jahre lang gab es Krieg. Bis zu 50.000 Menschen starben, 1,1 Millionen vornehmlich muslimische Aserbaidschaner wurden aus der Region vertrieben, in der heute wohlgemerkt nur noch 147.000 Menschen leben.

Morde an Zivilisten durch beide Seiten und grausames Vorgehen von Milizen säte Hass, der heute noch in den Köpfen festsitzt. Armenische Truppen eroberten zudem auch weitere Provinzen, weswegen die heutige Republik Bergkarabach mit 11.500 Quadratkilometern wesentlich größer als die autonome Sowjetprovinz ist, die nur 4.400 Quadratkilometer verwaltete. Bei den zusätzlich annektierten Provinzen handelt es sich um strategisch wichtige Grenzregionen zum Iran, aber vor allem zum Protektor und großen Bruder Armenien, der heute noch mit 20.000 Soldaten die Waffenstillstandslinien wehrhaft hält. Dies ist angesichts immer wieder auftretender Grenzscharmützel mit Toten auf beiden Seiten und immer wiederkehrenden Kriegsdrohungen auch bitter nötig.

Russland verhält sich vorbildlich

Aserbaidschan hat mehrfach betont, den Status Quo nicht zu akzeptieren und notfalls militärisch eine Wiedereingliederung in das eigene Staatsgebiet anzustreben. Dass es dazu noch nicht gekommen ist, liegt vornehmlich an der in diesem Konflikt wirklich als vorbildlich zu bezeichnenden Rolle Russlands, welches tendenziell eher auf armenischer Seite steht, aber bereits seit 25 Jahren regelmäßig als unparteiischer Vermittler mit beiden Seiten Abkommen und Lösungsmöglichkeiten ausgearbeitet hat. Die Türkei, bei den Armeniern vor allem durch den Völkermord am armenischen Volk in Verruf, stand seit jeher wenig verwunderlicher Weise auf Seiten des Bruder-​Turkvolks der Aserbaidschaner.

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Historisch gesehen verfügt die Region über eine ähnlich wechselhafte Zugehörigkeit wie die Krim oder Israel, welche bekanntlich ebenfalls regelmäßig für Schlagzeilen sorgen. Ethnokulturell homogen war Berg-​Karabach wohl noch nie. Wie ein roter Faden zieht sich allerdings eine mal mehr, mal minder starke Präsenz christlich-​armenischer Kultur und Menschen durch seine Geschichte. Ab dem 8. Jahrhundert war die Region allerdings von wechselnden islamischen Völkern besetzt, was sich auch in der Ansiedlung einer entsprechenden Bevölkerung niederschlug.

Nach dem Russisch-​Persischen-​Krieg gelangte die Region 1805 jedoch unter russische Herrschaft, was zur Wiederansiedlung zehntausender Armenien führte. Ähnliches geschah nach dem Völkermord in und der Vertreibung der Armenier aus der Türkei. Immer wieder waren die Siedlungsbewegungen beider Seiten mit gewaltsamen Spannungen verbunden, sodass die viel kritisierte Aussage des ehemaligen armenischen Präsidenten Robert Kotscharjan, Armenier und Aserbaidschaner seien „ethnisch inkompatibel“, gewissermaßen durchaus der Wahrheit entspricht.

Die schlimmsten Auseinandersetzungen seit dem Waffenstillstand von 1994

Das letzte Aufflammen des Konflikts liegt nicht weit zurück: Im Sommer 2014 starben einige Soldaten auf beiden Seiten wegen Scharmützeln an der Grenze. Doch was nun am 2. April in der Region geschah, könnte mehr als nur ein Strohfeuer sein. Wie aus dem Nichts griff Aserbaidschan mit Panzern, Hubschraubern und Artillerie an und tötete 18 armenische Soldaten und ein armenisches Kind. Armenien will daraufhin fünf aserbaidschanische Panzer zerstört haben. Es war die schwerste bewaffnete Auseinandersetzung seit dem Waffenstillstand von 1994.

Für einen länger andauernden militärischen Konflikt spricht diesmal auch die weltpolitische Gesamtlage. Insbesondere das nördlich gelegene Russland und die westlich an Armenien grenzende Türkei könnten diesmal versucht sein, einen Stellvertreterkrieg zu führen. Seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türken sind die Beziehungen zwischen Russen und Türken angespannt wie seit langen Zeiten nicht mehr. Russland hat Tausende Soldaten in Armenien stationiert, aber seit jeher auch einen guten Draht zu Aserbaidschan gehalten, was die zentrale Rolle als unparteiischer Verhandlungsführer erst ermöglichte.

Doch der Preis war hoch: Zwischen 2010 und 2015 sind laut WELT die aserbaidschanischen Rüstungsimporte um mehr als 200 Prozent gestiegen – und die stammen hauptsächlich aus Russland. Wozu diese Waffen dienen sollten, hätte dem Kreml klar sein müssen. Ein 200 Millionen Dollar Kredit zum Kauf von russischen Waffen an den in der Eurasischen Union organisierten Verbündeten Armenien sollte wohl das Gleichgewicht wahren, doch wer Waffen kauft, wird diese irgendwann auch einmal einsetzen wollen.

Der NATO-​Russland-​Konflikt könnte eskalieren

Aserbaidschan würde dabei wohl Erdogans Rückendeckung genießen: Man werde das Land „bis zum bitteren Ende“ unterstützen, tönte der Irre von Ankara. „Wenn die armenischen Provokationen andauern, starten wir eine umfassende Operation auf der ganzen Länge der Front und setzen alle unsere Waffen ein“, verlautbarte derweil Aserbaidschan. Da die „armenischen Provokationen“ ohnehin nur in der Propaganda Aserbaidschans existieren, ist ein solcher offener Krieg nicht völlig ausgeschlossen. Deutschland sollte sich derzeit an den regional erfahrenen Verhandlungspartner Russland halten, dessen Außenminister binnen weniger Stunden Aserbaidschan immerhin zu einer Feuerpause bewegen konnte.

Sollte es zum offenen Konflikt kommen, so wäre wohl wegen der NATO-​Geiselhaft eher mit einer einseitigen Positionierung pro Aserbaidschan zu rechnen. Dies würde den Kalten Krieg mit Russland auf eine neue Stufe heben, denn Armenien ist nicht nur in dessen Eurasischer Union organisiert, sondern auch in der russisch dominierten „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“. Außerdem unterhält Russland in Armenien eine Militärbasis mit etwa 5.000 Soldaten.

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