samedi, 02 mars 2013
Das Verhältnis von Demokraten und Republikanern
Das Verhältnis von Demokraten und Republikanern
Eine Nachlese zu den Wahlen in den USA
Von Lothar Höbelt
Die Berichterstattung der österreichischen Medien über US-Wahlen zu verfolgen, ist stets instruktiv. Denn sie ist hervorragend dazu geeignet, dem Leser ein gewisses Gefühl dafür zu vermitteln, wie es auf der anderen Seite des Atlantik zugegangen sein muss, wenn dort allerlei dämliche Klischees über Waldheim oder Haider verbreitet wurden. Wobei es in beiden Fällen natürlich wenig verwunderlich ist, dass linksgestrickte Journalisten an diesen Etüden ihre Freude haben, sondern dass es leider immer wieder auch Konservative gibt, die auf derlei Tatarennachrichten hereinfallen.
Von einer Niederlage der Republikaner bei den jüngsten Wahlen kann man gerade nach europäischen Kriterien kaum sprechen: Sie haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus gehalten und bei den Präsidentschaftswahlen den Abstand auf Obama halbiert (von 7,3 % auf 3,7 %). Allem Anschein nach war der Sieg Obamas gerade in den entscheidenden Staaten nie in Gefahr, der Mobilisierungseffekt eines angeblichen Kopf-an-Kopf-Rennens hingegen durchaus willkommen.[1] Zweifelsohne stellte die Flutkatastrophe in den letzten Tagen vor der Wahl die Opposition vor ein Dilemma (ähnlich wie 2002 bei Stoiber in der BRD), dürfte aber wohl doch nicht entscheidend gewesen sein.
In grundsätzlichen Fragen, was z.B. die Fragen der Gesundheitsreform oder generell das Verhältnis von Staat und Wirtschaft betrifft, steht eine Mehrheit der Bevölkerung den Auffassungen der Republikaner näher als denen der Demokraten. Dennoch wäre ein Sieg über den Amtsinhaber eine Abweichung von der Norm gewesen, wie sie seit über hundert Jahren mit der Ausnahme des Jahres 1932 – als an der Talsohle der Weltwirtschaftskrise Franklin D. Roosevelt den Republikaner Hoover besiegte – immer nur dann vorgekommen ist, wenn das Antreten eines populären dritten Kandidaten den Amtsinhaber in einen Zweifrontenkrieg verwickelte, so z. B. Ross Perot 1992 gegen George Bush sen. oder Anderson 1980 gegen Jimmy Carter. Auch Gore verlor 2000 nicht zuletzt wegen der knapp über 1 % für den Grünen Ralph Nader, die ihm in der Endabrechnung fehlten.
Geändert hat sich die Ausgangsposition seit dem Jahre 2000 allerdings in einer Beziehung: Damals errang George Bush jr. mit einer Minderheit der Wählerstimmen die Mehrheit der Wahlmännerstimmen. Inzwischen hat sich die Wahlarithmetik zugunsten der Demokraten verschoben: Bei einem Gleichstand der Stimmen hätten die Republikaner zwar Florida, Ohio und vielleicht Virginia dazugewonnen, wären mit 266 zu 272 (oder ohne Virginia sogar nur 253 zu 285) im Wahlmännerkollegium aber immer noch in der Minderheit geblieben. Genauso hätte das Ergebnis bei einem Stimmengleichstand auch schon 2008 ausgesehen. Diese Konstanz der Resultate in den Einzelstaaten kann auch als Indiz dafür gelten, dass die amerikanische Politik nach den Umwälzungen, dem „re-alignment“ der sechziger bis neunziger Jahre zu einer neuen Stabilität gefunden hat. Der Bewegungskrieg ist in einen Stellungskrieg übergegangen.
Eine Art von Europäisierung der US-Innenpolitik
Regional haben die beiden Parteien inzwischen nahezu die Plätze getauscht: Der bis zu den sechziger Jahren von den Demokraten nahezu in der Art eines Ein-Parteien-Systems dominierte Süden wird inzwischen (bis auf das Umland von Washington und Miami) eindeutig von den Republikanern beherrscht, die umgekehrt ihre letzten Rückzugsgebiete im Nordosten verloren haben, und die Westküste, vor allem Reagans (und Schwarzeneggers) Kalifornien.
Galt noch in den achtziger und neunziger Jahren das Rennen in vielen Staaten als offen (vor allem, wenn die Demokraten einen Südstaatler aufstellten, wie Carter oder Clinton), so hat sich die Anzahl dieser „swing states“ seit der Jahrtausendwende radikal verringert: Es geht im Wesentlichen immer um Florida, Ohio und Virginia, welche die Republikaner gewinnen müssen, um insgesamt zu gewinnen, dazu mindestens einen von zwei oder drei kleineren Staaten im Westen (New Mexico, Colorado oder Nevada). Im Rest des Landes liegen die Verhältnisse ziemlich klar: Es wäre für beide Seiten verlorene Liebesmüh, dort größere Anstrengungen zu unternehmen. Obamas Wahlkampfmanager haben es verstanden, gerade in den entscheidenden Staaten gezielt gewisse Wählergruppen anzusprechen. Die Republikaner hingegen erzielen immer größere Mehrheiten im Süden oder Westen, wo sie ihnen aber keine zusätzlichen Wahlmännerstimmen einbringen.
Ethnien und Einkommen
Romney hat im Vergleich zu 2008 den Vorsprung bei weißen Männern noch ausgebaut, und zwar auf 62 %. Schwarze Frauen votierten dagegen zu 96 % für Obama. Auch bei der Jugend hat Romney aufgeholt, ist dafür aber – was vielfach als Alarmsignal gewertet wurde – bei Hispanics und Asiaten von rund einem Drittel auf ca. ein Viertel der Stimmen zurückgefallen. Interessant ist die Verteilung nach Einkommensgruppen: Obama führt erwartungsgemäß mit fast zwei zu eins beim ärmsten Fünftel der Bevölkerung. Zwischen Mittelklasse (bis zu einem Jahreseinkommen von 200.000 Dollar, auf österreichische Verhältnisse umgerechnet also einem Monatseinkommen von ca. 12.000 Euro brutto pro Familie) und Oberschicht (7 % der Wähler) besteht jedoch kein signifikanter statistischer Unterschied mehr. Man könnte diesen Trend zu einer vergleichsweise linksbürgerlichen Haltung gerade der oberen Einkommens- und Bildungsschichten auch als einen Schritt auf dem Weg zu einer „Europäisierung“ der amerikanischen Politik bezeichnen.
Ähnlich gelagert, aber mit unterschiedlichen Themen besetzt ist ein Dilemma, das europäischen Mitte-Rechts-Parteien nur zu geläufig ist. In Europa vermögen die traditionellen bürgerlichen Standardparteien christdemokratischer Provenienz meist nur dann ausreichende Mehrheiten hinter sich zu vergattern, wenn sie auch die so genannten rechtspopulistischen Bewegungen mit ins Boot holen. (Das einzige große Land, das keine solche Bewegung aufweist, nämlich die BRD, weist daher auch – selbst bei den für Merkel erfolgreichen letzten Bundestagswahlen – eine strukturell linke Mehrheit auf.)
Probleme der Einwanderung
In Amerika ist die Zuwanderungsproblematik anders gelagert: Natürlich gibt es eine solche Debatte, doch die ca. 13 % Schwarzen in den USA, die in erster Linie als Problemgruppe wahrgenommen werden, sind ja eben gerade nicht das Resultat rezenter Immigration, sondern des Sklavenhandels des 18. Jahrhunderts. Die Asiaten (mit allerdings nur 3 % der Bevölkerung) sind eine wirtschaftlich höchst erfolgreiche Gruppe mit tendenziell konservativer Ausrichtung. Die eigentlichen Immigranten, die Hispanics (10 %), meist Mexikaner, stehen auf dem Arbeitsmarkt wiederum oft in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zu den Schwarzen.
Pointiert gesagt, besteht die Attraktivität des Multi-Kulti-Angebots für die USA weniger in ideologischen Vorgaben, sondern mehr darin, die schwer zu überwindende Polarisierung zwischen Weiß und Schwarz, wie sie sich eben auch im Wahlverhalten niederschlägt, zu relativieren. Oder anders ausgedrückt: Hispanics nehmen als politische Zielgruppe in den USA ungefähr jene Stellung ein, wie Zuwanderer mit christlich-europäischem Hintergrund (z. B. Kroaten oder Serben) in Österreich. Hispanics spielen eine große Rolle in den beiden größten Staaten: Kalifornien und Texas – doch die sind beide parteipolitisch in festen Händen; zunehmend umworben sind die Hispanics in den swing-states Florida (wo es sich vielfach um Kubaner handelt) und New Mexico (wo es sich z.T. nicht um Einwanderer handelt, sondern um Nachfahren der Spanier, die schon lange vor den Angelsachsen dorthin kamen).
Die religiöse Rechte
Den rechtspopulistischen – und in gewissem Sinne identitären – Faktor stellt in den USA vielmehr die sogenannte religiöse Rechte der freikirchlichen oder „wiedergeborenen“ Protestanten dar, die laut Demoskopie zwischen 25 und 35 % der Wähler umfasst. Dieser Prozentsatz reicht in der Regel aus, die Vorwahlen der Republikaner zu dominieren, nicht aber, Mehrheiten im Lande insgesamt zu gewinnen, auch wenn zwischen dem religiösen Engagement und der marktwirtschaftlichen Einstellung in den USA weniger Barrieren bestehen als im tendenziell antikapitalistisch geprägten katholisch-christlichsozialen Milieu Europas. Die „beherrschenden Höhen“ der Wirtschaft und die „starken Bataillone“ der „Fundamentalisten“ unter einen Hut zu bringen, ist dennoch alles andere als einfach.
Die „Tea Party“-Bewegung stellt inhaltlich und intellektuell eine Verbreiterung der oft einseitig auf die Abtreibungsfrage ausgerichteten religiösen Rechten dar, wirkt dafür allerdings vielfach sozial exklusiver. (Ein Kuriosum stellt es dar, dass über die Abtreibungsfrage, den Lackmus-Test der religiösen Rechten, ohnehin nie in der Legislative entschieden wurde, sondern immer nur in der Judikatur.) Obamas Erfolg beruhte schon 2008 nicht zuletzt darauf, ein ähnliches Dilemma vermieden zu haben: Für den linken, so genannten „Regenbogen“-Flügel der Demokraten genügte allein schon die Aussicht, erstmals einen Schwarzen zum Präsidenten zu wählen; der Kandidat selbst konnte sich im Wahlkampf daher erstaunlich moderat und vertrauenserweckend geben.
Ein Problem im Sinne eines Zielkonflikts stellt für die Republikaner hingegen als Legat der Bush-Jahre die Versuchung dar, über die Außenpolitik die Patriotismus-Karte ins Spiel zu bringen, obwohl sie zur Vorstellung des Rückbaues des Interventionsstaates im Widerspruch steht und obwohl Außenpolitik nur für 5 % der Amerikaner im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielte. In diesem Sinn sind auch einige der Überspanntheiten, wie sie z. B. über Präventivschläge gegen den Iran verbreitet wurden, vielleicht weniger ernst zu nehmen und mehr als Verbeugung vor spezifischen Lobbies gedacht denn als tatsächliche Handlungsanleitung.
Der leise Wahlkampf im Internet
Eine letzte Bemerkung hat sich auch die Wahlkampftechnik verdient: Das Internet als Medium gilt in Europa vielfach als Geheimwaffe der Außenseiter bzw. der „schweigenden Mehrheit“, die in den Medien unterrepräsentiert ist und sich hier ein Ventil zu verschaffen vermag. Die USA haben vorexerziert, dass sich dieses Medium durchaus auch gezielt zum Einsatz durch die Profis eignet. Viele Botschaften eignen sich nämlich nicht oder nur schlecht dazu, flächendeckend über TV-Diskussionen oder Parteitage verbreitet zu werden, weil sie zuviel Widerspruch auslösen. Traditionelle Wahlkampfveranstaltungen haben eben immer auch den Nachteil, auch den Gegner zu mobilisieren, der im Idealfall ja gar nicht merken soll, dass hier überhaupt ein Wahlkampf stattfindet.
Bei einer Wahlbeteiligung von 50–60 % geht es darum, die eigenen Anhänger zu den Urnen zu rufen, die Gegner aber in Ruhe schlafen zu lassen. Dafür bietet sich – die entsprechenden, z. B. durch Fragebögen gewonnenen Unterlagen vorausgesetzt – ein Wahlkampfstil an, der gezielt gewisse Wählergruppen mit eigens auf sie zugeschnittenen Mails und Botschaften versorgt, die noch dazu den Anschein erwecken, nicht von den Parteien zu stammen, sondern von Interessensverbänden oder „besorgten Bürgern“. Auch die Kosten für diese arbeitsintensiven Operationen können von „Political Action Committees“ getragen werden, die weniger Beschränkungen unterworfen sind als die Wahlkampfbüros selbst.
Parteien in europäischen Ländern nützen diese amerikanischen Erfahrungen bereits für ihre eigenen Wahlkämpfe.
Anmerkung
[1] Vgl. dazu Sieglinde Rosenberger / Gilg Seeber, Kopf an Kopf – Meinungsforschung im Medienwahlkampf, Czernin Verlag, Wien 2003. Buchbesprechung in den Genius-Lesestücken Folge 2/2004, Seite 125.
00:05 Publié dans Actualité, Politique | Lien permanent | Commentaires (0) | Tags : états-unis, politique internationale, actualité, politique, démocrates, républicains | | del.icio.us | | Digg | Facebook
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