Ok

En poursuivant votre navigation sur ce site, vous acceptez l'utilisation de cookies. Ces derniers assurent le bon fonctionnement de nos services. En savoir plus.

dimanche, 01 décembre 2013

Ungarn wie einst Österreich gemobbt

Viktor-Orban.jpg

Ungarn wie einst Österreich gemobbt

Regierungschef Viktor Orbán gilt als undemokratisch, dabei ist er vor allem unkonventionell

Rainer Liesing

Ex: http://www.preussisch-allgemeine.de

Mit unkonventionellen Mitteln bricht der nationalkonservative Regierungschef Viktor Orbán postkommunistisch-oligarchische Strukturen auf und reformiert das von den Sozialisten an den Rand des wirtschaftlichen Kollapses geführte Land. Hierbei macht er sich viele Feinde, vor allem im Westen.

Ungarn ist in den Augen Gordon Bajnais, Chef der linken Plattform „Gemeinsam“ (Együtt), „kein normaler prosperierender europäischer Staat“. An dieser Feststellung ist kaum etwas auszusetzen. Bajnai hätte nur auch dazu sagen sollen, dass er als Minister im Kabinett des Sozialisten Ferenc Gyurcsány (Ministerpräsident von 2004 bis 2009) am wirtschaftlichen Niedergang seines nach dem kommunistischen Systemkollaps einen Spitzenplatz unter allen vormaligen Ostblock-Staaten einnehmenden Landes kräftig mitgewirkt hat. Und obwohl er als Kurzzeit-Regierungschef (2009–2010) erste Reformschritte einzuleiten versuchte, konnte Ungarns Staatsbankrott nur durch einen von ihm aufgenommenen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) verhindert werden. Diesen Kredit hat Bajnais Nachfolger Viktor Orbán nicht nur nicht verlängert, weil er für sein Land die IWF-Bedingungen nicht akzeptierte; er ist nahezu zurückgezahlt. Unter Orbán, der das Land, gestützt auf eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit, seit 2010 regiert, hat sich Ungarns Staatsverschuldung von 82 auf unter 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verringert. Ebenso wie das Aufbrechen postkommunistisch-oligarchischer Strukturen, Teil derer Bajnai und Gyurcsány sind, war dies nur mit nach EU-Maßstäben reichlich unkonventionellen Mitteln möglich.


Was Bajnai als „Machthunger“ Orbáns bezeichnet, dem er vorwirft, „demokratische Kernwerte“ aufgegeben zu haben, ist im Lande selbst und außerhalb wohlfeil. Gegen Orbáns Ungarn wettern die meisten Medien sowie politisch korrekte Politiker. Längst sind es nicht mehr nur Sozialdemokraten, Liberale und Grüne; auch Unions-Politiker stimmen ein, selbst die deutsche Kanzlerin: Ungarn müsse „dort, wo Gesetze oder Verfassungsänderungen nicht im Einklang mit EU-Verträgen stehen, Veränderungen vornehmen“. Wie andere EU-Choristen kennt Merkel offenbar nicht den Befund des Verfassungsrechtlers und ehemaligen CDU-Ministers Rupert Scholz. Dieser bezeichnete die Verfassung als  „nach objektiven Kriterien eine moderne, in vielen Punkten sogar vorbildliche“.


Fidesz, Orbáns Partei, ist Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören. Orbán aber ist vor allem ein ungarischer Patriot, kein „netter Junge“, wie er betont: Die Wähler hätten ihn „nicht beauftragt, Mainstream-Politik zu betreiben“, er müsse „Ungarn mit den schwierigsten Fragen konfrontieren und für diese Lösungen anbieten“. Doch mit Vaterlandsliebe eckt man an. Dass er sich mit  Martin Schulz (SPD) im EU-Parlament Wortgefechte liefert, spricht eher für den Ungarn. Dass allerdings auch Justizkommissarin Viviane Reding aus der EVP-Familie Artikel 7 des EU-Vertrags ins Spiel bringt, ist ernst zu nehmen. Demgemäß kann ein Mitgliedsland mit Sanktionen bis zum Stimmrechtsentzug belegt werden, wenn es „gegen demokratische Grundsätze verstößt“. Das erinnert fatal an das Vorgehen gegen die „falsche“ Wahl in Österreich anno 2000.


Orbán werden diktatorische Züge angedichtet. Er gängle die Medien, behaupten seine Kritiker. Doch dass ein Umbau der von ausländischen Verlagshäusern und hoch verschuldeten „Staatssendern“ dominierten ungarischen Medienlandschaft vonnöten ist, können nicht einmal die Sozialisten ernstlich bestreiten.


Was macht ihn noch verdächtig? Dass in der Verfassungspräambel die „Heilige Krone“ Stephans I. als Symbol der Wahrung der historischen Kontinuität der Nation verehrt und der „Segen Gottes“ für deren Gedeih erfleht wird? Ungarn gehört damit zu jenen wenigen Ländern in Europa, die einen Gottesbezug in der Verfassung haben – der übrigens wörtlich aus seiner Nationalhymne entlehnt ist. Auch das „Nationale Glaubensbekenntnis“ ist keineswegs „antieuropäisch“, sondern betont – fern jedweden territorialen Verlangens – die Verantwortung für die etwa 3,5 Millionen Magyaren außerhalb der Landesgrenzen: „Die Nation muss – im kulturellen und geistigen Sinne – über Grenzen hinweg vereint werden, nicht durch die Bewegung von Grenzen“, pflegt Orbán zu entgegnen. Das Bekenntnis zur Familie sorgt für Unmut, weil die neue Verfassung die Gleichstellung der Ehe mit gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften ausschließt. Dass die Verfassung ohne Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde, hat sie mit dem deutschen Grundgesetz oder der US-Verfassung gemein. Dass das ungarische wie andere Verfassungsgerichte nicht über ähnliche Kompetenzen wie jenes in Karlsruhe verfügen, ist in Europa nicht ungewöhnlich; Großbritannien und Schweden haben gar kein Verfassungsgericht. Und in Österreich wurde der Verfassungsgerichtshof oft genug durch SPÖ-ÖVP-Gesetze im Verfassungsrang ausgehebelt – ohne dass Brüssel daran Anstoß genommen hätte.


Die Orbán-Beschimpfung wird weitergehen. Derweil lässt sich die Autoindustrie weiter von Fakten leiten statt von Vorurteilen: Audi betreibt in Gyor das weltgrößte Pkw-Motorenwerk. Mercedes begann 2012 mit der Produktion seiner B-Klasse in Kecskemét, in diesem Jahr ist das neue Coupé CLA dazugekommen. Und aus Szentgotthárd sollen von 2014 an 600000 statt wie bisher 300000 Opel-Motoren jährlich kommen. Erstmals wächst die Wirtschaftsleistung Ungarns wieder, und das Haushaltsdefizit wird schon im zweiten Jahr weit unter den drei Prozent nach Maastricht gehalten. Anderen EU-Staaten, in Sonderheit jenen der maroden Südschiene, geht das ab.  

Rainer Liesing