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Dr. Kersten Radzimanowski |
Dr. Kersten Radzimanowski wurde 1948 in Altlandsberg, Kreis Niederbarnim, geboren, war nach dem NVA-Grundwehrdienst ab 1969 Volontär und später Redakteur bei der Neuen Zeit. Ab Ende der 70er Jahre Mitarbeiter beim CDU-Parteivorstand (Internationale Beziehungen, ab 1989 Abteilungsleiter), ab Herbst 1989 Berater von Lothar de Maizière, ab Dezember 1989 Leiter der Abteilung Außen- und Deutschlandpolitik und der gleichnamigen Kommission des CDU-Parteivorstandes. Ab Mai 1990 Mitarbeiter im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, zuletzt als Staatssekretär und geschäftsführender Minister (nach dem Weggang von Markus Meckel). 1991 Landesgeschäftsführer der CDU im Land Brandenburg unter de Maizière. 1992 bis 1997 Leiter eines Bildungswerkes, derzeit freier Autor, Historiker, Publizist und Herausgeber von Publikationen mit Ostpreußen-Schwerpunkt.
DS: Herr Dr. Radzimanowski, welche Gründe bewegen Sie als langjähriges Mitglied der CDU in Ost und West, als Staatssekretär und letzten geschäftsführenden Außenminister der DDR, als Christ und auch als sozial engagierten Menschen, sich jetzt öffentlich und vernehmbar in der NPD zu engagieren?
Radzimanowski: Ich habe erlebt, wie in der DDR im Frühjahr und Sommer 1989 immer mehr Menschen ausgegrenzt und zu Staatsfeinden erklärt wurden. Auf die zumeist berechtigten Forderungen und Anliegen der Bürger konnten die Herrschenden keine Antwort mehr geben, so wurde Diffamierung, Druck und selbst das Mittel der Inhaftierung eingesetzt, um Herr des Geschehens zu bleiben.
Vieles erinnert mich bei der heutigen Hysterie über die »Gefahr von rechts« an die damalige Zeit. Mit einem Unterschied: Die heutigen Herrscher verfügen über weit mehr Ressourcen und über einen Verbund von Medien, von dem man zu DDR-Zeiten gleichgeschaltet gesagt hätte.
Ich habe damals den Kontakt und das Gespräch mit den Verfemten der DDR gesucht und innerhalb und mit meiner früheren Partei, der CDU, für weitreichende gesellschaftliche Veränderungen in der DDR hingewirkt. Was damals für mich ganz selbstverständlich war, ist mir jetzt nicht leicht gefallen. Die bürgerliche Gesellschaft hat ziemlich hohe Hürden aufgebaut. Doch angesichts der Situation in unserem Land war dieser Schritt überfällig.
DS: Als ehemaliger Christdemokrat werden Sie in Brandenburg den extremen und verleumderischen Umgang des Ex-Generals und jetzigen Innenministers Schönbohm mit der NPD seit geraumer Zeit beobachtet haben. Schreckt Sie nicht die Vorstellung, durch Ihre künftigen Aktivitäten für unsere deutschen Interessen in ähnlicher Weise gebrandmarkt und verleumdet zu werden?
Radzimanowski: Ich muß Ihnen gestehen, daß ich zunächst Hoffnung für die CDU in Brandenburg schöpfte, als Herr Schönbohm Landesvorsitzender wurde. Doch sehr schnell festigte sich der Eindruck, daß auch dieser Westimport in entscheidenden Fragen ein gestörtes Wahrnehmungsvermögen der gesellschaftlichen Realität gegenüber besitzt. Viele seiner Äußerungen empörten nicht nur die Brandenburger, sondern nahezu alle Bürger der ehemaligen DDR. Nicht zuletzt aufgrund seiner unzutreffenden Analysen war er für die CDU in Brandenburg nicht mehr tragbar. Es ist schwer vorstellbar, daß diese heillos zerstrittene Partei überhaupt noch ein Brandenburger wählt.
Was meine Befürchtungen vor Brandmarkung betrifft, so sind mir diese nicht fremd. Als mein Gemeindepfarrer in Berlin-Niederschönhausen, zu dem ich ein sehr enges und freundschaftliches Verhältnis hatte, im Auftrage der Staatssicherheit mich als angeblichen Stasi-Spitzel denunzierte, war das schon ein Schlag. Zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch nicht, daß er es war, einer jener IM, die an der Front der psychologischen Kriegsführung wirkten. Und ich habe ein SED-Mitglied kennengelernt, das mir zumindest eine Vorwarnung in diese Richtung gab.
In vieler Hinsicht war ich Ziel von Verleumdungen. Doch als Preuße, als der ich mich fühle, kann man sich der Verantwortung für sein Land und dem deutschen Volk nicht entziehen. Ich habe mich bereits zu lange weggeduckt, wie so viele andere. Wir brauchen endlich das entschlossene Aufbegehren der Anständigen gegen den Ausverkauf Deutschlands.
DS: Als Christ und Historiker haben Sie sich zunächst in der DDR mit der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, ausgewiesen durch mehrere Publikationen, auseinandergesetzt. War das für Sie eher eine akademische Nische oder haben sie damals schon einen Zusammenhang zwischen nationaler Befreiungsbewegung, der Herstellung von staatlicher Souveränität, und ethnisch oder religiös fundierter sozialer Verantwortung gesehen?
Radzimanowksi: Von beidem etwas. Natürlich eine Nische, aber eine, die mir die Möglichkeit zur Beschäftigung mit einem sehr interessanten und für die Völker Lateinamerikas existenziellen Problem ermöglichte. Ich habe gelernt, wie, warum und für wen sich Priester und Pfarrer dort einsetzen und welche Bedeutung die Theologie im Prozeß der Befreiung im Kampf der Völker aus sozialer Versklavung, aus dem Bildungsnotstand, aus der nationalen Unterdrückung und Ausbeutung durch die USA und multinationale Konzerne hat.
DS: Werden Ihrer Ansicht nach die Geistlichen der beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland ihrer Verantwortung gegenüber diesem Land und seinen Menschen gerecht, oder sollte man Elemente dieser Befreiungstheologie auch auf Deutschland anwenden können?
Radzimanowski: Als evangelischer Christ bin ich von der Institution Kirche, insbesondere vielen Geistlichen sehr enttäuscht. Ein Geistlicher kann in einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation auch einmal Partei für eine Partei ergreifen. Doch es drängt sich der Eindruck auf, daß viele Pfarrer die Kirche als Unterstützungsverein der SPD umfunktionieren wollen. Doch ein Geistlicher hat Antworten des Glaubens zu den Rahmenbedingungen des irdischen Lebens zu geben und nicht die Gläubigen parteipolitisch zu reglementieren. Wie sich hier die evangelische Kirche für die Tagespolitik vereinnahmen läßt, finde ich schon skandalös.
DS: Im Verlauf der Wende 1989 wurden Sie unter der Regierung de Maiziere schnell in hohe Positionen ins DDR-Außenministerium getragen. Wie muß man sich den außenpolitischen Spielraum vorstellen, den Sie im Rahmen der »Zwei plus Vier Verhandlungen« hatten?
Radzimanowski: Zwischen Kohl und Gorbatschow waren die Bedingungen für die Vereinigung der Bundesrepublik und der DDR ausgehandelt worden. Die DDR-Seite hatte so viel Spielraum wie ein Zwillingsreifen bei einem großen Lkw, der ohne Ladung fährt.
DS: Wie haben Sie die Vereinigung der CDU erlebt? War der innerparteiliche Zusammenschluß einfacher und weniger »besserwisserisch« als der von BRD und DDR?
Radzimanowski: Leider ist das Gegenteil richtig. Der Führung der West-CDU war kein Mittel zu primitiv, um uns zu schaden. Zuerst wurde als Voraussetzung für eine Zusammenarbeit gefordert, daß sich die CDU in der DDR umbenennt. Als sie sich damit nicht durchsetzen konnten, hat man ständig den anderen Partnern in der »Allianz für Deutschland« den Vorzug gegeben. Übrigens kommt auch die heutige Bundeskanzlerin nicht aus der Ost-CDU, sondern vom »Demokratischen Aufbruch«. Sie war enge Mitarbeiterin von Rechtsanwalt Wolfgang Schnur, wie sie mir einmal bei einem Gang »Unter den Linden« erzählte.
Bei der West-CDU gab es auch positive Ausnahmen. Ich möchte ausdrücklich Eberhard Diepgen und seinen damaligen engen Mitarbeiter Thomas de Maizière oder den damaligen hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann nennen.
Nach den Volkskammerwahlen vom 18. März 1990 konnten auch der Vorsitzende der West-CDU und sein Generalsekretär nicht umhin, dem Votum der Bevölkerung für die DDR-CDU Rechnung zu tragen. Nach eigenem Erleben würde ich jedoch sagen, daß dies nur oberflächlich, man kann vielleicht treffender sagen, berechnend war.
Hintergründig wurde die alte Linie weitergeführt. Bei einer Tagung in England im Frühjahr 1990 beispielsweise, an der Margaret Thatcher und Helmut Kohl teilnahmen, nahm sich die britische Premierministerin viel Zeit für ein Gespräch mit mir und zeigte sich sehr interessiert für die Befindlichkeiten der DDR-Bevölkerung.
Für Helmut Kohl war ich Luft, was die mitreisenden konservativen Pressevertreter schon als deutlichen Affront werteten. Ich habe damals viel in Sachen »Demokratie« gelernt. So auch, als unsere Kommission für Außen- und Deutschlandpolitik beim Parteivorstand der DDR-CDU zum Vereinigungsparteitag eine Reihe von Anträgen einreichte. Faktisch waren wir Aussätzige, deren Anliegen in keiner Weise erörtert oder gar berücksichtigt wurde.
DS: Als versierter Außenpolitiker haben sie sicherlich eine Meinung zu den militärischen Einsätzen der Bundeswehr in Afghanistan, Somalia, dem Libanon und so weiter. Welche Konsequenzen kann eine solche Politik für Deutschland zeitigen?
Radzimanowski: Die immer wieder von Regierungsvertretern geäußerte Meinung, unsere Freiheit werde am Hindukusch oder am Horn von Afrika usw. verteidigt, halte ich schon im Ansatz für falsch. Unsere Freiheit wird zunächst einmal durch unser Grundgesetz verteidigt, und eine äußere Bedrohung liegt weder durch Afghanistan, noch dem Sudan oder Libanon vor. Viel mehr sind deutsche Soldaten Kanonenfutter für Kriege der USA zur Aufrechterhaltung ihrer inzwischen arg ramponierten Hegemonie.
Unsere Beteiligung am Feldzug gegen die Völker Afghanistans und unsere flankierenden militärischen Maßnahmen beim Überfall der USA auf den Irak haben verständlicherweise die traditionell freundschaftlichen Gefühle dieser Völker zu Deutschland schwer geschädigt, ja lassen unser Land zum Ziel von Terroranschlägen werden.
Insofern bringen die Einsätze der Bundeswehr in diesen Regionen nicht mehr Sicherheit für unser Land, sondern haben im Gegenteil als Reaktion eine Bedrohung für Leib und Leben der deutschen Bevölkerung bewirkt. Die Bundeswehr muß schleunigst dort raus.
DS: Den Stiefel der Sowjets hat man in der DDR immer als Zeichen der Besatzung aufgefaßt. Mit welcher außenpolitischen Ausrichtung könnte man denn für Deutschland eine wirkliche nationale Souveränität herbeiführen? Und wer sind unsere »natürlichen« Verbündeten?
Radzimanowski: Deutschland ist durch die von den USA dominierte NATO in immer stärkerem Maße vom Vasallen zu einem Büttel der Amerikaner geworden. Dieser Ausrichtung und diesem Bündnis kann ich nicht im geringsten etwas Gutes abgewinnen.
Es zeigt sich ja, mit welchem Druck die USA die Aufnahme Georgiens in die NATO vorantreiben, um mit der Brechstange ihre Interessen in der Region durchzusetzen. Nachdem Präsident Saakaschwili mit seiner Militäroffensive ein Fiasko erlitt, ist das Geschrei der USA und der NATO groß. Georgien muß einem Gewaltverzicht zustimmen, sonst haben wir demnächst die gleiche Katastrophe.
In der EU sind es vor allem die osteuropäischen Staaten wie Polen, aber auch Großbritannien, Dänemark, die Niederlande, die ebenfalls mehr an den USA als an Kontinentaleuropa interessiert scheinen.
Das ist ihr gutes Recht, nur sollte dann die Geschäftsgrundlage der EU hin zu einer mehr oder weniger lockeren Staatengemeinschaft verändert werden. Mit einem Land wie Großbritannien oder Polen, die sich an einem völkerrechtswidrigen Aggressionskrieg an der Seite der USA beteiligen, kann ich nicht die vielgepriesene Wertegemeinschaft erkennen.
Aber es gibt durchaus Staaten innerhalb und außerhalb der EU, denen Deutschland in kultureller, historischer oder auch politischer Sicht nahe steht und eng zusammenarbeiten sollte. Dazu würde ich unbedingt auch Rußland zählen. Rußland ist ein ganz bedeutender »natürlicher Partner« Deutschlands, wenn es auch in unserer gemeinsamen Geschichte zumindest eine große Katastrophe gegeben hat. Doch für eine Politik der nationalen Souveränität benötigen wir diese Partnerschaft, die uns zudem den Rücken freihält bei dem heftigen Druck, den das »Reich des Bösen« dann auf Deutschland ausüben wird.
Auf längere Sicht sollten wir uns auch um China als Partner bemühen. Ein Land, das vom Westen wie ein dummer Schuljunge behandelt wird, ein Land, das nicht nur kulturell unbeschreiblich reich ist, sondern sich in einer einzigartigen Weise trotz aller äußeren Bedrohungen seinem Wesen gemäß und wirtschaftlich sehr erfolgreich entwickelt hat.
DS: Zum Schluß noch eine Frage zu den politischen Schwerpunkten, die sich für Ihre Arbeit in der NPD setzen wollen und welche Aufgaben beziehungsweise Ämter Sie sich zutrauen würden?
Radzimanowski: Ich möchte das allgemeiner formulieren. Wir sollten alles versuchen, damit die NPD in möglichst vielen Parlamenten vertreten ist, ganz besonders im Zentrum der politischen Macht, im Bundestag. Das eröffnet der Partei eine Vielzahl neuer Möglichkeiten und kann den Mitbürgern vor Augen führen, wie engagiert die NPD für Deutschland und die Deutschen wirkt.
DS: Herr Dr. Radzimanowski, wir danken Ihnen für das Gespräch und freuen uns, mit Ihnen einen kompetenten Mitstreiter für Deutschland gewonnen zu haben.
Das Gespräch führte Dr. Olaf Rose.