Die neue Strategie und ihre Zentren
von Peter Bachmaier
In den letzten zwei Jahrzehnten hat eine Umorientierung des amerikanischen strategischen Denkens stattgefunden: Der Krieg wird nicht mehr rein militärisch definiert, sondern findet auch mit nicht militärischen, informativen und psychologischen Methoden statt, die man als «psychologische Kriegführung» [psychological warfare] oder «kulturellen Krieg» bezeichnet. Diese Methoden haben eine lange Vorgeschichte. Der amerikanische Militärstratege Liddell Hart entwickelte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg die Strategie der indirekten Einwirkung [the strategy of indirect approach].1 Während des Zweiten Weltkriegs wandten die amerikanischen und britischen Streitkräfte die «psychologische Kriegführung» gegen Deutschland an, die nachher zur Umerziehung [re-education] des deutschen Volkes eingesetzt wurde. Nach dem Ende des Krieges gründeten die CIA und das Verteidigungsministerium nach dem Vorbild des Tavistock Institute of Human Relations, eines spezialisierten Instituts für den psychologischen Krieg in England, Denkfabriken [think tanks] wie die RAND Corporation, das Hudson Institute von Herman Kahn, und andere, die in erster Linie gegen die Sowjetunion gerichtet waren.
Die Methoden in diesen Zentren wurden von einer Reihe von sozialwissenschaftlichen Instituten entwickelt. Die amerikanischen empirischen Sozialwissenschaften, d.h. Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, Anthropologie, Kommunikationswissenschaft [communication studies] u.ä. entstanden in ihrer gegenwärtigen Form durch die Initiative und Finanzierung militärischer und nachrichtendienstlicher Agenturen in den 40er und 50er Jahren.2 Eine weitere Quelle waren die grossen Stiftungen wie die Carnegie Corporation, die Ford Foundation und die Rockefeller Foundation. Es waren berühmte wissenschaftliche Zentren wie die New School for Social Research in New York, das Bureau of Applied Social Research in Princeton (von Paul Lazarsfeld geleitet), das Institut für Sozialforschung (geleitet von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, das 1949 nach Frankfurt zurückkehrte), das Center for International Studies (CENIS) am Massachusetts Institute of Technology, aber auch das von Michael Murphy und Gregory Bateson gegründete alternative Esalen Institut in Kalifornien – ein Zentrum der Gegenkultur, das auch an der Organisation des Woodstock-Festivals 1968 beteiligt war –, die diese Aufträge erhielten. Insbesondere die führenden Institute der Kommunikationswissenschaften waren durch die Programme für psychologische Kriegführung geprägt.
Diese Institute gaben Zeitschriften wie das Public Opinion Quaterly (POQ), die American Sociological Review, die American Political Science Review u.ä. heraus. An diesen Instituten arbeiteten Experten, meist Emigranten aus Deutschland und Österreich, die sich später grosse Namen in der Wissenschaft erwarben wie Paul Lazarsfeld, Oskar Morgenstern, Leo Loewenthal, Herbert Marcuse, Walter Lippmann, Harold Lasswell, Gabriel Almond, Daniel Lerner, Daniel Bell, Robert Merton u.v.a. Es waren dieselben Experten und Institute, die auch für die Umerziehung des Volkes in Deutschland verantwortlich waren. Einige dieser Projekte waren auch mit der Vorbereitung der Kulturrevolution der sechziger Jahre mit ihren Begleiterscheinungen Rockmusik, Drogenkultur und Sexuelle Revolution beschäftigt.
In besonderer Weise waren natürlich die «Soviet Studies» von der Regierung abhängig. Das Russian Research Project in Harvard, geleitet von Raymond Bauer und Alex Inkeles, war ein gemeinsames Unternehmen der CIA, der U.S. Airforce und der Carnegie Corporation. Das Institut veröffentlichte 1956 eine Studie mit dem Titel «How the Soviet System Works», die ein Standard-Lesebuch in Soviet Studies wurde.3 Zur psychologischen Kriegführung gehörten auch Radiosendungen der CIA nach Osteuropa, «eines der billigsten, sichersten und effektivsten Werkzeuge der U.S.-Aussenpolitik», wie Jean Kirkpatrick später erklärte, nämlich die Voice of America. RIAS Berlin, Radio Free Europe und Radio Liberty, die bis heute auf russisch und in den Sprachen der GUS senden.4 Diese Sender unterstanden dem Kongress für kulturelle Freiheit, der 1950 mit 400 Mitarbeitern in Paris von der CIA gegründet worden war.5
Der Sieg über die Sowjetunion wurde vor allem mit Hilfe dieser nicht militärischen Methoden erreicht. Die Strategie, die als Ziel keine Koexistenz mit der Sowjetunion, sondern eine «Demontage» des sowjetischen Systems vorsah, wurde von der Reagan-Administration 1982 ausgearbeitet.6 Der Plan umfasste sieben strategische Initiativen, darunter als Punkt 4: Psychologischer Krieg, gerichtet auf die Erzeugung von Angst, Unsicherheit, Verlust der Orientierung sowohl bei der Nomenklatura als auch bei der Bevölkerung.7 Dieser Krieg wurde nicht nur gegen den Kommunismus, sondern gegen Russland geführt, wie die direkten Aussagen Brzezinskis bezeugen: «Wir haben die UdSSR zerstört, wir werden auch Russland zerstören.» «Russland ist überhaupt ein überflüssiger Staat.» «Die Orthodoxie ist der Hauptfeind Amerikas. Russland ist ein besiegtes Land. Es wird aufgeteilt und unter Vormundschaft gestellt werden.»8
Im Jahr 1990 prägte Joseph Nye, ein Mitarbeiter des Council on Foreign Relations und Verbündeter von Zbigniew Brzezinski, für diese Methoden den Begriff «Soft Power» oder «Smart Power», der auf dieselbe Wurzel wie das «Social Engineering» zurückgeht.9 Er veröffentlichte im Jahre 2005 sein Buch «Soft Power: The Means to Success to World Politics», in dem er den Vorschlag machte, Amerika müsse durch seine Kultur und seine politischen Ideale attraktiv werden. Das Center for Strategic and International Studies in Washington, eine neokonservative Denkfabrik, in dessen Aufsichtsrat Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski sitzen, gründete 2006 eine Commission on Smart Power, von Joseph Nye und Richard Armitage geleitet, die 2009 ein Memorandum «A Smarter, More Secure America» vorlegt e, die das Ziel verfolgte, Amerikas Einfluss in der Welt mit «weichen» Methoden zu verstärken.10
Erste erfolgreiche Anwendung der neuen Strategie: die Perestrojka
Zum ersten Mal wurden diese neuen Methoden als Strategie in der Perestrojka eingesetzt, als Michail Gorbatschow an die Macht kam. Die Perestrojka hatte ihre positiven Seiten, sie stellte die Meinungs- und Bewegungsfreiheit wieder her, aber sie war auch eine massive Einflussnahme des Westens.11 Innerhalb des Zentralkomitees der KPdSU und der Nomenklatura bildete sich eine Gruppe, die auf die Positionen des Westens überging und das westliche neoliberale System einführen wollte.
Der eigentliche Architekt der Perestrojka war Alexander Jakowlew, seit 1985 Sekretär des ZK der KPdSU für Ideologie, der in den 50er Jahren in Washington studiert hatte und seit damals ein überzeugter Anhänger des Neoliberalismus war, wie er mir bei einem Gespräch in Wien am 9. November 2004 erklärte. Zu seinem Netzwerk gehörten Leute wie Jegor Gajdar, Grigorij Jawlinskij, Boris Nemzow, Viktor Tschernomyrdin, German Gref und Anatolij Tschubajs. Jakowlew schuf mit ihnen in der UdSSR eine fünfte Kolonne des Westens, die bis heute im Hintergrund die Fäden zieht. Auch Boris Jelzin war ein Mann der Amerikaner, der im September 1989 auf Einladung des Esalen-Instituts in Kalifornien, das seit 1979 ein amerikanisch-sowjetisches Austauschprogramm unterhielt, bei einem Besuch in Washington direkt im amerikanischen Kongress angeworben wurde und 1991 mit ihrer Hilfe die Macht übernehmen konnte.12
Gorbatschow wurde durch Vermittlung von George Soros zum Mitglied der Trilateralen Kommission, die im Jänner 1989 in Moskau eine Konferenz abhielt, an der auch Henry Kissinger und Valéry Giscard d’Estaing teilnahmen.
Westliche Organisationen zur kulturellen Beeinflussung in Russland
In der Zeit der Perestrojka wurden auch die Logen und ihre Vorfeldorganisationen wieder zugelassen.13 Auf Ersuchen Kissingers erlaubte Gorbatschow im Mai 1989 die Gründung der B’nai Brith Loge in Moskau. Seit damals wurden in Russland etwa 500 Logen durch die Grosslogen von England, Frankreich, Amerika u.a. gegründet. Gleichzeitig wurden aber für Politiker, Unternehmer und Angehörige der freien Berufe, die keine Beziehung zu den Ritualen hatten, aber die Prinzipien der Logen teilten, offenere Organisationen, Klubs, Komitees und Stiftungen geschaffen. Es gibt einige tausend Logenmitglieder in Russland, die sich an den Ritualen beteiligen, aber darüber hinaus gibt es zehnmal so viele Mitglieder der «maçonnerie blanche», die keine Rituale benützen, aber die Prinzipien akzeptieren und von Logenbrüdern geleitet werden. Solche Organisationen sind der Klub Magisterium, der Rotaryklub, der Lionsklub, die Soros-Stiftung u.v.a. Diese Mitglieder halten sich für eine Elite, die besondere Rechte hat zu regieren.14
Um die Literaturszene zu kontrollieren, wurde das russische PEN-Zentrum gegründet, eine weitere Vorfeldorganisation. Zu seinen Mitgliedern gehörten bekannte Schriftsteller und Dichter wie Bella Achmadulina, Anatolij Pristawkin, Jewgenij Jewtuschenko, Wassilij Aksjonow und Viktor Jerofejew.
Die Stiftung «Offene Gesellschaft» von George Soros, bereits 1988 in Moskau gegründet, war in den 90er Jahren der mächtigste Mechanismus der Destabilisierung und Zerstörung in den Händen der Hintergrundmächte. Soros richtete seine Tätigkeit auf die Änderung der Weltanschauung der Menschen im neoliberalen Geist, die Durchsetzung des American way of life und die Ausbildung von jungen Russen in den USA. Mit den Mitteln der Soros-Stiftung wurden die wichtigsten russischen Zeitschriften finanziert und für die Unterstützung der Literatur spezielle Preise vergeben.15
Im Rahmen seines Programms gab die Stiftung Lehrbücher heraus, in denen die russische Geschichte im neoliberalen, kosmopolitischen Sinne dargestellt wurde. Im September 1993, während das Parlament beschossen wurde, hatte ich Gelegenheit, an einer Preisverleihung im russischen Bildungsministerium teilzunehmen. George Soros verteilte Preise an die Autoren russischer Lehrbücher für Geschichte und Literatur, und der russische Bildungsminister Jewgenij Tkatschenko erklärte, was das Ziel der neuen Schulbücher war: «Es geht darum, die russische Mentalität zu zerstören.»
Die Programme von Soros waren im kulturellen Bereich so vielfältig, dass praktisch der gesamte nichtstaatliche Sektor von der Finanzierung durch die «Offene Gesellschaft» abhing. Das Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), 1983 in Wien gegründet und ebenfalls von Soros unterstützt, förderte die Reform des Bildungswesens und der Universitäten in Russland und den postsozialistischen Ländern. Allein zwischen 1997 und 2000 vergab die Stiftung 22 000 Stipendien in der Höhe von 125 Millionen Dollar.16
Ein weiterer amerikanischer Think tank ist die Nationale Stiftung für Demokratie (NED), 1982 von Reagan gegründet, die ihrerseits wieder die Institute der Demokratischen und der Republikanischen Partei der USA und ihre Büros in Moskau finanziert. Sie unterstützt vor allem private Medien und prowestliche politische Parteien und Bewegungen. Das Budget der NED wird vom Kongress der USA als Unterstützung für das State Department beschlossen. Dem Vorstand gehören prominente Politiker an wie John Negroponte, Otto Reich, Elliot Abrams. Die NED ist die Fortsetzung der Operationen der CIA mit anderen Mitteln. Die NED finanzierte u.a. folgende russische Organisationen (2005): Gesellschaft «Memorial» für historische Bildung und den Schutz der Menschenrechte, Moskauer Helsinkigruppe, das Sacharowmuseum, Mütter Tschetscheniens für den Frieden, die Gesellschaft für russisch-tschetschenische Freundschaft, das Tschetschenische Komitee der nationalen Rettung (in einem Jahr insgesamt 45 Organisationen).17
Das Moskauer Carnegie-Zentrum wurde 1993 als Abteilung der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden, errichtet 1910 von Andrew Carnegie als unabhängiges Forschungszentrum für internationale Beziehungen, gegründet. Die Spezialisten des Moskauer Zentrums befassen sich mit den wichtigsten Fragen der Innen- und Aussenpolitik Russlands. Es gibt eine Sammlung von Informationen über die problematischen Punkte der Entwicklung des Landes. Das Zentrum publiziert Sammelbände, Monographien, Periodika und Nachschlagewerke sowie eine Vierteljahreszeitschrift «Pro et contra», die Serie «Working Papers» und führt regelmässig Vorträge und Konferenzen durch. Die Stiftung wird von grossen Firmen wie BP, General Motors, Ford, Mott sowie von Soros, Rockefeller, dem Pentagon, dem State Department und dem britischen Aussenministerium finanziert. Die Direktorin war bisher Rose Goettemoeller, frühere Mitarbeiterin der RAND Corporation, die derzeit stellvertretende Aussenministerin der USA ist.
Die Vertreter der russischen Geschäftswelt im Aufsichtsrat sind Pjotr Awen, Sergej Karaganow, Boris Nemzow, Grigorij Jawlinskij und Jewgenij Jasin, der Präsident der Moskauer Wirtschaftsuniversität. Führende Mitarbeiter sind Dmitrij Trenin, der auch für Radio Free Europe und Radio Liberty arbeitet, und Lilija Schewzowa, die beide regelmässig in den Westen eingeladen werden, um dort zu erklären, dass Russland die demokratischen Freiheiten einschränkt. Die Forschungen des Zentrums werden von der politischen Klasse Russlands und auch des Westens umfangreich benützt. Die Arbeit des Moskauer Zentrums wird von der Zentrale in Washington durch ein «Russland- und Eurasien-Programm» unterstützt.18
Die Stiftung Freedom House, 1941 auf Initiative von Eleanor Roosevelt gegründet, entstand aus dem Kampf gegen den Isolationismus in den USA. Offizielles Ziel war der Kampf gegen den Nationalsozialismus und Kommunismus, heute wird sie von Soros und der Regierung der USA finanziert. In den 90er Jahren gründete Freedom House Büros in fast allen GUS-Staaten und das Amerikanische Komitee für Frieden in Tschetschenien (Mitglieder: Brzezinski, Alexander Haig, James Woolsey – früherer CIA-Chef). Das bekannteste Projekt ist heute «Freiheit in der Welt», das seit 1972 jährlich alle Staaten der Welt analysiert, wo sie in «freie», «teilweise freie» und «unfreie» eingeteilt werden.19
Im Jahr 1992 wurde die russische Filiale der Rockefeller-Stiftung Planned Parenthood Federation in Moskau und 52 weiteren russischen Städten gegründet. Die Stiftung machte den Versuch, das Fach «Sexualkunde», das in Wirklichkeit die Auflösung der Familie und die Erziehung eines neuen Menschen zum Ziel hat, in allen russischen Schulen einzuführen. Dazu kam es jedoch nicht, da die Beamten des Bildungsministeriums, die Lehrer, die Eltern und die orthodoxe Kirche Widerstand leisteten und das Projekt auf einer Konferenz der Russischen Akademie für Bildungswesen im Jahr 1997 abgelehnt wurde.20
Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gelten im Westen als die Bausteine der Zivilgesellschaft. Im Falle Russlands haben sie nichts mit dem Aufbau einer direkten Demokratie zu tun, sondern sind Agenturen, die vom Westen finanziert und gesteuert werden.
Die westliche Einflussnahme auf das Bildungswesen und die Medien
Ein wichtiges langfristiges Ziel der westlichen Einflussnahme ist das Bildungs- und Hochschulwesen. Zunächst wurden nach der Wende von 1991 mit Hilfe westlicher Berater der Zentralismus und die marxistische Ideologie aufgelöst. Das Bildungsgesetz von 1992 und die Verfassung der Russischen Föderation von 1993 schrieben eine tiefgreifende Umorientierung des Bildungswesens im Zeichen eines neoliberal-demokratischen Paradigmas nach westlichem Vorbild fest. Es umfasste den Einbau marktwirtschaftlicher Elemente im Bildungswesen und den Aufbau einer Zivilgesellschaft.21
Die Vergabe von westlichen Krediten an das Bildungswesen war an die Erfüllung der Vorgaben gebunden. Auf diese Weise wurde das Bildungswesen im Sinn des neoliberalen Systems umgestaltet. Ein nichtstaatlicher Sektor mit teuren Privatschulen etablierte sich. Die privaten höheren und Hochschulen waren gewinnorientiert und verlangten Schul- und Studiengebühren. Durch die PISA-Studien der OECD wurde das Bildungswesen auf die Wirtschaft ausgerichtet. Viele Schulen in ländlichen Gebieten, die nicht mehr «rentabel» waren, wurden geschlossen. Viele Kinder gehen nicht mehr in die Schule oder schliessen sie nicht ab. Im Jahr 2000 gingen nach einem Unesco-Bericht 1,5 Millionen Kinder in Russland nicht in die Schule. Der Drogenkonsum der Schüler, der früher unbekannt war, breitete sich aus.22
Am bedeutendsten war die Reform des Hochschulwesens, das gleich nach der Wende von Weltbank und Internationalem Währungsfonds evaluiert wurde, die dann ein Programm für eine Umstrukturierung nach angloamerikanischem Vorbild ausarbeiteten. Im Jahr 2004 wurde die Bologna-Deklaration gesetzlich beschlossen: d.h. der Übergang zum vierjährigen Bakkalaureat und zum anschliessenden zweijährigen Magisterstudium sowie eine Präsidialverfassung mit Hochschulräten, in denen Vertreter der Wirtschaft sitzen. Viele russische Bildungsexperten sehen darin eine Zerstörung der Tradition der russischen Universität, weil der Bildungsprozess auf die Weitergabe von Informationen reduziert wird. Von den etwa 1000 Hochschulen und Universitäten in Russland sind heute 40% privat, viele davon vom Westen errichtet, an denen eine neue Elite herangebildet wird.23
Ein weiterer Sektor, der vom Westen mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt wird, sind die Medien, die nach 1991 die grösste Wandlung durchgemacht haben. Sie wurden durch die neoliberalen Reformen nach 1991 privatisiert und von Oligarchen oder vom Ausland übernommen. Viele Fernsehstationen, Zeitungen und Zeitschriften erhielten ausländische Eigentümer wie die News Corporation von Rupert Murdoch, die heute die Zeitung «Vedomosti», die führende Finanzzeitung Russlands gemeinsam mit der «Financial Times» herausgibt und die News Outdoor Group, die grösste Werbeagentur, die in etwa 100 Städten Russlands aktiv ist, besitzt. Die Bertelsmann AG, die über das grösste europäische Fernsehunternehmen RTL verfügt, betreibt in Russland den landesweiten Sender Ren TV.24 Die Bertelsmann-Stiftung, 1977 von Reinhard Mohn gegründet, eine der mächtigsten Denkfabriken der EU, arbeitet mit der Gorbatschow-Stiftung zusammen, die ihren Sitz in Moskau hat, aber auch eine Zweigstelle in Deutschland und in den USA unterhält.
Die Medien waren unter Jelzin fast vollständig in den Händen der neuen Oligarchie, die wiederum mit den westlichen Finanzzentren verbunden ist. Gusinskij besass den grössten Fernsehsender NTW, und Boris Beresowskij kontrollierte die Zeitungen. Als Putin begann, den russischen Staat wieder zu stabilisieren, stellte sich als vordringlichste Aufgabe die Kontrolle der Medien, weil die Regierung sonst gestürzt worden wäre.
Zur Amerikanisierung muss man last not least die Alltagskultur rechnen, die mit Rockkonzerten, Internet, Privatfernsehen, Kinopalästen, Discotheken, Musik-CDs, DVDs, Comics, Werbung und Mode fast dieselbe wie im Westen ist.
Das Ziel der amerikanischen Strategie ist der Transfer des westlichen Wertesystems auf die russische Gesellschaft. Der russische Staat soll entideologisiert werden. In der Verfassung von 1993 wurde die staatliche Ideologie als Kennzeichen des Totalitarismus desavouiert und im Art. 13 verboten.25
Die offizielle sowjetische Ideologie beruhte auf einer materialistischen Philosophie, aber hatte Elemente einer nationalen Idee und war die Klammer, die den Staat zusammenhielt. Durch dieses Verbot wurde der Staat der Wertorientierungen der nationalen Idee beraubt. Die geistige Leere wird heute durch die westliche Populärkultur ausgefüllt.
Die kulturelle Offensive der USA hat das Ziel, in Russland eine multikulturelle, d.h. kosmopolitische, pluralistische und säkulare Gesellschaft zu schaffen, in der die einheitliche russische Nationalkultur aufgelöst ist. Das Volk, die Gemeinschaft der Bürger mit einer gemeinsamen Geschichte und Kultur, soll in eine multinationale Bevölkerung umgewandelt werden.
Der Widerstand des russischen Staates und der Intelligenzia
Das unter Staatspräsident Wladimir Wladimirowitsch Putin seit dem Jahr 2000 durchgesetzte Staatskonzept, insbesondere die Forderung nach einem starken Staat, beinhaltete eine teilweise Rezentralisierung, den Übergang von einem multinationalen zu einem nationalrussisch geprägten Staatsverständnis sowie die Tendenz, der russisch-orthodoxen Kirche und Religion eine Sonderstellung im Staat einzuräumen.
Im April 2001 übernahm der staatliche Energiekonzern Gasprom die Kontrolle über den Fernsehsender NTW. Die Tageszeitung «Sewodnja» (Heute) wurde eingestellt, der Chefredakteur des Wochenmagazins gekündigt. Boris Beresowskis Fernsehsender TW-6 wurde im Jänner 2002 geschlossen und Beresowski emigrierte nach England.
Im September 2003 wollte der Ölmagnat Michail Chodorkowski die liberale Wochenzeitung Moskowskije Nowosti übernehmen, um die liberalen Oppositionsparteien «Union rechter Kräfte» und «Jabloko» im bevorstehenden Wahlkampf zu unterstützen. Dieses politische Engagement war ein wichtiger Grund für die Verhaftung Chodorkowskis im Oktober 2003. Diese Massnahmen waren notwendig, weil es der Oligarchie sonst gelungen wäre, mit Hilfe der Medienmacht die Regierung selbst unter ihre Kontrolle zu bringen. Die drei wichtigsten Fernsehsender – ORT, Rossija und NTW – sowie ein bedeutender Teil der Druckmedien werden heute durch staatliche Konzerne (Gasprom und Wneschtorgbank) oder durch den Staat direkt (RTR) kontrolliert.
Der Oligarch Wladimir Potanin kontrolliert aber weiterhin die Tageszeitungen «Izwestija» und «Komsomolskaja Prawda». Derzeit gelten die «Nowaja Gaseta» (unter Kontrolle des Oligarchen Alexander Lebedew und des ehemaligen sowjetischen Präsidenten Gorbatschow) und die Tageszeitung «Wedomosti» (ein Projekt des «Wall Street Journal» und der «Financial Times») als von der Regierung unabhängige Medien.26 Seit dem Jahr 1993 wurden in Russland gemäss einer Statistik 214 Journalisten ermordet, darunter 201 Journalisten in der Jelzin-Ära und 13 seit dem Amtsantritt Putins, darunter aber die meisten in seiner ersten Amtszeit, während es in der zweiten Amtzeit nur mehr drei waren.27
Die nationale Doktrin für Bildung 1999 und die Konzeption 2001 führten im inhaltlich-ideologischen Bereich das nationalpatriotische Gedankengut wieder ein. Eine Hinwendung zu Werten der Zarenzeit traf mit dem Postulat zusammen, die Vorzüge des Bildungssystems der Sowjetunion zu erhalten. Eine Sonderstellung haben die von der russisch-orthodoxen Kirche getragenen Privatschulen und Geistlichen Akademien inne, die seit 2007 staatlich anerkannt sind. In den Lehrprogrammen der Schulen wurden neue Gegenstände wie seit 1999 die obligatorische Vorbereitung auf den Wehrdienst und seit 2007 das Schulfach «Grundlagen der orthodoxen Kultur» eingeführt.28
Zum kulturellen Krieg gehört auch die Kampagne der westlichen Medien gegen Russland, die seit zehn Jahren, vor allem aber seit der Verhaftung Chodorkowskijs 2003 geführt wird unter dem Schlagwort «Russland auf dem Weg zurück zum Sowjetsystem!» Ein weiteres Beispiel ist die sogenannte Verfolgung progressiver Künstler, die darin bestehen soll, dass blasphemische und pornographische Werke aus öffentlichen Ausstellungen entfernt wurden. Es handelte sich in der Regel um Provokationen westlich finanzierter NGOs. Das Sacharow-Zentrum, das sich die Durchsetzung der offenen Gesellschaft zum Ziel setzt, organisierte 2003 eine Ausstellung «Vorsicht! Religion», auf der auch blasphemische antichristliche Exponate ausgestellt waren. Daraufhin forderte die Duma die Staatsanwaltschaft auf, gegen die Leitung des Zentrums tätig zu werden. 2005 wurden die Organisatoren zu einer Geldstrafe verurteilt.
Im Jahr 2005 führte die Regierung einen neuen Staatsfeiertag am 4. November ein, in der Nähe des alten Feiertags der Oktoberrevolution am 7. November. Diesmal sollte aber der Sieg über die polnischen Invasionstruppen im Jahre 1612 gefeiert werden. Im Jahr 2006 wurde ein neues Gesetz über die Nichtregierungsorganisationen verabschiedet, nach dem sich alle neu registrieren mussten und die ausländische Finanzierung genauer kontrolliert wurde. Anfang 2008 wurden alle regionalen Büros des British Council mit Ausnahme des Moskauer Büros geschlossen, weil man dem Council antirussische Tätigkeit vorwarf.29
Im Unterschied zu der Zeit der Perestrojka und der Jelzin-Ära ist die russische Intelligenzia seit dem Nato-Angriff auf Jugoslawien 1999 nicht mehr neoliberal, sondern nationalpatriotisch eingestellt. Die Schriftsteller, Künstler, Filmschaffenden und Theaterleute sind heute Patrioten und werden vom Kreml unterstützt. Die Regierung kontrolliert auch die politische Berichterstattung der Medien, vor allem im Fernsehen, etwas weniger in den Zeitungen.
Die Hauptfigur der Traditionalisten war früher Alexander Solschenizyn, dem aber seine ungenügende Kritik des Westens vorgeworfen wurde. Die führende Gruppe sind heute die «Bodenständigen» [po venniki], sie sind christlich-orthodox, aber sehen die sowjetische Periode in der Tradition der russischen Geschichte. Ihre Ideologen sind Dorfschriftsteller wie Walentin Rasputin, Wassilij Below und Wiktor Astafjew. In den Zeitschriften «Nasch sowremennik», «Moskwa» und «Molodaja gwardija» wurde seit den 70er und 80er Jahren die patriotische Ideologie ausgearbeitet.
Die «Stiftung der historischen Perspektive», die von der ehemaligen Duma-Abgeordneten Natalia Narotschnizkaja geleitet wird, vertritt ein patriotisches und christliches Programm, verfügt über die Schriftenreihe «Zvenja», die Internetzeitschrift «Stoletie» und organisiert Vorträge und Tagungen. Die nationalpatriotische Intelligenz diskutiert eine grundsätzliche Änderung des Systems, die einen starken Staat und eine Schliessung der Grenzen vorsieht. Die Verbände der Kulturschaffenden wie der Schriftstellerverband, der Künstlerverband, der Verband der Filmschaffenden verfügen über Kulturhäuser, Galerien, Kinozentren und Zeitschriften und organisieren ein dichtes Programm von Veranstaltungen. Es gibt in Moskau 150 Theater, Opernhäuser und Konzertsäle, die überwiegend klassische Stücke aufführen. Regietheater, abstrakte Kunst und atonale Musik sind ein Minderheitenprogramm.30
Österreich und Deutschland werden positiv gesehen, man sieht vor allem die alte deutsche Kultur, man hat ein Bild davon, das aus der Vergangenheit kommt, aber man weiss nicht wirklich, was in Deutschland heute vor sich geht. Alexander Solschenizyn hat immer gehofft, Deutschland werde eine Art Brücke zwischen Russland und dem Rest der Welt sein, weil sich Deutschland und Russland gegenseitig zueinander hingezogen fühlen.31 Die deutschen Medien zeichnen aber ein verzerrtes Bild von Russland: dass Russland auf dem Weg zurück zum Sowjetsystem ist und die neoliberalen Intellektuellen einen verzweifelten Abwehrkampf führen. Als Beispiel präsentiert man den Pornoschriftsteller Viktor Jerofejew, der von der Hamburger «Zeit» nach Deutschland eingeladen wurde.32 Die entscheidende Frage ist heute in Russland aber nicht, ob es wieder eine kommunistische Diktatur wird, sondern ob es eine «Diktatur des Relativismus» nach westlichem Vorbild oder eine christliche Gesellschaft wird.33
Die religiöse Erneuerung
Der entscheidende Widerstand gegen die Verwestlichung kommt heute von der orthodoxen Kirche, die antimodernistisch und traditionalistisch eingestellt ist. Die Orthodoxie tritt für traditionelle Werte wie Ehe, Familie und Mutterschaft ein und lehnt die Homosexualität ab. Die Kirchen sind voll, überwiegend mit jungen und jüngeren Menschen. Die Jugend bekennt sich mehrheitlich zur Orthodoxie, d.h. zum Christentum, und heiratet wieder in der Kirche. Es gibt wieder 100 Millionen Gläubige, 30 000 Priester und 600 Klöster. Die Geistliche Akademie in Sergijew Possad ist voll, es gibt vier Bewerbungen für einen Platz. Es gibt eine orthodoxe Radiostation, einen Verlag, eine Reihe von Zeitschriften, Militärgeistliche in der Armee sowie eine Spitals- und Gefängnisseelsorge, und in den Schulen wurde de facto Religion als Unterrichtsfach zum ersten Mal seit 1917 wieder eingeführt. Nach den Umfragen bezeichnen sich 70% der Russen als religiös.34
Im Jahr 2007 beschlossen die russisch-orthodoxe Kirche und der Vatikan, Gespräche aufzunehmen, um ihre langjährigen Differenzen zu beseitigen. Erzbischof Ilarion, Leiter des Aussenamts des Patriarchats, früher russisch-orthodoxer Bischof von Wien, sagte dazu: «Wir sind Bündnispartner und stehen vor der gleichen Herausforderung: einem aggressiven Säkularismus.»35
Die Orthodoxie wird in Russland als die «Religion der Mehrheit» bezeichnet. Am 4. November, dem Tag der Nationalen Einheit in Russland, konnte ich eine ungewöhnliche Prozession auf dem Roten Platz beobachten. Der Patriarch ging in der ersten Reihe, die Spitzen des Islams, der jüdischen Gemeinde und der Buddhisten in der zweiten. Das war als sichtbares Symbol gedacht: «Der Patriarch ist das Oberhaupt der vorherrschenden Religion. Er eint die Gläubigen und fördert die Zusammenarbeit der Religionsgemeinschaften. Der Patriarch ist der geistige Führer des ganzen Volkes, nicht nur der orthodoxen Gläubigen.»36
Schlussfolgerungen
Russland ist heute in einer Krise, die zunächst im Finanz- und Währungssystem zum Ausdruck kommt, aber genauso den Kulturbereich erfasst, ja sogar dort ihre tiefere Ursache hat, die darin besteht, dass pluralistische säkulare Gesellschaft den Menschen keine wirkliche Gemeinschaft, keine Weltanschauung und keinen Sinn gibt.
Russland braucht nicht die «materialistische und egoistische Kultur» der gegenwärtigen westlichen Gesellschaft, sondern eine universelle nationale Ideologie, die alle Seiten des Lebens des Volkes erfasst, das Land entwickelt und alles abwehrt, was die Existenz des Volkes bedroht.37
Die «Neufassung» [reset] der russisch-amerikanischen Beziehungen seit zwei Jahren ändert jedoch nichts an der langfristigen antirussischen Ausrichtung der amerikanischen Politik und hindert die CIA nicht daran, wieder aktiver in Russland zu werden. Auch Hillary Clinton betonte nach dem Besuch Obamas in Moskau, dass die USA am Konzept des absoluten Weltführers festhalten. Russland wird daher früher oder später vor der Wahl stehen, entweder einen souveränen Staat aufzubauen, der die Grenzen schliesst und die Unterminierung seiner Kultur abwehrt, oder zu kapitulieren und eine Provinz des Westens zu werden. •
Dr. Peter Bachmaier, geb. 1940 in Wien, Studium in Graz, Belgrad und Moskau, 1972–2005 Mitarbeiter des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts, seit 2006 Sekretär des Bulgarischen Forschungsinstituts in Österreich, 2009 dreimonatiger Forschungsaufenthalt in Moskau. Vortrag, gehalten auf dem Kongress «Mut zur Ethik» in Feldkirch, 3. September 2010.
1 Basil Liddell Hart, Strategy: The Indirect Approach, 1. Aufl. 1929, 2. Aufl. 1954.
2 Christopher Simpson, Science of Coercion: Communication Research and Psychological Warfare, 1945–1960, New York, Oxford U.P. 1994, p. 4.
3 Simpson, Science of Coercion, p. 87.
4 A. Ross Johnson, R. Eugene Parta, Cold War Broadcasting: Impact on the Soviet Union and Eastern Europe, Woodrow Wilson International Center, Washington 2010.
5 Frances Stonor Saunders, Who Paid the Piper? The CIA and the Cultural Cold War, London 1999, dt. Ausgabe: Wer die Zeche zahlt … Der CIA und die Kultur im Kalten Krieg, Berlin 2001; Simpson, Science of Coercion, p. 68.
6 Peter Schweizer, Victory: The Reagan Administration’s Secret Strategy That Hastened the Collapse of the Soviet Union, New York 1994.
7 S.G. Kara-Murza, A.A. Aleksandrov, M.A. Muraškin, S.A. Telegin, Revolucii na eksport [Revolutionen für den Export], Moskva, 2006.
8 Zitiert nach: V.I.Jakunin, V.Bagdasarjan, S.S.Sulakšin, Novye technologii bor’by s rossijskoj gosudarstvennost’ju [Neue Technologien des Kampfes gegen den russischen Staat], Moskva, 2009, str. 50.
9 oseph Nye, Bound to Lead: the Changing Nature of American Power, Basic Books 1990; Joseph Nye, Transformational Leadership and U.S. Grand Strategy, Foreign Affairs, vol. 85, No. 4, July/August 2006, pp. 139–148.
10 Richard Armitage, Joseph S. Nye, A Smarter, More Secure America, CSIS Commission on Smart Power, 2009.
11 Peter Schweizer, Victory: The Reagan Administrations’s Secret Strategy That Hastened the Collapse oft he Soviet Union, New York 1994.
12 Das steht in der offiziellen Jelzin-Biographie von Wladimir Solowjow, Elena Klepikowa, Der Präsident. Boris Jelzin. Eine politische Biographie, Berlin 1992. Nach der Anhörung Jelzins in einem Ausschuss des Kongresses sagte David Rockefeller: «Das ist unser Mann!»
13 O. A. Platonov, Rossija pod vlast’ju masonov [Russland unter der Macht der Freimaurer], Moskva 2000, S. 35.
14 Platonov, Rossija, str. 3.
15 Platonov, Rossija, str. 15.
16 Jakunin, Novye techologii, S. 81.
17 Jakunin, Novye technologii, S. 90.
18 Jakunin, Novye technologii, S. 94f.
19 Jakunin, Novye technologii, S. 92.
20 www.pravda.ru 03.19.2008.
21 Gerlind Schmidt, Russische Föderation, in: Hans Döbert, Wolfgang Hörner, Botho von Kopp, Lutz R. Reuter (Hrsg.), Die Bildungssysteme Europas, Hohengehren 2010 ( = Grundlagen der Schulpädagogik, Bd. 46, 3. Aufl.), S. 619.
22 Schmidt, Russische Föderation, S. 635.
23 Schmidt, Russische Föderation, S. 632.
24 Pierre Hillard, Bertelsmann – un empire des médias et une fondation au service du mondialisme, Paris 2009, p. 27.
25 «In der Russischen Föderation ist die ideologische Vielfalt anerkannt. Keine Ideologie darf als staatliche oder verbindliche festgelegt werden.» Art. 13 der Verfassung der Russischen Föderation, Dezember 1993.
26 A. Cernych, Mir sovremennych media [Die Welt der gegenwärtigen Medien], Moskva 2007.
27 Roland Haug, Die Kreml AG, Hohenheim 2007.
28 Schmidt, Russische Föderation, S. 639.
29 Das Feindbild Westen im heutigen Russland, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin 2008.
30 Vladimir Malachov, Sovremennyj russkij nacionalizm [Der gegenwärtige russische Nationalismus], in: Vitalij Kurennoj, Mysljaškaja Rossija: Kartografija sovremennych intellektual’nych napravlenij [Das denkende Russland: Kartographie der gegenwärtigen intellektuellen Richtungen], Moskva 2006, str. 141 ff.
31 nterview mit Alexander Solschenizyn, Der Spiegel Nr. 30, 23.07. 2007; Marc Stegherr, Alexander Solschenizyn, Kirchliche Umschau, Nr. 10, Oktober 2008.
32 Nikolaj Plotnikov, Russkie intellektualy v Germanii [Russische Intellektuelle in Deutschland], in: Kurennoj, Mysljaškaja Rossija, a.a.O., str. 328.
33 Westen ohne Werte? Gespräch mit Natalja Alexejewna Narotschnizkaja, Direktorin des russischen Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit in Paris, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 51, 29.02.2008.
34 Jakunin, Novye technologii, str. 196ff.
35 Interview in: Der Spiegel.
36 Der Spiegel, Nr. 51, 14.12.2009.
37 Papst Benedikt XVI. Enzyklika «Spe salvi», Rom 2007, in der er von einer «Diktatur des Relativismus» spricht; Jakunin, Novye technologii, str. 174f.
«Zukunftwerkstätten» in Russland
Im Juli 2010 fand in Jekaterinburg die 21. deutsch-russische Zukunftswerkstatt mit etwa 40 Teilnehmern im Rahmen des Petersburger Dialogs zwischen Deutschland und Russland statt. Diese Seminare, zu denen junge russische Führungskräfte eingeladen werden, wurden im September 2004 von der Deutschen Gesellschaft für Aussenpolitik begründet, die die erste «Zukunftswerkstatt» mit dem Thema «Deutschland und Russland in der globalen Welt» in den Räumen des Bertelsmann-Verlags Gruner und Jahr in Hamburg organisierte. Das Ziel der Seminare, die heute von der Körber-Stiftung unterstützt werden, ist die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit und die Verbreitung der Idee der demokratischen Zivilgesellschaft. Die deutschen Vortragenden erklären den jungen Russen, dass eine strategische Partnerschaft mit Russland nur auf der Basis gemeinsamer westlicher Werte möglich wäre. Sie geben ihnen den Rat, das imperiale Erbe Russlands zu beseitigen und sich den Spielregeln der Globalisierung zu unterwerfen.
Die Deutschen sagen den Russen, dass sie in Deutschland seit den 60er Jahren die Auseinandersetzung mit dem Krieg und dem Nationalsozialismus geführt und die Vergangenheit aufgearbeitet hätten, und werfen den Russen vor, mit der Erinnerung an den Sieg im Zweiten Weltkrieg an die sowjetische Identität anzuknüpfen und nicht bereit zu sein, den Totalitarismus umfassend aufzuarbeiten, womit sie eine weitere Demokratisierung der Gesellschaft verhindern würden. Die russischen Teilnehmer antworten, dass sich 1991 ein Bruch in ihrem historischen Bewusstsein vollzog, der zum Zerfall der fundamentalen Werte in der Gesellschaft führte. Die Russen sind bisher nicht bereit, sich vollständig «von der Vergangenheit zu lösen» und die «universalen Werte» zu akzeptieren.
Quelle: Newsletter, DGAP, 20.7.2010